Mike Resnick – Wilson Cole 2: Die Piraten (Starship 02)

Tough: Reality Check für Jack Sparrow

Rund 3000 Jahre in der Zukunft (im Jahr 4875) führt die Republik der Menschen Krieg gegen die Teroni-Föderation. Der Offizier Wilson Cole hat Befehle missachtet – und damit Millionen von Menschen das Leben gerettet. Trotzdem soll er sich vor dem Kriegsgericht verantworten. Mit seinem Schiff |Teddy R| flieht Cole in die gesetzlosen Gebiete der Galaxis, an die Innere Grenze zur Teroni-Föderation. Sein Plan ist einfach: Piraterie! Doch Cole stellt fest, dass er zwar ein guter Soldat, aber ein lausiger Pirat ist. Er beschließt, sich Nachhilfe bei den Profis zu holen.

Der Autor

Mike Resnick wurde am 5. März 1942 in Chicago geboren. Bereits mit 15 veröffentlichte er seinen ersten Artikel, mit 17 seine erste Kurzgeschichte und mit 20 seinen ersten Roman. Inzwischen hat er mehr als 250 Bücher veröffentlicht. Er zählt zum Urgestein der SF und Fantasy und hat im Lauf seiner Schriftstellerkarriere alle international begehrten Genre-Preise gewonnen, darunter seit 1989 allein fünfmal den |HUGO Award| (für den er weitere 27-mal nominiert war) und einen |Nebula Award|. Er gilt als einer der fleißigsten Autoren der Szene und ist auch als Herausgeber sehr aktiv. Seine Werke wurden bisher in 20 Sprachen übersetzt. Da sich bei ihm alles ums Buch dreht, verwundert es nicht, dass auch seine Frau Carol Schriftstellerin ist – wie auch seine Tochter Laura, die bereits ihre ersten SF/Fantasy-Preise gewonnen hat, darunter den |John W. Campbell Best New Writer Award| 1993.

Auf Deutsch erschienen unter anderem:

Elfenbein (1988; ersch. bei Heyne, 1995)
Einhornjagd (1987; ersch. bei Heyne 1997)
– Santiago (1987, bei Heyne 1993)
– Walpurgis III (Knaur, 1986)
– Das Zeitalter der Sterne (Knaur, 1985)
– Die größte Show im ganzen Kosmos 1-4 (Goldmann 1984/85)
– Herr der bösen Wünsche (Bastei Lübbe, 1984)

Der |Starship|-Zyklus:

Die Meuterer (Starship: Mutiny)
Die Piraten (Starship: Pirate)
Starship: Mercenary
Starship: Rebel
Starship: Flagship

Mehr dazu unter „Anhänge“.

Handlung

Wilson Cole stand schon vor dem Kriegsgericht, weil er befehlswidrig fünf Millionen Menschen das Leben gerettet hatte, da holte ihn seine Mannschaft aus dem Militärgefängnis und flog mitsamt der gekaperten |Theodore Roosevelt| in die Randgebiete der Galaxis. Doch nun sind sie allesamt Meuterer und müssen sich vor der Navy in Acht nehmen. Sie können nicht einfach in die gewohnten Bars auf den Hauptwelten spazieren. Man würde sie sofort verhaften. Die Besatzung hält erstaunlicherweise loyal zu ihrem Captain.

Doch Cole muss einen Weg finden, um den Unterhalt des Schiffes zu gewährleisten. Von Bezahlung der Mannschaft kann eh keine Rede sein: Sie sind nun alle Piraten. Siedlerwelten zu überfallen, ist ehrlos und unlukrativ, ebenso der Überfall auf Frachtschiffe. Also bleibt noch der Überfall auf andere Piraten übrig, und davon gibt es im Randgebiet jede Menge.

Schon der erste Coup gelingt, doch es erweist sich als ebenso schwierig, die Preziosen zu verscherbeln, wie sie zu beschaffen. Der Hehler, der sich wie eine Dickens-Figur als „David Copperfield“ bezeichnet, verlangt beispielsweise einen Anteil von 95 Prozent am Wert der Sore. Mit popeligen fünf Prozent ist Cole keineswegs einverstanden, daher versucht er es bei den Versicherungsgesellschaften. Das ist zwar ein heißes Pflaster, aber beim ersten Mal zockt er auf diese Weise immerhin an die 20% ab. Aber er hätte nicht erwartet, dass sein Steckbrief umgehend auf sämtliche Welten der Inneren Grenze verschickt wird (elektronisch, versteht sich). Der zweite Versuch endet daher wesentlich riskanter.

