Sounes, Howard – Paul McCartney – Das Porträt

Über Sir Paul McCartney sind bereits viele Worte geschrieben, viele Berichte verfasst und viele tiefer greifende Analysen abgefasst worden. Das biografische Material hat einen nicht zu unterschätzenden Anteil in der gesamten Beatles-Nachlese, manchmal fundierter, manchmal aber auch sehr subjektiv. McCartney schwankt hier zwischen Enfant Terrible und kreativem Genie, zwischen Lebemann und richtungsweisendem Künstler, zwischen Mensch und Superstar – und etwas Wahres ist sicher an allem dran.

Howard Sounes hat sich nun erneut die Mühe gemacht, in der McCartney-Mottenkiste zu graben und seine persönliche Sicht der Dinge zu beschreiben. Wie so viele seiner vorangegangenen Kollegen erzählt er die Geschichte des einst unscheinbaren Musikliebhabers in einer lückenlosen Chronologie, bemüht sich sogar zeitweise mehr denn je um Vollständigkeit, was den Katalog des Paul’schen Lebenswerkes anbetrifft. Allerdings liegt in „Paul McCartney – Das Porträt“ gerade auch hier der Hund begraben.

Natürlich sind es vor allem die Anfangstage, diese magische Entwicklung eines musikalischen Ausnahmeprodukts, die den Leser zum wiederholten Male in ihren Bann ziehen. Die Entstehungsgeschichte manches besonderen Songs, die Leidenschaft und Hingabe für die Musik als solche, die einzigartige Magie des nicht immer kongruenten Pärchens Lennon & McCartney – all das sind einerseits Fakten, aber andererseits auch immer wieder emotionale Momente, die man ergriffen aufsaugt und gerne wieder von Neuem erlebt. Doch es sind umgekehrt auch Tatsachenberichte, die dem potenziellen Interessenten nicht mehr viel Frisches vermitteln.

Also versucht Sounes auf dem naheliegenden Weg, Einblick in das Leben eines Menschen zu geben, der als prominente Figur von Jahr zu Jahr immer mehr zu polarisieren vermochte. Das unschuldige Lächeln des Mannes mit den strahlenden Augen wird einigen Skandalporträts gegenübergestellt, die den Protagonisten dieser Biografie in kein besonderes Licht mehr rücken. Sounes bemüht vor allem diese negativen Schlagzeilen, so etwa die unbeholfenen Statements zu John Lennons Tod, die Schlammschlachten in seinen jüngsten Beziehungen, das fehlende Verantwortungsbewusstsein für persönliche Fehler, schließlich aber auch den Sturkopf, der hinter McCartney steckt, und dessen eigenwilliges Denken ihn in den Augen vieler Beteiligten zu einem Aushängeschild für all das gemacht hat, was das Musikbusiness aus einem Menschen machen kann, wie es ihn in ein stilles kleines Monster verwandelt hat, das den Schein häufig nach außen wahren konnte, sein Seelenleben aber lediglich in den eigenen Trauerphasen an die Öffentlichkeit bringen wollte.

In diesem Sinne geht der Autor sehr kritisch mit seiner Starfigur um, bleibt weder bei den lyrischen Ergüssen der Legende zimperlich mit ihr um, noch beschönigt er sein privates Vermächtnis, das mit zahlreichen Schatten besudelt ist. Sounes geht es nach wie vor um Fakten und die Realität, doch in erster Linie darum, einen Gegensatz zu jener schillernden Figur zu zeichnen, die uns mit ‚Yesterday‘ und ‚Let It Be‘ Jahrhundertsongs beschert hat, für die man nicht ausreichend danken kann. Und genau jener Umstand macht „Paul McCartney – Das Portät“ auf Dauer zu einem recht unschönen Erlebnis; der Fluss der magischen Momente wird kontinuierlich unterbrochen, die Highlights ausgeblendet und zugunsten der eher zwiespältigen Ereignisse in den Hintergrund gedrängt. Natürlich, man erwartet auch im Falle von McCartney (bzw. gerade hier) keine unkritische Heldenverehrung im Sinne des Superstars. Doch einen Mann, dessen Einfluss noch über Jahrzehnte präsent sein wird, so in die Ecke zu drängen und seine Musik nicht als Rehabilitation für manchen falschen Entschluss zu akzeptieren, gehört nicht zwingend zu den Inhalten einer Biografie, die sich das Recht herausnimmt, einen objektiven Blick auf die Dinge zu werfen. Denn wenn eines sich an Sounes‘ Porträt unweigerlich anschließt, dann das Bewusstsein dafür, dass McCartney ein Mann mit vielen Unzulänglichkeiten und Fehlern war und weiterhin ist. Und auf diesem subjektiven Weg bekommt man zwar Zugang zu dieser ansonsten so unnahbaren Person; doch er zeigt nicht wirklich das, was den zum Ritter geschlagenen Ex-Beatle in all seinen Facetten und vor allem in seinem unbestrittenen Genie ausmacht.

_Wer also Interesse_ daran hat, mehr über McCartney zu erfahren und seine Karriere Revue passieren zu lassen, der ist besser damit beraten, den Einstieg nicht mit diesem Werk zu wagen. Sofern es überhaupt notwendig sein sollte, „Paul McCartney – Das Porträt“ zu lesen. Wirklich empfehlenswert ist der dicke Schmöker nämlich letzten Endes nur mit sehr, sehr vielen Einschränkungen!

|Hardcover: 848 Seiten
Originaltitel: The Life of Paul McCartney
ISBN-13: 978-3426275092|
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