Preston, Douglas – Canyon, Der

Das Erdzeitalter der Dinosaurier hat vor Millionen von Jahren sein Ende gefunden. Auslöser der fast schon apokalyptischer Katastrophe war nach derzeitigen Theorien entweder ein Meteoriteneinschlag in der Gegend der Yukatán-Halbinsel im Golf von Mexiko, der einen 170 Kilometer breiten Krater hinterlassen hat und mit seinem Aufschlag einen nuklearen Winter brachte, oder es gab eine übermäßig hohe Vulkanaktivität, deren Resultat fast gleichbedeutend gewesen wäre. Die meisten Wissenschaftler vertreten aber nach den neuesten Forschungen die Kombination von mehreren Theorien. Das Massensterben der Dinosaurier muss mehrere Gründe gehabt haben, aber grundsätzlich sind sie sich einig darin, dass die klimatischen Veränderungen nur durch eine Kettenreaktion von Naturkatastrophen hervorgerufen wurden.

Die „Dinomanie“ hat ihre Ursache nicht zuletzt im Gigantismus der damaligen Tiere. Im Vergleich zu den heutigen Lebewesen, welche die Erde bevölkern, ist das Größenverhältnis enorm überdimensioniert. Seit Beginn des 19. Jahrhunderts erfreuen sich Forscher, Wissenschaftler und Laien-Paläontologen an den gewaltigen urzeitlichen Tieren.

Die Erforschung der Dinosaurier steckt noch immer in den Kinder- oder sagen wir besser: Jugendschuhen. Es wurden zwar unzählige Fossilien, Ablagerungen und Fußspuren entdeckt, doch gibt es auch noch heute immer wieder neue Erkenntnisse in der Forschung. Typische und bekanntere Vertreter der Saurier sind der Tyrannosaurus Rex sowie der Brachiosaurus, die uns noch immer faszinieren – also klassifizierte Monster, die es nun mal wirklich gegeben hat oder die in unsere Mythenbildung weiterleben, z. B. als Drache.

Im zweiten auf Deutsch veröffentlichten Solo-Roman (er schrieb ein weiteres Dutzend Thriller zusammen mit Lincoln Child) des Autors Douglas Preston geht es um die Entdeckung eines derartigen Fossiles und um eine gewagte Theorie darüber, warum diese Tiere so flächendeckend den Tod fanden.

_Die Story_

Stem Weathers, ein selbsternannter Archäologe und Abenteurer, untersucht die vielen Canyons am Plateau der Mesa de Los Viejos. Unzählige kleinere und größere Canyons sowie diverse Höhlen und ehemalige Pueblos der Ureinwohner Amerikas dienen vielen Abenteurern als Spielplatz für ihre Expeditionen. Doch die Ruhe und Unberührtheit täuscht. Weathers wird verfolgt, und nur wenige Momente später peitschen die ersten Schüsse durch die Wildnis. In die Schulter und den Rücken getroffen, versucht der tödlich verletzte Archäologe, seinem Verfolger zu entkommen.

Tom Broadbent, ein junger Tierarzt, der in der Gegend wohnt und arbeitet, ist gerade dabei auszureiten, als er die Schüsse im Canyon vernimmt. Er findet den tödlich verwundeten Mann und versucht zu helfen, aber die Verletzungen sind zu schwer und der Mann ist dabei zu verbluten. Sterbend übergibt Weathers sein Notizbuch an Tom und bittet diesen, das Buch seiner Tochter zu überbringen. Er gewährt dem sterbenden Mann seinen letzten Wunsch, nicht ahnend, in welche Gefahr er sich und seine Frau noch bringen wird.

Tatsächlich war der Mörder auf das Notizbuch aus, doch bei der Durchsuchung seines Opfers findet er das Gewünschte nicht. Sein Auftraggeber, ein Wissenschaftler, ist von der Nachricht nicht sonderlich begeistert, sein Blick hellt sich aber auf, als der Mörder ihm eine interessante Gesteinsprobe überreicht.

Tom Broadbent nimmt sein Versprechen sehr ernst und versucht in Erfahrung zu bringen, was es mit dem Notizbuch auf sich hat. Im Notizbuch sind nur endlose Zahlenkolonnen auf jeder Seite verzeichnet, auf den ersten Blick also ein Code, doch wo ist der Schlüssel, die Auflösung des Rätsels? In einem nicht weit entfernten Kloster findet Tom vorläufige Antworten. Ein Novize, der früher als Kryptologe bei der CIA tätig war, hilft Tom bei der Entschlüsselung des Codes: Bei den Zahlen handelt es um eine sehr genaue Positionsangabe innerhalb des Canyons.

Tom, der inzwischen durch seine eigenen Ermittlungen weiß, dass es sich um ein Fossil handeln muss, wahrscheinlich um ein hervorragend erhaltendes Exemplar, gerät mit seiner Frau in tödliche Gefahr, denn das Notizbuch befindet sich noch immer in seinem Besitz.

