Tropper, Jonathan – Mein fast perfektes Leben

Nachdem Lolly Winston das Leben einer jungen Witwe in [„Himmelblau und Rabenschwarz“ 1819 bereits auf tragikkomische Weise ergründet hat, legt Jonathan Tropper mit „Mein fast perfektes Leben“ nun quasi das männliche Gegenstück vor.

Doug Parkers Leben könnte eigentlich so glücklich sein: Seine Zeitungskolumne erfreut sich großer Beliebtheit, er wohnt in einem schönen Haus in einem schnuckeligen Vorort und seine Familie ist liebevoll und zufrieden. Bis eines Tages Dougs Ehefrau Hailey bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kommt. Für den bis dahin so glücklichen Doug, der eigentlichen kaum fassen konnte, wie er sich eine tolle Frau wie Hailey angeln konnte, bricht die Welt zusammen.

Auch ein Jahr nach dem Tod seiner Frau klammert Doug sich noch immer eisern an seine Trauer. Seine Kolumne befasst sich nun nicht mehr wie vor dem Unglück mit dem Leben und Treiben in Hollywood, sondern erläutert den „richtigen Umgang mit Witwern“. Mit seiner rührend-ironischen Art schildert Doug sein Witwerleben und eröffnet sich so ganz neue schriftstellerische Perspektiven. Er könnte eigentlich seinen Wunsch vom eigenen Buch wahrmachen, doch Doug hat Hemmungen, irgendetwas zu tun, das erst durch Haileys Tod möglich wird.

Aber nach einem Jahr wird irgendwann dann doch mal erwartet, dass man sich zurück ins Leben traut. Die Hausfrauen der Nachbarschaft bringen Doug nicht mehr abwechselnd ein warmes Mittagessen vorbei, nur noch die hübsche rothaarige Frau seines Freundes Dave Potter hält an dieser Tradition fest – und hat dabei noch etwas ganz anderes im Sinn.

Währenddessen häufen sich die Probleme mit Russ, Haileys pubertierendem Sohn aus erster Ehe. Dougs Vater verliert nach einem Schlaganfall langsam aber sicher den Verstand, während Dougs Zwillingsschwester Claire aus der Eintönigkeit ihres Ehelebens flieht und erst einmal bei Doug einzieht. Dougs Leben gerät damit mehr und mehr aus den Fugen. Trauer und Schmerz lassen sich einfach nicht mehr so hemmungslos ausleben, wenn rund um einen das Leben tobt. Doug hat es schon nicht leicht mit seiner Familie, aber zumindest versetzt die ihm endlich mal einen Tritt in die richtige Richtung …

|“Ich hatte eine Frau. Ihr Name war Hailey. Ich habe sie verloren. Und mich dazu.“| Wie ein Mantra gibt Doug diese Worte immer wieder von sich. Wie ein Schutzschild umgibt dieses Motto ihn, dient als Ausrede für jede gesellschaftliche Unpässlichkeit und als handfester Grund dafür, sich von der Welt abzuschotten. Doch so sehr der Verlust auch schmerzt, irgendwann kommt der Punkt, da kann Trauer keine Ausrede mehr dafür sein, warum man sich zurückzieht und seine wohlwollenden Mitmenschen unfair behandelt.

Dougs jüngere Schwester Deborah stellt ihn in dieser Beziehung auf eine harte Probe. Sie heiratet Dougs Freund Mike, den sie pikanterweise bei der Totenwache in Dougs Haus kennengelernt hat. Wäre Hailey nicht gestorben, hätten die beiden sich vielleicht nie getroffen. Doug hat ein schmerzhaftes Problem damit, dass eine neue Beziehung entsteht, später vielleicht auch Kinder geboren werden, nur weil Hailey gestorben ist. Solche Gedankengänge bestimmen sein Leben und sorgen dafür, dass er gut gemeinte Versuche, ihn ins Leben und die Normalität zurückzuholen, oft etwas schroff zurückweist.

