Welch, Chris – Genesis – Story und Songs kompakt

Aus heutiger Sicht scheint die Geschichte von GENESIS eher unspektakulär zu sein. Keine ausufernden Exzesse, wenig Glanz und Glamour, null Eskapaden und nicht ein einziger nennenswerter Skandal. Selbst die Trennung von Original-Sänger Peter Gabriel und das Ende der Karriere mit Phil Collins am Mikro wurden einst als Tatsache hingenommen, aber eben nicht vor den klassischen Hintergründen hinterfragt. Dies mag sicherlich auch einer der wesentlichen Gründe sein, warum beinahe vier Dekaden nach dem Release des Debütalbums „From Genesis To Revelation“ gleich drei vollwertige Generationen vollkommen hinter dem jüngst ausgerufenen, eigentlich nicht mehr erwarteten Comeback stehen.

Als die Band am 7. November 2006 öffentlich die Rückkehr in der kommerziell wohl erfolgreichsten Triobesetzung verkündete, fühlten sich nicht nur diejenigen verzaubert, die bereits damals zu Zeiten von „Nursery Crime“, „Foxtrot“ und natürlich „The Lamb Lies Down On Broadway“ das Potenzial der Musiker erkannten, sondern sicher auch der Teil der Fangemeinde, der erst über die berüchtigten Videoclips zu ‚I Can’t Dance‘ und ‚Jesus He Knows Me‘ seine ersten Kontakte mit der Band knüpfte und sie seither innig liebt. Ein guter Zeitpunkt also, um die Karriere parallel zur hierzulande gerade beendeten Tournee Revue passieren zu lassen und die Karriere sowohl historisch als auch musikalisch genauer zu analysieren.

In der Reihe „Story und Songs kompakt“ erscheint daher dieser Tage treffenderweise auch eine Ausgabe zu den britischen Progressive-Rock-Pionieren, in der die gesamte Geschichte der Legende über knapp vier Dekaden Album für Album aufgearbeitet und die unheimlich innovative Entwicklung über diese lange Periode dokumentiert wird. Begonnen mit den ersten eher schlechten als rechten Erfolgen über das Trio Infernale, die Alben zwei bis vier, bis hin zum Ausstieg von Peter Gabriel, dem ein internes wie musikalisches Zerwürfnis infolge des von ihm entworfenen Konzeptalbums „The Lamb Lies Down On Broadway“ vorausgegangen war, lernt der Leser vor allem einiges zur heute nur noch von beinharten Proggies aufgesogenen Frühphase der Band, bevor dann der Schwenk zum Pop-Rock der Achtziger mit Phil Collins am Mikro und Platten wie „Abacab“ und „Invisible Touch“ folgt, dank derer die Band auch in den erfolgstechnisch mageren Zeiten der progressiven Musik locker bestehen konnte, ohne sich dabei in irgendeiner Weise anzubiedern. Dass die Band selbst mit eingängigen Hitproduktionen wie dem zu dieser Zeit stilistisch radikal erscheinenden ‚I Can’t Dance‘ innovative Weg beschritt, rechneten Fans ihr damals wie heute mit größtem Respekt an, was wiederum in der ungeheuren Nachfrage zum Comeback mündete, der Rutherford, Banks und Collins dieser Tage endgültig und gottlob Rechnung trugen.

Diese musikalische Chronik wird im vorliegenden Dokumentarwerk sehr gut nachgezeichnet. Fundiert, wenn insgesamt auch ein wenig unkritisch, werden die zahlreichen Highlights der langen Karriere hervorgehoben und selbst die Soloalben der Musiker einer genaueren Betrachtung unterzogen. Gleich ein Drittel des Buches gilt den von der Band unabhängig veröffentlichten Scheiben, unter denen sich sogar die Veröffentlichungen des einstweiligen Collins-Nachfolgers Ray Wilson befinden – und dies bis zum heutigen Zeitpunkt.

Dementsprechend wird der 180 Seiten starke ‚Wälzer‘ dem Anspruch auf Komplettierung der Historie uneingeschränkt gerecht, wenngleich es sich – und auch das sagt der Titel – um eine sehr kompakte Abhandlung handelt. Aber um einen Überblick über das Schaffen der beliebten Superstars zu bekommen und besonders die wohl wichtigste Anfangsphase zu erfassen, ist dieses Werk gerade für den jüngeren Fan unentbehrlich und folgerichtig auch absolut empfehlenswert. Aufgewertet wird das Ganze schließlich noch mit einigen raren Bildern aus allen Schaffensphasen der Briten, die das Mysterium um diese Combo wohl am treffendsten erfassen. Gewöhnliche Menschen, aber unberechenbare Musiker!

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