Volckman, Christian / Renoult , J. / Delaporte, M. / DelaPatteliere, A. / Newman, G. – Renaissance

_Story_

Paris im Jahre 2054: Der multinationale Megakonzern Avalon beschäftigt verdeckt eine Reihe ambitionierter Wissenschaftler, deren Forschungsarbeiten eines der größten Geheimnisse der Menschheit fokussieren. Abseits der Außenwelt verfolgen die Drahtzieher des Unternehmens mit kompromisslosen Methoden Ziele, die sich über sämtliche moralischen Grundlagen hinausbewegen und den biogenetischen Code der Menschheit analysieren.

Der impulsive Gestzeshüter Karas bekommt von diesen Machenschaften Wind, als er den Fall einer verschwundenen Wissenschaftlerin namens Ilona Tasuiev aufnimmt und sich innerhalb des riesigen Konzerns über die junge Dame informiert. Nach und nach entdeckt er wertvolle Indizien, die dafür sprechen, dass Tasuiev kurz vor einem großen Coup stand und ihr Verschwinden Teil einer enormen Verschwörung ist. Ihr Forschungszweig arbeitete an einem Gegenmittel zur Bekämpfung von Progerie, und inmitten der diesbezüglichen Fortschritte stieß Tasuiev scheinbar auf Erkenntnisse, die die gesamte Menschheit revolutionieren könnten. Karas nimmt die Verfolgung auf – und gerät immer tiefer in einen Sumpf aus Intrigen, Skrupellosigkeiten und Zukunftsvisionen erschütternden Ausmaßes.

_Persönlicher Eindruck_

Dass die Film-Noir-Branche mittlerweile auch ein sattes Mainstream-Comeback feiern durfte, ist nicht erst seit dem durchschlagenden Erfolg des revolutionären „Sin City“ unbestrittener Fakt. Die ästhetische Schwarz-Weiß-Grafik, die mysteriösen Figuren und die fiesen Geschichten des Genres sind längst mehr als bloß Insider-Kult und Liebhaber-Geschäft und entwickelten sich im neuen Jahrtausend schlagartigen zum boomenden Nebenzweig der Filmindustrie, dessen wahres Potenzial indes nur erstaunlich wenige Regisseure erkannt zu haben scheinen. Unter ihnen ist zweifelsohne auch Christian Volckmann, der Schöpfer von „Renaissance“, dem neuesten Werk des eigenwilligen Kulturzweigs.

In seiner weitestgehend unterkühlten Geschichte erzählt der aufstrebende Erschaffer dieses stringenten Science-Fiction-Werks die Story eines anrüchigen Unternehmens, welches sich in einigen zweifelhaften Machenschaften der Genforschung verzettelt hat. An der Spitze des Eisbergs steht eine junge Forscherin, die bei der Behandlung von Progerie scheinbar ein Mittel zur relativen Unsterblichkeit entdeckt hat und somit die Zukunft der ganzen Menschheit in der Hand hält – so scheint es zumindest. Der ungebrochen coole Bulle Karas erfährt hiervon jedoch erst, als das Schicksal dieser Wissenschaftlerin auf dem Spiel steht. Mit dem Verschwinden ihrer Person deckt er erst die intriganten Ränke des Multikonzerns auf und begibt sich alsbald in den Teufelskreis konkurrierender Mafiosi, die unter dem Tarnmantel der Wissenschaft eine ganze Reihe moralisch nicht mehr vertretbarer Experimente durchgeführt hat. Junge Menschen ließen bei diesen Versuchen ihr Leben, andere tauchten nie wieder auf, und bevor sich Karas versieht, rückt auch er in der Reihe ihrer möglichen Nachfolger auf einen der vordersten Ränge. Fragt er sich zunächst noch, warum mit dem Verschwinden Ilonas die Existenz des gesamten Unternehmens auf dem Spiel stand, erhält er schließlich die grausame Gewissheit über die fürchterlichen Manipulationen und die daraus resultierenden Befürchtungen für die Zukunft der kompletten Rasse. Für Karas die passende Gelegenheit, seine schwarze Weste wieder ein wenig aufzuhellen …

Während die Geschichte prinzipiell eindeutig und stringent scheint, ist die Strukturierung von „Renaissance“ zumindest im Comic nicht immer glücklich gewählt. Volckmann hat das Pendant zum animierten Film lediglich mit Standbildern seines Streifens gefüllt, dabei aber das Tempo partiell derart verschärft, dass der Story zwischenzeitlich der rote Faden abhanden kommt. Die Gedanken- und Zeitsprünge versprechen eine ständig wachsende Komplexität, gleichsam aber auch einen immer schlechteren Überblick über Charaktere und Handlung. So nimmt die Erzählung zwar anfangs recht schnell Fahrt auf und beschleunigt daraufhin auch ständig, bietet dem Leser aber zu wenige griffige Orientierungspunkte, an die er sich klammern könnte. Zwei Drittel der Geschichte sind schließlich verronnen, bis man das Setting und seine Protagonisten miteinander in Einklang gebracht hat, so dass die Freiräume zum Spannungsaufbau trotz des brisanten Inhalts ziemlich beschränkt sind. Volckmann versucht, diese Defizite mit der Atmosphäre der Grafik und der allgemein düsteren Gesamtstimmung wieder auszugleichen, was ihm aber nur mit verhaltenem Erfolg gelingt. Irgendwie will sich nämlich zu keiner Zeit eine vergleichbare Euphorie wie beim Genre-Vorreiter „Sin City“ einstellen, nicht einmal eine relative Begeisterung ob des zumindest visuell recht ansprechenden Unterfangens. Diesbezüglich ist das gesamte Projekt einfach zu eisig strukturiert bzw. zu emotionslos konstituiert.

Man könnte daher auch sagen, dass „Renaissance“ im Grunde genommen genau an der überstrapazierten Bemühung klassischer Noir-Elemente zerbricht und der Geschichte dadurch eine zielgerichtete Entwicklung verbaut. Dies ändert zwar grundsätzlich nichts daran, dass die Story inhaltlich durchaus interessant ist, ist aber ausschlaggebend dafür, dass „Renaissance“ letztendlich nicht in die elitäre Auswahl der animierten Noir-Klassiker eingruppiert wird – obschon bei der meisterhaften äußeren Aufmachung des schicken Hardcovers dergleichen zu erwarten war!

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