Arthur Conan Doyle / Herman Cyril McNeile – Die Spuren auf der Treppe (Sherlock Holmes 61)

Das Geheimnis der alten Villa

Ein dubioser Auftraggeber verspricht dem ungarischen Zwischenhändler Ivolsky ein beträchtliches Honorar für eine schiere Nichtigkeit. Gelockt vom schnell verdienten Geld lässt sich Ivolsky auf den Handel ein. Bereut es jedoch in dem Moment wieder, als er am Ort des Geschehens eintrifft. Mit gemischten Gefühlen fragt er Holmes um Rat… … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 14 Jahren.

Die Serie wurde mit dem „Blauen Karfunkel“ der Deutschen Sherlock Holmes-Gesellschaft ausgezeichnet.

Die Autoren

1) Herman Cyril McNeile (28. September 1888 – 14. August 1937), meist bekannt als Cyril McNeile, der unter dem Namen „H. C. McNeile“ oder dem Pseudonym „Sapper“ veröffentlichte, war ein britischer Soldat und Schriftsteller der Nachkriegszeit. Er starb wahrscheinlich an den Spätfolgen eines Gasangriffs im Ersten Weltkrieg. Die Wikipedia bringt ihn an keiner Stelle in Zusammenhang mit Sherlock Holmes, was erstaunlich ist, denn McNeile schrieb in erster Linie Detektivgeschichten.

2) Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen ca. 60 Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um sein Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: „The Lost World“ erwies sich enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt. Schon 1913 ließ Doyle eine Fortsetzung unter dem Titel „The Poison Belt“ (dt. als „Im Giftstrom“, 1924) folgen.

3) Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert wird.

„Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs“

Folge 1: Im Schatten des Rippers
2: Spuk im Pfarrhaus
3: Das entwendete Fallbeil
4: Der Engel von Hampstead
5: Die Affenfrau
6: Spurlos verschwunden
7: Der Smaragd des Todes
8: Walpurgisnacht
9: Die Elfen von Cottingley
10: Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band / Der Fall Milverton / Der Teufelsfuß (Neuausgabe)
11: Das Zeichen der Vier (4/2014, Neuausgabe)
12: Ein Skandal in Böhmen (4/2014)
13: Der Bund der Rotschöpfe (5/14)
14: Eine Frage der Identität (9/14)
15: Das Rätsel von Boscombe Valley (10/14)
16: Der blaue Karfunkel
17: Die fünf Orangenkerne
18: Der Mann mit der entstellten Lippe
19: Der Daumen des Ingenieurs
20. Der adlige Junggeselle
21. Die Beryll-Krone
22. Das Haus bei den Blutbuchen
23. Silberblesse (6/16)
24. Das gelbe Gesicht (6/16)
25. Der Angestellte des Börsenmaklers (7/16)
26: Die „Gloria Scott“ (11/16)
27: Das Musgrave Ritual (12/16)
28: Eine Studie in Scharlachrot (2 CDs)
29: Die Junker von Reigate
30: Der bucklige Mann
31: Der Dauer-Patient
32: Der griechische Dolmetscher
33: Das graue Haus
34: Die quietschende Tür
35: Der Hund der Baskervilles (2 CDs)
36: Das unheimliche Pfarrhaus
37: Der verschwundene Kutscher
38: Das Haus mit den Zwingern
39: Eine Frage des Teers
40: Die dritte Botschaft
41: Mayerling (2 CDs)
42: Der Tote im Extra-Waggon
43: Der Zuträger
44: Der zweite Hund
45: Harry Price und der Fall Rosalie
46: Der Mann in Gelb
47: Das verlassene Haus
48: Der Gezeitenstrom
49: Das Grauen von Old Hall
50: Ludwig II. – Der Tod im Würmsee (2022)
51: Was das Feuer übrigließ
52: Der stille Tod
53: Der maskierte Tod
54: Tod eines Giftforschers
55: Geheimsache Styles Court
56: Der Mann im Speisewagen
57: Die vierte Flasche
58: Das Musikzimmer
59: Gottes Mühlen
60: Der zehnte Earl
61: Die Spuren auf der Treppe
62: Mr. Marburys Hände
63: Der Lumpensammler von Paris
64: Der verschwundene Grafensohn
65: Der Fall Harry Houdini
66: Der Mädchenmörder von Boston