Die Erkenntnis breitet sich an Bord aus, dass sie einen Lehrmeister brauchen, der ihnen das Piratenhandwerk beibringt. Und wo findet man solch einen Guru, wenn nicht auf einem Planeten, der für seine Piraten berüchtigt ist. Gesagt, getan. Allerdings hat sich Cole seinen Guru etwas anders vorgestellt. Die scharfe Braut, die sich von ihm „Walküre“ nennen lässt, ist zwei Meter groß, muskelbepackt und bis an die Zähne bewaffnet. Leider ist sie auch geistigen Getränken allzu sehr zugetan. Im Vollrausch hat sie ihr eigenes Schiff |Pegasus| verloren; die Mannschaft klaute es und verlor es gleich wieder an ihren Erzrivalen, den |Hammerhai|.

Als Cole ihr verspricht, ihr Schiff wiederzubeschaffen, tritt sie seiner Mannschaft bei. Nachdem sie mit den Jungs und Mädels trainiert und „Bilsang“ gespielt hat, ist sie ein vollwertiges Mitglied. Sogar Sharon, die Sicherheitschefin und Freundin des Captains, kann sich mit Walli, der Piratin, abfinden, denn diese erklärt, keine Absichten auf Cole zu haben. Sie wolle bloß ihr Schiff zurück. Allerdings muss Cole noch Wallis Problem, sich unterzuordnen, beheben, bis alles so klappt, wie er sich das vorstellt.

Dann kann die Jagd nach der |Pegasus| losgehen. Cole muss seinen ganzen Grips einsetzen, um vom |Hammerhai| nicht in Stücke geschossen zu werden.

Mein Eindruck

Die Story tut sich zunächst etwas schwer, wieder in die Gänge zu kommen. Seitenlang wird hin und her überlegt, was die Meuterer nun anstellen sollen, statt gleich eine Actionszene zu schildern, auf die eine Rückblende folgt. Der Autor folgt der Story ganz linear und sorgt so nicht gerade für Neugier oder Spannung. Nach etwa siebzig Seiten geht es dann los – und hört zum Glück nicht mehr auf, bis alle Schwierigkeiten bewältigt sind.

Dies ist der zweite Auftritt von Wilson Cole. Er ist zwar nicht gerade der Jack Sparrow der Sternenwege, aber sein Hang zur Befehlsverweigerung – die er stur „Eigeninitiative“ zu nennen beliebt – lässt ihn für die Raumflotte zunehmend untragbar werden. Wenn da nur nicht sein irritierender Heldenstatus bei der Bevölkerung wäre – die Flotte hätte ihn schon längst vors Kriegsgericht gestellt. Als es dann endlich so weit ist, haut ihn seine treue Mannschaft raus und begibt sich auf andere, alternative Wege. Doch was stellt man mit einem alten Schlachtschiff wie der |Teddy R.| abseits der Kriegsgebiete an? Na klar: Man betätigt sich als Pirat. Ob ihm bei diesem Handwerk Jack Sparrow Pate steht, können wir in dieser Folge der fünfteiligen Serie lesen.

Im Grunde geht es darum, eine Art Realitäts-Check durchzuführen. Das Piratenleben erweist sich jedoch als weitaus weniger lustig, als es die Bücher immer beschrieben haben. Und am Schluss denkt Cole daran, auf Söldner umzusatteln. Und er hat auch schon den richtigen Partner dafür: David Copperfield, den ehemaligen Hehler, dessen Herz er mit einem verwegenen Coup gegen einen anderen Hehler gewinnen konnte.

Erstaunlich, was man in der Zukunft alles für eine signierte Erstausgabe eines Dickens-Roman alles gezahlt bekommt. Andererseits: Wieso gibt es in 3000 Jahren überhaupt noch Bücher? Das kommt mir ein wenig unwahrscheinlich vor. Aber das sind Höhlenmalereien im Grunde auch.