Auch der Wissenschaftler weiß nach Erhalt der Gesteinsprobe um die einzigartige Chance, damit Profit zu machen. In wissenschaftlichen Kreisen wäre er damit unsterblich und könnte sich vor aller Welt und den Forscherkollegen profilieren. Er beauftragt seine Assistentin, die Gesteinsprobe zu analysieren und später alle Speichermedien, alle Kopien, Notizen und Memos zu vernichten … Doch auch sie wird nach einiger Zeit skeptisch, denn die Proben sind einzigartig, und es gibt daran auch biologische Spuren …

Doch auch die Regierung bzw. die Geheimdienste bringen in Erfahrung, dass es sich bei dem Fund um etwas Außergewöhnliches handelt, und stufen dieser Entdeckung eine hohe Priorität zu … Warum? Was hat es mit der Gesteinsprobe auf sich oder mit dem versteinerten Fossil? Und warum ist man bereit, dafür zu töten? Was ist dieses Risiko wert? Es beginnt eine tödliche Schnitzeljagd, um das Fossil zu finden und das Rätsel zu lösen, und viele Teilnehmer der abenteuerlichen Jagd sind bereit, dafür zu töten!

_Kritik_

Douglas Preston ist uns als Autor wohlbekannt. Zusammen mit seinem Co-Autor Lincoln Child gelang ihm mit „Relic“ („Das Relikt“) der literarische und cineastische Durchbruch. Die Geschichten um den originellen und etwas seltsamen Pendergast haben diese Bekanntheit nur weiter gefördert. Inzwischen gehen beide auch eigene literarische Wege, doch noch immer verfassen sie erfolgreiche Romane gemeinsam.

Auch „Der Canyon“ ist eine gut dosierte Mischung aus Wissenschaft und Thriller. Für den Hauptcharakter Tom Broadbent ist dies nach „Der Codex“ der zweite Auftritt bei Douglas Preston. Souverän erzählt der Autor eine spannende Geschichte, die aber nicht sonderlich überraschen kann. Seine Theorie um das Aussterben der Dinosaurier ist nicht unbekannt, und er stützt sich hierbei auf gut recherchierte Fakten; allerdings sind die Nebenschauplätze und Nebencharaktere weitaus vielschichtiger erzählt als das Hauptthema.

Gerne hätte ich beispielsweise von dem Novizen und ehemaligen CIA-Agenten mehr erfahren. Seine Vergangenheit wird nur kurz angerissen, aber irgendwie ist er der unauffällige „Hauptdarsteller“ in diesem Drama. Besonderes Augenmerk hat der Autor auch in Hinblick auf die Untersuchungen der Gesteinsprobe verwendet – ebenfalls ein Nebenschauplatz, der wichtiger ist als die Erlebnisse von Tom Broadbent.

Wissenschaftliche Thriller arbeiten mit dem Ansatz und wecken die Erwartungshaltung, sich an Fakten zu orientierten oder zumindest nicht in die Fantasy abzudriften. Preston gelingt es erneut, diesen schmalen Grat sicher zu beschreiten. Zudem unterstützt er seine Thesen und Gedanken durch Quellenangaben gut fundierter wissenschaftlicher Berichte. Die einzelnen Szenen der Erzählung wechseln sich jedoch meiner Meinung nach etwas zu schnell ab; die Spannung bleibt zwar erhalten, doch sind die Kapitel zu kurz geraten, um alle Lücken inhaltlich glaubhaft zu schließen.

Sicherlich enthält „Der Canyon“ viele Situationen und Erzählungen, die typisch für so einen Thriller sind, jedoch sollte man hier auch ein wenig ins Detail gehen, denn es gibt zum Ausgleich auch Situationen, die erstklassig und absolut brillant erzählt sind. Stellenweise wird eine geradezu kindliche Begeisterung im Leser wachgerüttelt, denn Dinosaurier üben ja durchaus eine gewisse Faszination aus. Das Thema wird uns sicherlich immer ein wenig in seinen Bann ziehen, eben weil wir so wenig von diesen gigantischen Tieren wissen und diese nie wieder die Erde bevölkern werden.

_Fazit_

„Der Canyon“ ist absolut empfehlenswert für Freunde von wissenschaftlichen Thrillern. Abstriche sind leider zu machen, wenn man die Charakterentwicklung betrachtet. Hier war ich vor allem von der Hauptperson enttäuscht, denn sieht man Tom Broadbent aus der Perspektive des ersten Buches „Der Codex“, ist sie in ihrer Entwicklung einfach stehengeblieben. Die Geschichte wäre zudem vielschichtiger, wenn die eine oder andere Person aus dem ersten Buch auch hier ihren Auftritt gehabt hätte.

Douglas Preston hat jedoch ein spannendes Buch abgeliefert und trotz der kleineren Schwächen wird es seinen treuen Fans gefallen. Vielleicht wird ein dritter Band dieser Reihe wieder vielschichtiger und intensiver als „Der Canyon“.

_Der Autor_

Douglas Preston arbeitete jahrelang am Naturhistorischen Museum in New York. Er verfasste mehrere Sachbücher zu wissenschaftlichen Themen. 1995 schrieb er gemeinsam mit dem ehemaligen Verlagslektor Lincoln Child den international gefeierten Wissenschaftsthriller „Relic“, dem sieben Weltbestseller folgten.

http://www.knaur.de

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