Ein kleiner Tapetenwechsel kann doch eigentlich niemandem schaden. Das sieht Einar, der Held aus Árni Thórarinssons Krimi „Todesgott“, allerdings ein wenig anders. Er wird von seinem eingebildeten Chefredakteur ins ländliche Akureyri versetzt, um die dortige Lokalredaktion voranzubringen, und ist nicht gerade glücklich darüber. Die Provinz nervt ihn, die Artikel über Schulaufführungen und Straßenbefragungen ebenfalls. Nur gut, dass die Kleinstadt weit weniger langweilig ist, als Einar erwartet hat …
Alles beginnt damit, dass Einar über den Unfalltod der Frau eines Süßwarenunternehmers zu berichten hat. Die Tote ist bei einem Betriebsausflug aus einem Boot gefallen und ertrunken. Sie war vollgepumpt mit Medikamenten und man sagt ihr nach, sie wäre depressiv und tablettenabhängig gewesen. Niemand glaubt an einen unnatürlich Tod bis auf die Mutter der Verunglückten. Sie lebt im Altersheim und wird von allerlei Zipperlein geplagt. Einar kann ihr den Gefallen nicht abschlagen und beginnt, sich um die Geschichte zu kümmern.
Etwa zur gleichen Zeit verschwindet der Gymnasiast Skarphéinn. Er sollte die Hauptrolle im Theaterstück der Schule spielen und wird wenig später ermordet auf einer Müllkippe gefunden. Einar nutzt seine Kontakte zur örtlichen Polizei und versucht, dem Täter selbst auf die Spur zu kommen. Dies gestaltet sich nicht unbedingt einfach, denn Skarphéinn war unglaublich beliebt, scheint keine Feinde zu haben. Doch Einar, dem in der Provinz sowieso langweilig ist, lässt sich nicht kleinkriegen. Er wirbelt ordentlich Dreck auf, was ihn mehr als einmal beinahe den Kragen kostet …
„Todesgott“ lebt vor allem durch die Hauptperson Einar. Dieser berichtet aus der ersten Person und reichert seine Sichtweise mit einem guten Schuss Humor an. (Selbst-)Ironisch und um keine Sprachspielerei verlegen führt er den Leser durch die Geschichte und bügelt dabei einige Schwächen in der Handlung aus. Einars Bemerkungen über Land und Leute erheitern immer wieder, genau wie die häufige Verwendung von Metaphern. Der Autor tut sich und dem Leser den Gefallen, die Sprachbilder nicht zu bemüht zu gestalten, sondern sehr elegant und sie ganz unbeschwert einzuflechten. Einars Büro wird dementsprechend immer nur als „der Schrank“ betitelt. Den Papagei, den Einar zusammen mit seiner Wohnung gemietet hat, bezeichnet der Journalist immer wieder als seine Frau, was zu der einen oder anderen lustigen Situation führt.
Die Geschichte selbst orientiert sich weniger an der Bezeichnung Krimi. Vielmehr folgt sie Einars Alltag, in den zufällig ein, zwei Leichen integriert sind. Das ist auf der einen Seite originell, auf der anderen aber nicht immer spannend. Wer es gerne von vorne bis hinten schlüssig und stringent mag, der wird an „Todesgott“ nur wenig Freude haben. Dafür ist das Buch zu zerfasert und konzentriert sich zu stark auf Einar. Einige Nebenhandlungen sind überflüssig, und wenn man den eigentlichen Kriminalfall einmal genauer betrachtet, ist dieser auch nicht besonders gelungen. Allerdings kommen all diese Negativpunkte nicht gegen den guten alten Einar an. Sein Humor, sein lustiger Erzählstil und sein sympathischer Charakter sorgen dafür, dass man „Todesgott“ trotzdem gerne liest, auch wenn die Handlung an der einen oder anderen Stelle vielleicht hinkt.
Man darf das jetzt aber nicht falsch verstehen. Der Roman von Árni Thórarinsson ist kein schlechtes Buch. Einar ist ein Protagonist, wie man ihn selten findet, und Thórarinssons Schreibstil ist nicht zu verachten. Die Handlung ist zwar nicht immer gelungen, aber Handlung alleine macht noch kein gutes Buch. „Todesgott“ punktet in anderen Bereichen, und dort nicht zu knapp. Wer es gerne witzig und originell mag, der ist mit diesem Buch mehr als gut beraten.
|Originalitel: Tími nornarinnar
Aus dem Isländischen von Tina Flecken
413 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3-426-19743-1|
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