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher und ihre Rollen:

Joachim Tennstedt: Sherlock Holmes
Detlef Bierstedt: Dr. John Watson
Regina Lemnitz: Mrs. Hudson
Helmut Zierl: Mr. Ivolsky
Bodo Primus: Alfred Smithson
Dirk Petrick: Mr. Howard
Bert Stevens: Carter
Marc Gruppe: Kutscher / Arzt

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden im Titania Medien Studio, bei Advertunes und in den Planet Earth Studios statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trugen Bastien Ephonsus (Cover) und Firuz Askin bei.

Handlung

Holmes und Watson empfangen Mr. Ivolsky, einen ungarischen Zwischenhändler. In seinen Laden sei tags zuvor ein Mann getreten, der sich Alfred Smithson nannte und sehr geheimnisvoll tat. Er wollte mit ihm nur unter vier Augen sprechen, also schickte er seinen Mitarbeiter Mr. Howard fort. Es gehe um einen Geschäftsabschluss, aber der Partner sei sowohl stumm als auch des Englischen nicht mächtig, kurzum ein stummer Ungar. Sollte Mr. Ivolsky bereit sein zu dolmetschen, würden ihm stattliche 50 Pfund Sterling winken.

Sie hätten sich zur bezeichneten Zeit im Hyde Park getroffen, von wo sie etwa anderthalb Stunden zu einem Anwesen auf dem Land gefahren seien. Dieses erschien Mr. Ivolsky sehr ungepflegt, doch der Ausländer Smithson führte ihn durch eine große Eingangshalle zu einem kleinen dunklen Raum, in dem Smithsons Partner Mr. Pilaudi sitzt. Hinter einem Vorhang, auf den Pilaudi starrt, befindet sich offenbar ein weiterer Partner. Es folgt ein Austausch von Informationen, gefolgt von einer Drohung.

Hier wird offenbar jemand genötigt, in einen Handel einzuwilligen. Wer das war, müssen sie herausbringen, um Schaden von dieser Person abzuwenden, die vielleicht große Bedeutung für das Empire hat. Ivolsky hat zwar sein Honorar ausbezahlt bekommen, aber er will trotzdem dieser Sache auf den Grund gehen. Es gibt eine Frist, die für den unbekannten Partner Smithsons abläuft.

Die alte Villa

Erst im Durchlauf kann der Ungar das verfallene Anwesen finden, und es bleibt nur noch eine Viertelstunde der Frist. Holmes und Watson müssen sich beeilen, aber dennoch Vorsicht walten lassen. Wer weiß, wozu dieser Smithson fähig ist? Zum Glück ist die Eingangstür unverschlossen, so dass sie schnell zu jenem Raum mit dem Vorhang vordringen können. Hinter dem Vorhang finden sie Folterinstrumente: eine Seilwinde, um jemand daran hochzuziehen, sowie eine Daumenschraube. Blutstropfen künden davon, dass die Daumenschraube eingesetzt wurde. Dies ist offenbar ein Fall für Polizei.

Doch sie entdecken auf der Treppe Fußspuren, die nicht hinunter, sondern hinauf führen. In einem Zimmer finden sie einen schnarchenden Wächter und sein immer noch blutendes Opfer, einen Ausländer, vor. Kaum haben sie den Wächter überwältigt, gefesselt und in den Pferdestall gesperrt, als auch schon Smithson und Pilaudi in einer Kutsche eintreffen. Jetzt kommt es auf entschlossenes Handeln an, um das Opfer zu schützen…

Mein Eindruck

Diese Folge bietet zur Abwechslung wieder mal eine feine, actionreiche Agentengeschichte. Sie ist zwar ebenso mysteriös wie die vorangegangenen Erbschleichergeschichten, doch trifft sie meinen Geschmack viel eher. Es ist auch gar nicht so schwer, den Geschichte zu folgen, die Mr. Ivolsky Holmes und Watson zu Gehör bringt. Seine Absichten scheinen lauter zu sein, was allerdings nicht für den zwielichtigen Mr. Smithson und seinen Arzt Pilaudi gilt.