Ob die Story jugendfrei ist? Bei Wilson Cole geht Captain Cole mit Sharon Blackstone ins Bett, aber die beiden schenken einander nichts, und so sind die Dialoge wenigstens witzig. Man merkt, dass Carol, die Frau des Autors, die Oberaufsicht über Resnicks Werke geführt haben muss. Hier könnten sich die Macher von „Star Trek“ und ähnlichen Serien noch einiges abgucken.

Die Anhänge

In mehreren Anhängen beschreibt der Autor sein Privat-Universum, das er im „Birthright“-Zyklus geschaffen hat. Dieser Zyklus umfasst nicht nur den fünfteiligen Starship- bzw. Wilson-Cole-Zyklus, sondern auch viele Einzelromane wie etwa „Elfenbein“, „Santiago“ und „Kirinyaga“ (den meistdekorierten SF-Roman aller Zeiten). Alle dazugehörigen Werke, egal ob Roman oder Story, werden in eine zusammenhängende Chronologie gestellt. „Die Piraten“ etwa spielt im Jahr 1967 GE, was dem Jahr 2908+1967 = 4875 entspricht.

Das Birthright-Universum lässt sich mit Alan Dean Fosters Homanx-Commonwealth-Universum vergleichen, für das immerhin schon ein kleines Lexikon gibt. Dieses findet sich in einem der Bände des deutschen |Heyne-SF-Magazins|. Für das Birthright-Universum existiert bislang nur eine amerikanische Bibliografie, und von einer Übersetzung dieses Werkverzeichnisses ist mir nichts bekannt.

Ein weiterer Anhang stellt die wichtigsten Figuren in Kurzbiografien vor, aber ebenso auch das Schiff, die |Theodore Roosevelt|. Ein letzter Anhang macht uns mit dem Autor noch einmal näher bekannt. Alles in allem erhält der Leser einen sehr guten Einstieg sowohl in das Birthright-Universum wie auch in den Wilson-Cole-Zyklus. Wenn dieser Anhang in den nächsten vier Bänden wiederholt wird, haben auch Späteinsteiger die Chance, mit der Handlung mitzuhalten, und verlieren nicht die Orientierung.

Die Übersetzung

Thomas Schichtel war nicht besonders beansprucht, hat aber seine Sache gut gemacht. Besonders aufgefallen ist mir, dass er genau zwischen „ich denke, dass“ und „ich glaube, dass“ unterscheidet. In vielen Übersetzungen wird beides synonym verwendet, aber das läuft auf eine Täuschung des Lesers hinaus. Das Denken ist ein mentaler Akt und drückt eine Meinung aus. Das Glauben ist ein gefühlsmäßiger, meist irrationaler Akt und drückt eine innere Einstellung aus, die sich selten rational begründen lässt. Dazwischen können Welten liegen. Wir können aber davon ausgehen, dass ein routinierter Autor wie Resnick genau zu unterscheiden weiß, was ein Denk- und was ein Glaubensakt ist.

Der erste Druckfehler, denn ich finden konnte, steht auf Seite 92. „Triumpfschrei“ wird auch nach der Rechtschreibreform korrekt „Triumphschrei“ geschrieben. Auf Seite 148 ist aus einer Bergbau-„Mine“ eine „Miene“ geworden und auf Seite 279 wurde aus „trainiert“ das verunstaltete Wort „traniert“.

Unterm Strich

Mir hat die Lektüre nicht mehr so viel Spaß gemacht wie der Startband. Die Story ist nicht für Dumpfbacken geschrieben und weist einige unkonventionelle Elemente auf, die mich bei der Stange hielten, auch die Anhänge sind für ein SF-Taschenbuch eher ungewöhnlich.

Doch das gleicht den Mangel an Action und Spannung, an Sinnlichkeit und beißender Ironie nicht aus, die ich im Startband so gelobt habe. Hoffentlich sind die nächsten Bände besser. Der Verlag empfiehlt die Reihe den Fans von John Ringo und David Weber, die ja vor allem für Military SF bekannt sind.

Originaltitel: Starship: Pirate, 2006
Aus dem US-Englischen von Thomas Schichtel
383 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-23329-8

www.luebbe.de

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