Nygaard, Hannes – TATORT: Borowski und die einsamen Herzen

Begeisterte die TATORT-Serie schon über vier Jahrzehnte hinweg ein Millionenpublikum vor dem Fernseher, läutete der |Emons|-Verlag jüngst eine neue Ära ein: Die wohl bekannteste deutsche Krimiserie schaffte im Herbst 2009 auch den Sprung in die Literatur. Basierend auf Drehbüchern bereits gesendeter Folgen, werden seither eine ganze Reihe Fälle ausgewählter und beliebter Ermittler auch als Roman angeboten. Erfolgreich: Der ersten Welle von Veröffentlichungen folgten unlängst weitere. „Borowski und die einsamen Herzen“ gehört zur zweiten Tranche aus dem Frühjahr 2010. Das ungleiche Kieler Ermittlerteam, bestehend aus Hauptkommissar Klaus Borowski und Kriminalpsychologin Frieda Jung, bekommt seinem ersten gemeinsamen Fall.

_Zur Story_

Während der Frühling und die dazugehörigen Gefühle so langsam einziehen, welche auch den eigenbrötlerischen Kommissar Borowski nicht so kaltlassen, wie er es gerne hätte, ereignen sich in kurzer Folge zwei vollkommen unromantische Messermorde. Diese liefen nach gleichem Schema ab, was recht schnell die Theorie von einem Serientäter heraufbeschwört. Beide Opfer weisen nämlich deutliche Gemeinsamkeiten auf – sie hatten sogar ziemlich ähnlich lautende Kontaktanzeigen über den „Kieler Boten“ aufgegeben, was nahelegt, dass dort vielleicht verwertbare Hinweise zu finden sind. Die Analyse sämtlicher Annoncen des infrage kommenden Zeitraums fördert allerdings nicht viel Brauchbares zutage, außer vielleicht, dass „Durchschnittsmann“ Borowski sehr gut in das Beuteschema des vermeintlichen Serienkillers passt.

Da Borowski ziemlich auf der Stelle tritt, und ihm auch die kärglichen Erkenntnisse der Spurensicherung nicht wirklich weiterhelfen, wird ihm Kriminalpsychologin Frieda Jung zur Seite gestellt, was der zuweilen knötterige Kommissar mit gemischten Gefühlen sieht. Einerseits ist er ein Einzelgänger mit seinen ganz eigenen kriminalistischen Ermittlungsmethoden, andererseits hat er tief in seinem Innersten ein Auge auf die hübsche Frieda geworfen, die ihm aber nicht nur die kalte Schulter zeigt, sondern auch seine eigenen Unzulänglichkeiten. Zudem pflegt sie auch noch eine ganz andere Herangehensweise an den Fall. Von ihr stammt schlussendlich die Idee, dass sich Borowski als Lockvogel zur Verfügung stellt und selbst eine Kontaktanzeige aufgibt – der begibt sich aber erst in die abgrundtiefen Niederungen der Partnersuche, als sich noch ein dritter Mord ereignet.

_Eindrücke_

Anders als absolute Serienlieblinge vom Schlage Thiel/Boerne, welche selbst bekennende TATORT-Muffel begeistern können, ist der eigenwillige Klaus Borowski doch etwas sperrig und nicht jedermanns Geschmack. „Love it or leave it“ ist ein oft strapaziertes Motto, welches man hier aber getrost anwenden kann. Dabei ist es mit ihm, wie mit seinem alten VW-Passat: Da steckt mehr unter der Haube, als man auf den ersten Blick bemerkt. So benötigt der tüchtige und intelligente Kieler Ermittler sicherlich etwas Eingewöhnung, bis man mit ihm klarkommt. Das gilt für den Fernsehzuschauer übrigens gleichermaßen wie für den Leser der Adaption. Aber grade die Ecken und Kanten, speziell seiner Hauptfigur, machen den Kieler TATORT so interessant.

Dabei hat es Hannes Nygaard im Roman, dank der ihm hier zur Verfügung stehenden stilistischen Mitteln uns Einsicht in Borowskis Seele zu gewähren, sogar etwas einfacher, als Drehbuchautor Thomas Schwank und nicht zuletzt auch Borowski-Darsteller Axel Milberg, welche dem Kommissar bisher auf dem Bildschirm Kontur zu verliehen und halfen Sympathiepunkte zu sammeln. Mit dem Effekt, dass der literarische Borowski leichter zugänglich erscheint, als sein TV-Pendant, bei dem es schon einige Zeit braucht, bis man sich an seine nordisch-herbe Art gewöhnt hat und eventuell sogar Gefallen daran findet. Dennoch ist der Roman nah genug an der Vorgabe, um den Ton und die Atmosphäre daraus hinüberretten zu können.

Auch der Fall an sich ist mit Bedacht gewählt, handelt es sich bei diesem zwar nicht um einen absoluten Überflieger doch immerhin um jenen, an welchem Frieda Jung endgültig als Sidekick etabliert wird – und als Love Interest für Borowski. Im Roman wirkt sie allerdings etwas farblos und geht als Charakter ein wenig unter, während Schauspielerin Maren Eggert der Kriminalpsychologin in der TV-Fassung wesentlich mehr Präsenz und Profil zu verleihen versteht, als es hier gelingen mag. Insgesamt ist die Umsetzung aber stimmig und bis in die Dialoge hinein werkgetreu und realitätsnah. Nur eine Sache will partout nicht passen und das ist Borowskis Auto, welches angeblich über einen nachträglich eingebauten Hybridantrieb verfügen soll. Dieses Kunststück bei einem 80er-Jahre-Passat der Baureihe B1 fertigzubringen, darf man ins Reich der Fabel verbannen.

_Fazit_

Ein ziemlich typischer „Borowski“, was durchaus positiv verstanden werden will, und zudem einer, der sehr viel Persönliches über den Chefermittler preisgibt. Eventuell zu viel, denn einen Teil des Reizes des Kieler TATORT (zumindest im Fernsehen) besteht sicher darin, sich die nicht unschrullige, gelegentlich gar mysteriös wirkende, Hauptfigur Fall für Fall mehr zu erarbeiten und ihn vielleicht grade dadurch für sich zu entdecken. Der Roman ist da viel direkter und enthüllender. Was einem mehr liegt, muss jeder selbst entscheiden. Handwerklich ist der Adaption, bis auf ein paar Kleinigkeiten, jedenfalls nichts wirklich anzulasten: Ein routiniert nach Hause gebrachter, realitätsnaher Kriminalroman, der auch (noch) Nicht-Fans der Serie interessieren könnte.

|Taschenbuch: 154 Seiten
Roman zur gleichnamigen ARD-Reihe TATORT
Nach einem Drehbuch von Thomas Schwank
ISBN-13: 978-3-89705-745-6|
[www.emons-verlag.de]http://www.emons-verlag.de

_TATORT beim Buchwurm:_
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