Diese sind offenbar ausländische Schurken mit fiesen Absichten. Ihr Opfer, ein ungarischer Erfinder, soll ihnen entweder Geheimnisse, die seine Erfindung betreffen, verraten oder verkaufen. Die Art und Weise, wie Holmes mit dem Erfinder umspringt, lässt allerdings um dessen Leben bangen: Er bringt den Erfinder nicht in Sicherheit wie den Wächter, sondern benutzt ihn als Köder, um die Schurken in eine Falle zu locken. Vielleicht hat er aber gesehen, dass der Erfinder schon zu stark verletzt ist, um ihn noch retten zu können. Wieder spielt Holmes eine einfallsreiche Scharade, bei der sein Freund Watson wohl oder übel mitmachen muss.

Eine Komödie rahmt dieses mysteriöse bis dramatische Geschehen ein. Watson nennt Baker Street 221B ein „Narrenhaus“, und Mrs. Hudson, die Mr. Ivolskys Visitenkarte bringt, würde ihm ohne weiteres beipflichten. Das Wortgefecht zwischen Mrs. Hudson und Holmes, den sie „Euer Majestät“ tituliert, hat Feuer und Biss. Im Finale lockert Watson die Dramatik der Handlung auf, indem er verrät, dass er ebenso dringend mal müsste wie der Kutscher von Smithson. Über das Niveau dieser Komödie lässt sich streiten. Hauptsache, Watson lacht am Schluss am besten.

Die Inszenierung

Die Sprecher

Dr. Watson, gesprochen von Detlef Bierstedt, nimmt die Stelle des zweifelnden gesunden Menschenverstandes gegenüber Holmes ein, welcher ein getriebener Junkie der Vernunftarbeit zu sein scheint. Watson ist der Gemütsmensch, ein Jedermann mit dem Herz auf dem rechten Fleck, aber auch ein kenntnisreicher Mediziner. Außerdem fungiert er als Chronist, hat also Einfluss auf die Auswahl der hier präsentierten „geheimen“ Fälle des Meisterdetektivs.

Sherlock Holmes

In dieser Episode lernen wir einen entschlossenen Meisterdetektiv kennen, der schnell Gefahr im Verzug wittert. Mit Tricks und Täuschung behält er die Oberhand gegenüber Smithson, der sich mühelos aus ausländischer Agent enttarnen lässt. Weniger sympathisch wirkt sein etwas hochnäsiges Auftreten gegenüber seiner Haushälterin Mrs. Hudson. Welcher Teufel ihn dabei geritten, mag sich der Zuhörer fragen.

Dr. Watson

Dr. John H(amish) Watson, 36, ist das genaue Gegenteil seines Freundes: jovial, höflich, frauenfreundlich und durchweg emotional, außerdem glücklich verheiratet. Leider sind seine logischen Schlüsse von dementsprechend unzulänglicher Qualität. Das war zu erwarten und dürfte keinen überraschen. Sobald eine schöne Frau auftritt, ist er von ihr hingerissen. Auch diesmal loben er und die männlichen Begleiter die Damen und ihren Sinn für Romantik. Nur diese Szene lockert die angespannte Stimmung und schließlich die Tragödie auf.

Nebenfiguren

Die wichtigste Nebenfigur ist natürlich Mr. Ivolsky. Kann man als aufrechter Brite diesem ungarischen Zwischenhändler hundertprozentig trauen, mag sich Holmes fragen. Doch seines gewöhnungsbedürftigen ungarischen Akzent erweist er sich als aufrichtiger Mensch, der nur mal schnell fünfzig Pfund verdienen will, für damalige Verhältnis ein fürstliches Honorar. Sehr wichtig für das Verständnis der Geschichte sind die Rückblenden, in denen Ivolsky den Ablauf der „Unterredung“ im Raum mit dem Vorhang schildert. Dies führt zur Rekapitulation, die den ersten Teil zusammenfasst. Daraus ergeben sich die Fragen, die im zweiten Teil beantwortet werden müssen.

