Schmidt, Karla – Kind auf der Treppe, Das

_Story:_

Die junge Leni Draugur betrachtet ihr Leben als ein einziges Zerwürfnis mit ihrer eigenen Seele. Nach dem Tod ihrer Mutter hat das isländische Mädchen nie wieder die Harmonie finden können, nach der sie sich immer gesehnt hat. Als ihre Ehe mit dem gewalttätigen Magnus sich schließlich als schwerwiegende Katastrophe herausstellt, aus der sie völlig traumatisiert flieht, kommt sie nicht mehr zur Ruhe. Denn der Gedanke, der sie auf ihrer Flucht am meisten beschäftigt: Hat sie Magnus umgebracht? Oder lebt der brutale Isländer noch?

Als sie bei ihrer launischen Schwester Zicky in Berlin aufschlägt und versucht, sich dort wieder auf die Beine zu bringen, wird sie mit weiteren merkwürdigen Ereignissen konfrontiert. Ein spindeldürrer, kaum zugänglicher Junge sitzt im Treppenhaus des Wohnkomplexes und scheint dort völlig verloren. Gleichzeitig macht ein von den Medien als Schulwegmonster bezeichneter Mörder die Gegend unsicher und zieht eine heftige Blutspur hinter sich. Und wäre dies nicht schon genug, wird Leni in der Nachbarschaft Zeugin einiger zerrütteter Familienverhältnisse, muss sich mit Zickys Verzweiflungen herumschlagen und wirft zudem ein Auge auf deren blinde, musikalische Mitbewohnerin. Gerade in dem Moment, in dem für Leni ein Fortschritt erkennbar ist, wird sie dann aber doch wieder von der Vergangenheit eingeholt – und von den Ereignissen in ihrer neuen Umgebung.

_Persönlicher Eindruck:_

„Das Kind auf der Treppe“ gehört zu jener Kategorie Psycho-Thriller, die man einerseits nicht frühzeitig aufgeben will, weil das Interesse für die Charaktere auf jeden Fall geweckt wurde, von denen man aber ab einem gewissen Punkt auch nicht mehr viel erwartet, weil die Story und ihre vielen erschreckenden Elemente einen nicht wirklich mitreißen und man auch nicht begierig ist, ihr Ende zu erfahren.

Das relativ blutige Intro schürt diesbezüglich jedoch noch ganz andere Erwartungen. Mit einem Ruck wird man in den Strudel der Gewalt hineingesogen, den Leni in ihrer Ehe erlebt, und mit der sie sich schließlich auch auf allzu brutale Art und Weise wieder aus der seelischen Gefangenschaft befreien muss. Alleine mit diesen bleibenden Eindrücken werden Erwartungen geweckt, die Karla Schmidt aber im weiteren Verlauf ihrer Geschichte nur noch bedingt bis gar nicht erfüllen kann. Die plötzliche Isolation der Hauptdarstellerin mag zwar logisch sein, ihr eingeschüchtertes, introvertiertes Naturell ebenfalls, doch im gleichen Maße eine Reihe von Nebensträngen aufzubauen, Leni dort mit hineinzuziehen und schließlich jeglichen Kern aus den Augen zu verlieren, macht „Das Kind auf der Treppe“ zwischenzeitlich zu einem hilflosen Unterfangen, aus dem sich die Story trotz ganz gutem Finale nicht meehr so recht befreien kann.

Der Autorin gelingt es schlichtweg nicht, Beziehungen zwischen den einzelnen Eckpunkten herzustellen und die verschiedenen Ereignisse zusammenwachsen zu lassen. Hinzu kommt, dass ihre tragenden Persönlichkeiten für sich betrachtet viel zu stark sind, ihre einprägsame Individualität im Rahmen der Erzählung aber nicht befriedigend ausleben können. Der Zwist zwischen Leni und ihrer Schwester verdient beispielsweise viel mehr Aufmerksamkeit, als der ziemlich reduzierte Plot ihm anbieten kann, muss sich aber schließlich dem steten Wechsel der Szenarien und der daraus resultierenden, fehlenden Tiefe beugen. Gleiches gilt für die Ängste, die die Protagonistin in sich trägt. Schmidt formt schon auf den ersten Seiten das Potenzial für einen wirklich spannenden Thriller, verliert die zugehörigen Versatzstücke aber allzu schnell wieder aus den Augen und gibt besonders die reißerischen Inhalte leichtfertig aus der Hand. Dies führt zwar zu der angenehmen Entwicklung, dass jede Effekthascherei von vorneherein außen vor bleibt, hätte aber an mancher Stelle auch hilfreich sein können, gerade dort, wo die Handlung ihre Längen hat und die Tragik einzuschlafen droht.

Zum Schluss bleiben daher auch viele Fragen, wobei die präsenteste ist, worin nun die Grundaussage des Romans besteht und inwiefern eine Weiterempfehlung überhaupt berechtigt ist. Unterm Strich beinhaltet „Das Kind auf der Treppe“ nämlich einige sehr gute Ansätze. Doch in der Nachbetrachtung muss man trotzdem festhalten, dass die Ausarbeitung größtenteils dürftig ist, weil die Autorin viel zu oft, und das mit einer erschreckenden Konsequenz, an der Oberfläche bleibt.

|Broschiert: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3492257817|
[www.piper-verlag.de]http://www.piper-verlag.de/piper/index.php

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