Meltzer, Brad – Shadow

Dass es im Weißen Haus in Washington, D.C., nicht immer mit rechten Dingen zugeht, wissen wir spätestens seit Bill Clinton. Der amerikanische Autor Brad Meltzer treibt es in seinem Thriller „Shadow“ auf die Spitze. Hier geht es nicht mehr nur um eine kleine Affäre, sondern um gefährliche Machtspielchen und düstere Geheimnisse, welche die Wiederwahl des fiktiven Präsidenten Hartson in Gefahr bringen könnten.

Michael Garrick ist Berater im Weißen Haus und hat es jeden Tag mit einem Haufen karrieregeiler Kollegen zu tun. Er selbst wirkt ziemlich bodenständig, aber das hält ihn nicht davon ab, sich ausgerechnet mit Nora Hartson, der Tochter des Präsidenten, zu treffen und sich in sie zu verlieben. Als sie eines Abends gemeinsam ausgehen, versucht Nora alles, um den Secret Service, ihre Bodyguards, abzuschütteln und es gelingt ihr sogar. Die beiden haben ein kurzes, aber intensives Date, das ein jähes Ende findet, als Michael seinen Boss Simon dabei beobachtet, wie dieser in einer Schwulenbar einen dicken Umschlag entgegennimmt. Das weckt Noras Abenteuerlust und sie folgen Simon, der den Umschlag an einem abgelegenen Ort zu vergräbt. Als sie der Sache auf den Grund gehen, finden sie einen Packen Geld, und Nora lässt es sich nicht nehmen, ein Bündel Scheine in die Tasche zu stecken.

Am nächsten Tag will Michael seine Beobachtungen über Simon der Ethikchefin des Weißen Hauses beichten, doch sie eröffnet ihm, dass Simon bereits vor ihm da war und die gleiche Geschichte, die er Caroline Penzler auftischt, ebenfalls erzählt hat – und alle Schuld auf Michael geschoben hat. Wer hat nun Recht? Die Situation sieht nicht besonders gut aus für Michael, denn die einzige Zeugin, die seine Aussage bestätigen könnte, ist schließlich die Tochter des Präsidenten, und es sähe nicht besonders gut aus, wenn sie in solche Unternehmungen verstrickt wäre. Und dann ist da ja auch noch das Geld, das sie mitgenommen haben … Zu allem Überfluss stirbt Caroline Penzler wenig später – angeblich an einem Herzinfarkt – und Michael gerät ins Visier des FBI. Um seine Haut und die von Nora zu retten, versucht er, Simons Schuld nachzuweisen und verstrickt sich dabei immer tiefer in den undurchsichtigen Fall …

„Shadow“ wird Fans von eiskalten Thrillern mit Heldenfiguren in dieser Hinsicht enttäuschen. Michael Garrick ist ein sehr ehrlicher und offener Erzähler, der keine Superkräfte besitzt und manchmal vielleicht ein wenig zu farblos wirkt. Er ist recht normal, was ihn aber menschlich und real wirken lässt. Es macht Spaß, ihn während der Lektüre zu begleiten, da er eine relativ objektive Sichtweise auf die Ereignisse erlaubt, ohne dabei völlig unterzugehen. Seine Vergangenheit und Persönlichkeit werden gut herausgearbeitet, wie auch bei den anderen Figuren. Meltzer greift nur selten Klischees auf, denn obwohl seine Figuren sehr gewöhnlich wirken, haben die meisten das eine oder andere Extra, das sie letztendlich hervorstechen lässt. Simon beispielsweise ist nicht das Monster, das man sich vorstellt. Im Gegenteil pflegt er ein behindertes Kind, für das er sogar beruflich zurückgesteckt hat. Ähnlich sieht es mit Michael aus, dessen Familiengeschichte eine ziemlich ungewöhnliche ist. Durch solche Besonderheiten schafft Meltzer es, nicht nur seine Charaktere, sondern das gesamte Buch aus der Masse herausragen zu lassen.

Die Handlung ist zwar realistisch, weist jedoch an der einen oder anderen Stellen ein paar Längen auf. Hinzu kommt, dass sie aus bereits bekannten Teilen konstruiert ist und dem Genre nicht viel Neues hinzufügen kann. Dank Meltzers mitreißender Erzählweise und des Erzählers, der alleine schon aufgrund seines Wesens zum Umblättern animiert, lässt sich „Shadow“ jedoch zügig und mit Freude durchlesen. Es gibt einige Action- und Verfolgungsszenen, die allerdings nie übermenschlich wirken und wie die Charaktere immer ein paar Besonderheiten aufweisen. Ähnlich ist es bei den Fettnäpfchen, in die der Held der Geschichte regelmäßig tritt. Meltzer schlachtet diese nicht aus. Michael gerät nie in eine Situation, aus der er nicht auch wieder halbwegs elegant herauskommen würde.

Insgesamt bleibt der Autor sehr bodenständig, und gerade das ist es, was die Geschichte so lesenswert macht. Ein weiterer Pluspunkt ist das zahlreiche (Insider-)Wissen über das Weiße Haus. Der Leser erfährt einiges über Washingtons wohl bekanntestes Gebäude, aber Meltzer macht nicht den Fehler, sich bei den Fakten aufzuhalten. Alleine durch seine spannende und anschauliche Schilderung des Alltags in den Büros – die sich so sehr gar nicht von anderen Büros unterscheiden – fließt ganz ohne belehrenden Zeigefinger oder Langeweile einiges an informellem Wissen in den Roman ein.

Der Schreibstil ist eng mit der Hauptperson verbunden und stellt diese in ihrer ganzen Schönheit dar. Meltzer unterscheidet sich nicht wirklich von anderen amerikanischen Thrillerautoren. Flüssig und mit einem Händchen für saubere Sätze und anschauliche Schilderungen, kann er das ganze Buch hindurch überzeugen. Eine eigene Note bekommt die Geschichte hauptsächlich durch Michaels Freund Trey, dessen Humor beinahe komödiantische Züge annimmt. Manchmal fühlt man sich tatsächlich mehr in einer coolen Krimikomödie als im Weißen Haus, wenn Trey einmal richtig loslegt.

In der Summe legt Brad Meltzer einen wenig außergewöhnlichen, aber sehr lesenswerten Thriller vor. Die Hauptperson ist sympathisch, der Schreibstil treibt die Geschichte flott voran und die Handlung weiß trotz einiger Längen zu überzeugen. Wer Thriller mit einem politischen Touch mag, der sollte sich bedienen.

|Originaltitel: The First Counsel
Aus dem Amerikanischen von Edith Walter
Taschenbuch, 524 Seiten|

http://www.aufbau-verlagsgruppe.de
http://www.bradmeltzer.com

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