Geräusche

Eine große Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Papierrascheln, klappernde Teetassen, gluckernder Tee aus einem blubbernden Samowar, allenthalben knisterndes Kaminfeuer im Anwesen, allerdings kaum Naturgeräusche außer krächzenden Krähen im Hintergrund – all diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln. Besonders gefiel mir die „gotische“ Atmosphäre, die das verfallende Anwesen, evozierte: Vernachlässigung, die symbolisch für den Nährboden des Verbrechens steht, und Krähen als Sendboten des Todes – eine perfekte Kombination.

Die Musik

Das Intro, eine Art flott-dezente Teemusik, bildet den heiter-beschwingten Auftakt des Hörspiels und deutet die häusliche Idylle von Baker Street 221B an. Von einem Score im klassischen Sinn kann keine Rede mehr sein. Hintergrundmusik dient nur dazu, eine düstere oder angespannte Stimmung zu erzeugen, und zwar nur dort, wo sie gebraucht wird, so etwa in der finalen Szene im düsteren Anwesen.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt eine fotorealistisch gestaltete Szene, in der sich der Meisterdetektiv und sein Freund Dr. Watson sich dem besagten düsteren Anwesen nähern. Die Stimmung unter dem dräuenden Himmel ist herbstlich, wie man an den roten Blättern und dem Laub auf dem Boden ablesen kann.

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS und der HOLMES-Reihe verzeichnet. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Die CD und der Einleger sind mit den Sherlock-Holmes-Motiven versehen, die die Reihe von Anfang an begleitet haben.

Unterm Strich

Diese Folge der „geheimen Fälle des Meisterdetektivs“ ist so ganz nach meinem Geschmack. Während im ersten Teil zahlreiche Rätsel gestellt und viele Fragen offenbleiben, so liefert die zweite Hälfte viel Action, etwas Komödie und die Auflösung, wie es sich gehört, ganz zum Schluss. Wer sich hinter dem zwielichtigen Mr. Smithson verbirgt, darf hier nicht verraten werden.

Das Thema ist jedoch nicht Agenten-Action, sondern die Tatsache, dass ein Erfinder sein Wissen an die Briten verkaufen will, dies aber vereitelt werden soll. Dieses Motiv erinnert an das rätselhafte Schicksal des deutschen Erfinders Rudolf Diesel ((https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Diesel#Tod)), der, in deutschen Landen geschmäht, den britischen Aktionären der Diesel Company (s.u.) die Leistung des revolutionären Dieselmotors schmackhafter machen wollte. Er erreichte die britischen Inseln nie, sondern verschwand am 29. September 1913 auf der Überfahrt nach Harwich.

„Am 29. September 1913 ging Rudolf Diesel in Antwerpen an Bord des britischen Fährschiffs Dresden, um nach Harwich überzusetzen und später in London an einem Treffen der Consolidated Diesel Manufacturing Ltd. teilzunehmen. Er schien guter Laune zu sein, wurde aber, nachdem er abends den Esstisch verlassen hatte, nicht wieder gesehen. Sein Bett in der Kabine war unbenutzt. Die genauen Todesumstände konnten nicht geklärt werden. Diskutiert wurde ein Suizid, doch schienen einige Umstände auf dem Fährschiff dem nicht zu entsprechen.“

Das Hörspiel

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Besonders dem Geschehen in dem düsteren Anwesen muss man genau folgen, um den rätselhaften Ablauf des ersten Gespräches und den rasanten Ablauf des Finales mitzubekommen.

Die Sprecherriege für diese HOLMES-Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie John Malkovich (Tennstedt) und George Clooney (Bierstedt), auch Regina Lemnitz sind mir als Synchronsprecherinnen vertraut. Lediglich in der Anfangsszene werden die Stimmen vom ständigen Blubbern eines Samowars ein wenig beeinträchtigt.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars Clooney und Malkovich vermitteln das richtige Kino-Feeling. Helmut Zierl beeindruckte mich als Mr. Ivolsky, nicht nur wegen seines „ungarischen“ Akzents, sondern auch wegen der Aufrichtig- und Glaubwürdigkeit, die er in seine Figur Mr. Ivolsky legte.

CD: über 59 Minuten.
ISBN 9783785786413

www.titania-medien.de

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