Sassenberg, Volker – Gabriel Burns – Zwielicht (Folge 27)

Bisher hat man sich darauf einstellen können, dass jedes Quartal zwei neue Folgen von |Gabriel Burns| erscheinen und die Geschichte um die zehn fahlen Orte kontinuierlich fortgeführt wird. Mit der Episode „Zwiespalt“ ist dieser Rhythmus jedoch unterbrochen worden, denn die mittlerweile 27. Folge ist die letzte Neuerscheinung der Reihe für 2007. Der angekündigte 28. Teil „Im Kreis des Vertrauens“ ist auf nächstes Jahr verschoben worden, denn durch einige fiktive Ereignisse in rumänischen Waisenhäusern innerhalb der Serie, die nun tatsächlichen Zwischenfälle drastisch ähneln, hat sich |Universal| gezwungen gesehen, eine Überarbeitung zu erwirken.

Während also die fortlaufende Handlung entschärft und überarbeitet wird, muss sich der Hörer so lange mit der Episode „Zwiespalt“, die in Vancouver und Mexiko spielt, die Zeit vertreiben. Das gelingt jedoch ausgesprochen gut, denn als Beigabe, gewissermaßen als kleine Entschuldigung für die Fans, wird auf einer zweiten Scheibe ein neuer Soundtrack mitgeliefert. Hierbei handelt es sich um die zweite Soundtrack-CD, denn Folge zwölf lag in einer limitierten Auflage ebenfalls ein Soundtrack bei. Mittlerweile sind aber viele neue Stücke dazugekommen, die nun zum ersten Mal ohne Stimmeneinblendungen und in voller Länge zu hören sind. Im Zentrum steht aber die Episode selbst, die sich nach langer Zeit wieder ganz um die Hauptperson Steven Burns dreht.

_Vorgeschichte: Folgen 1 bis 26_

Vancouver: Steven Burns, erfolgloser Schriftsteller, hält sich mehr schlecht als recht als Taxifahrer über Wasser. Sein Leben ändert sich jedoch schlagartig, als er an den geheimnisvollen Bakerman gerät – oder treffender: als Bakerman Steven kontaktiert, um ihn in ein mysteriöses Projekt einzuweihen, das sich unheimlicher Phänomene angenommen hat. Warum Bakerman, der dieses Projekt leitet, gerade Steven für seine Pläne auserkoren hat, wird dem Schriftsteller in dem Moment klar, als er an seinen Bruder Daniel zurückdenkt. Dieser verschwand nämlich im Alter von vier Jahren auf seinem Geburtstag, als Steven ihn bat, in eine Kiste zu steigen und einen Zaubertrick über sich ergehen zu lassen. Doch das Resultat war kein harmloses Kinderspiel, denn Daniel war plötzlich wie weggezaubert und blieb spurlos verschwunden.

Obwohl Bakerman auf die Geschehnisse von Stevens geheimnisvoller Zaubergabe anspielt, bleibt er ihm die Antworten schuldig. Und wenn er etwas herausrückt, dann nur sehr spärlich und darauf bedacht, die wahren Hintergründe im Dunkeln zu lassen. Denn Bakerman möchte Stevens Fähigkeiten erst einmal testen und eine Vertrauensbasis aufbauen. So schickt er ihn über den gesamten Globus; immer dorthin, wo auf eigenartige Weise Menschen verschwinden, von gefährlichen Experimente berichtet wird oder scheinbare Naturphänomene ans Tageslicht treten.

Steven Burns zur Seite stehen Joyce Kramer und Larry Newman, die das Viererteam um Bakerman komplettieren. Joyce ist bereits seit vielen Jahren ein treuer Verbündeter Bakermans und stellt seine Pläne nicht in Frage. Larry hingegen ist erst kurze Zeit nach Steven zur Mannschaft gestoßen, als sich der frühere Forstbeamte in den Wäldern von Yukon widernatürlichen Phänomenen ausgesetzt sieht und daraufhin beschließt, das Böse zu bekämpfen. Die zehn fahlen Orte sind es, die Steven Burns, Bakerman, Joyce und Larry in Atem halten. Orte, an denen das Böse zum Vorschein kommt und Tore in eine andere Welt geöffnet werden, um die Menschheit durch Kreaturen aus der Hölle zu vernichten.

Steven weiß nun, wer er ist, oder vielmehr, was er ist. Jetzt liegt es an ihm, dieses Wissen für sich zu nutzen und den Kampf aufzunehmen. Die Zeit rennt. Doch welche Rolle spielt er in diesem Spiel? Er ist auf sich allein gestellt, denn Bakerman ist untergetaucht und Joyce, so denkt es zumindest alle Welt, tot. Steven muss zu sich selbst finden, und das ohne die Hilfe seiner Gefährten …

_Inhalt_

„Zwiespalt“ konzentriert sich ganz auf Steven Burns. Da Bakerman untergetaucht ist, steht Steven ziemlich hilflos dar. Sein Auftraggeber ist gewissermaßen verschwunden, seine Jobs, die des Taxifahrers und Journalisten, hat er schon vor Monaten an den Nagel gehangen. Recht schnell fällt ihm die Decke auf den Kopf, sein Erspartes schwindet und die einzige Beschäftigung sieht er darin, sich in einer Bar mit billigem Alkohol vollzudröhnen. Als er zwei Tage später in seiner Wohnung aufwacht, weiß er nicht mehr, ob er durchgeschlafen oder andere Aktivitäten ausgeübt hat. Er begnügt sich zunächst damit, Kartons zusammenzupacken, denn sein Apartment ist ohne ein geregeltes Einkommen auf Dauer zu teuer. Doch irgendetwas stimmt nicht mit ihm, und es ist nicht ausschließlich das Selbstmitleid, in das er zu sinken droht.