Doug hat Angst, das Andenken an Hailey zu beschmutzen, wenn sein Leben nach einem Jahr Trauer jetzt allmählich mal wieder weitergehen soll, wenn er nach Hailey irgendetwas Neues anfängt, egal ob beruflich oder privat. Er versucht, sein Leben in dem Zustand einzufrieren, wie Hailey ihn verlassen hat, und schafft es so nicht einmal, ihre Wäsche in den Schrank zu hängen.

Ein schönes Mittel, Dougs tiefe Trauer und seine Hilflosigkeit gegenüber dem Leben und einer Rückkehr zum Alltag auszudrücken, sind seine Kolumnen, die Jonathan Tropper immer wieder in die Handlung einstreut. Ironisch, rührend und offenherzig plaudert Doug hier über die Probleme des Witwerdaseins. Jonathan Tropper beweist, wie schon andere vor ihm, dass das Thema Trauerbewältigung leichtfüßiger Unterhaltung nicht unbedingt im Wege steht. Er verknüpft Selbstironie und einen lockeren Erzählstil mit einer ernsten Thematik und vollbringt dabei einen Balanceakt. Mal rührend, mal komisch erzählt er eine Geschichte, die trotz des allgegenwärtigen Themas Tod vor Leben strotzt.

Die Zutaten sind stimmig und garantieren einen gewissen Unterhaltungswert. Ein selbstironischer, tragikkomischer Protagonist, eine schräge, aber sympathische Familie, in der jeder seine ganz eigenen Macken hat und sich so manche interessante Verwicklung ergibt, und ein Plot, der geradezu dazu einlädt, dass Hollywood sich irgendwann dieses Stoffs annimmt.

Es ist vor allem auch Jonathan Troppers Erzählstil, der die Würze dieser Komposition ausmacht. Er verknüpft Ernsthaftigkeit mit einer gewitzten Art, die zu keiner Zeit Gefahr läuft, das Ganze ins Lächerliche zu ziehen. Treffsicher entblättert er das Seelenleben seiner Protagonisten und macht sie so für den Leser/Hörer begreifbar. Er erzählt eine Geschichte, die immer wieder ihre rührenden Augenblicke hat, ohne dass er dabei ins Kitschige abzudriften droht. „Mein fast perfektes Leben“ wird dadurch zu einem wirklichen Genuss.

Natürlich läuft eine solche Geschichte am Ende immer Gefahr, in einem kitschigen Friede-Freude-Eierkuchen-Finale zu gipfeln. So ergeht es beispielsweise auch Lolly Winston mit „Himmelblau und Rabenschwarz“, die es am Ende dann doch etwas zu gut mit ihrer gebeutelten Hauptfigur meint. Auch bei Jonathan Tropper habe ich diesen Effekt befürchtet, doch zieht der Autor sich geschickt aus der Affäre. Er lässt am Ende einige Punkte offen. Man kann sich denken, wie sich die Geschichte weiterentwickelt, aber die Tatsache, dass Tropper zum Schluss doch nicht zum großangelegten Happy-End ansetzt, lässt der Fantasie angenehmen Spielraum.

Besonders lohnenswert ist „Mein fast perfektes Leben“ als Hörbuch. Als Sprecher wurde der Schauspieler Sebastian Blomberg verpflichtet, der eine wunderbar sympathische, warme und ruhige Erzählstimme hat. Wenn er die Facetten der unterschiedlichen Figuren auslotet, wirft er sein schauspielerisches Talent in die Waagschale und ist so trotz seiner eigentlichen sehr ruhigen und gleichmäßigen Erzählweise dazu in der Lage, die Geschichte wunderbar mit Leben zu füllen.

Bleibt unterm Strich also ein positiver Eindruck zurück. „Mein fast perfektes Leben“ ist ein schöner Unterhaltungsroman, der eine ernste Thematik mit viel Feingefühl und einer humorvollen Note rüberbringt. Da Tropper sich am Ende dann auch nicht zu überspitzt ins Friede-Freude-Eierkuchen-Ende stürzt, ist „Mein fast perfektes Leben“ eben auch noch etwas besser als „Himmelblau und Rabenschwarz“ von Lolly Winston. Freunde der leichtfüßigen Unterhaltungsliteratur können getrost zuschlagen und dürften an Jonathan Tropper ihre Freude haben.

http://www.argon-verlag.de

Schreibe einen Kommentar