Er kann sich glücklich schätzen, dass in diesem Moment sein früher Verleger Sunny Heseltine an der Haustür klingelt. Er hätte ihn angerufen und um einen Job gebeten, teilt dieser ihm mit, doch Steven kann sich beim besten Willen nicht erinnern. Ein Blick in den Telefonspeicher bestätigt dies, doch Steven ist sich sicher, dass er das Gespräch nicht geführt hat. Was ist bloß los mit ihm? Während Steven seinem Gast einen Kaffee aufsetzt, entdeckt Sunny in einem der Kartons eine alte Puppe. Steven hat sie einst einem Bühnenmagier namens Charlie abgenommen, wenig später ist dieser verschwunden. Eher aus Neugier spielt Steven ein Videoband ab, das neben der Puppe liegt, das er sich jedoch noch nie angesehen hat. Obwohl nur graues Flimmern auf dem Bildschirm erscheint, mein Steven die Konturen Charlies zu erkennen, und die einer Postkarte. Sowohl Charlie als auch die Karte sind jedoch erschreckend weiß, regelrecht ausgeblichen – wie aus dem Totenreich. Steven stürzt sich sofort in Nachforschungen, doch Sunny kann diesen Eifer nicht nachvollziehen, schließlich hat er außer dem Flimmern nichts gesehen. Daher bietet er Steven an, mit ihm übers Wochenende zu verreisen, in entspannter Umgebung über neue Aufträge zu sprechen und diesen ganzen Unfug über Hinweise und Verschwörungen zu vergessen.

Steven lässt sich auf das Angebot ein, doch seine Absicht, nach Mexiko zu fliegen, ist eine andere. Genau dorthin führen nämlich die Spuren des Bühnenmagiers Charlie, wie Steven mittlerweile nach einigen Erkundungen in Erfahrung gebracht hat. Sämtliche Postkarten Charlies, die Steven durch Hilfe eines Freundes in dessen Hinterlassenschaften findet, zeigen nämlich das gleiche Motiv: Mexiko Ende Oktober, zu den Feierlichkeiten des Volksfestes Día de los Muertos, übersetzt der ‚Tag der Toten‘.

Die Reise verläuft zunächst wie geplant. Sunny, Steven und Larry, der ebenfalls mitreist, kommen bei einer freundlichen Señora unter. Doch obwohl ganz Mexiko angesichts des Volksfestes in Feierlaune ist, wechselt Stevens Stimmung von einem auf den anderen Augenblick. Alles läuft zusammen, Stevens merkwürdige Gedächtnisaussetzer, die eigenartigen Hinweise eines verschwundenen Magiers samt seiner Puppe und das Fest der Toten. Es ist fast zu spät, als Steven realisiert, dass sein zweites Ich die Oberhand gewinnt. Denn er ist Gabriel, und er dient dem großen Plan.

_Bewertung_

Obwohl „Zwiespalt“ handlungstechnisch nicht viel Neues bietet, ist sie für den Hauptplot durchaus zentral. Die Veränderungen Stevens, die sich in den letzten Episoden bereits angekündigt haben, spitzen sich zu und laufen allmählich aus dem Ruder. So haben Volker Sassenberg und sein Team gut daran getan, sich viel Zeit mit dem inneren Konflikt Steven Burns zu nehmen und die Ereignisse in Mexiko klar der Charakterentwicklung unterzuordnen. Dass einige ältere Figuren wie Sunny oder Charlie wieder auftauchen, mag vor allem die Fans der ersten Folgen freuen, allerdings wirkt die Geschichte um ihr erneutes Auftauchen etwas zu konstruiert. Vor allem das Videoband, das Steven in seinen Umzugskartons findet und schließlich als Auslöser dient, nach Mexiko zu reisen, vermittelt den Eindruck, dass die Nebenfiguren unbedingt auftauchen sollten und krampfhaft eine Verbindung hergestellt werden musste. Schließlich war das Band schon länger in Stevens Besitz, und so wundert es doch ein wenig, dass aufgrund einer veralteten Nachricht die weitere Handlung vorangetrieben wird.

Der Schauplatz in Mexiko während des Tages der Toten macht aber durchaus etwas her und bringt die zwei Seiten Stevens gut zum Vorschein. Denn ebenso wie der Hauptdarsteller, der sich mit einem zweiten Ich herumplagen muss, besitzt auch das Volksfest zwei Ebenen, die miteinander verknüpft werden: die Toten bzw. abstrakter der Tod, der für viele nur Ängste hervorruft, wird hier in Form eines großen Festes gefeiert. Die Lebenden verehren die Verstorbenen, hell und dunkel, Steven und Gabriel. Obwohl die Folge offenlässt, ob Steven seine Gabe in Zukunft besser kontrollieren kann oder tatsächlich nur eine Marionette im Spiel der Mächte bleiben wird, ist „Zwiespalt“ weitgehend abgeschlossen und auch in sich als Einzelepisode stimmig. Das macht Lust auf mehr, auch wenn die Folge 28 etwas länger auf sich warten lässt.

http://www.gabrielburns.de/

Siehe ergänzend dazu auch unsere Besprechungen zu den aktuellen Buchveröffentlichungen

[„Gabriel Burns: Die Grauen Engel“ 3892
[„Gabriel Burns: Verehrung“ 3960

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