Maria Hilz – Audie Murphy. Eine Bio- und Filmografie

Hilz Audie Murphy Cover kleinEin kurzes, dramatisches, tragisches Leben

Ein Leben als Kampf: 1924 wird Audie Murphy als Sohn armer Wanderarbeiter in Texas geboren. Er wächst in schwierigen Familienverhältnissen auf, muss schon früh auf eigenen Füßen stehen und dabei manchen Tiefschlag einstecken. Sobald er volljährig ist, tritt Murphy in die Armee ein. Der Zweite Weltkrieg führt ihn über Nordafrika nach Sizilien und – den zurückweichenden deutschen Truppen folgend – quer durch ganz Europa. Dabei entpuppt sich der blutjunge Mann als Paradesoldat, der immer wieder durch gewagte Erkundungsgänge, gefährliche Kommandounternehmen und tollkühne Attacken auffällt. Als der Krieg endet, ist Murphy der höchstdekorierte Angehörige der US-amerikanischen Streitkräfte und ein Nationalheld.

Er nutzt seinen Ruf sowie sein gutes Aussehen und sucht das schnelle Geld in Hollywood. Dort gelingt es ihm Fuß zu fassen. Doch die Jahre im Kampf haben tiefe seelische Narben hinterlassen. Murphy kann sich schlecht anpassen, stößt Freunde und Feinde vor den Kopf. Immer wieder muss er den Helden geben, während sein Privatleben zu einer Sturzfahrt ins Verderben wird. Medikamentensucht, Frauenaffären, Gewaltausbrüche, Spielschulden – die Palette seiner Probleme ist weit gefächert.

Murphy wird zu einer tragischen Gestalt, ein Relikt der jüngeren Zeitgeschichte, das sich selbst überlebt hat. Sein Pech bleibt ihm treu: Als er sich 1971 aus Geldnot auf dem Immobilienmarkt versucht, stürzt er auf einer Geschäftsreise mit dem Flugzeug ab und stirbt kurz vor seinem 47. Geburtstag. 46 Filme hat Murphy zwischen 1948 und 1969 gedreht – ein scheinbar eindrucksvolles Werk, das sich bei näherer Betrachtung vor allem als endlose Folge zweit- und drittklassiger Billig-Western entpuppt. Als Schauspieler hat sich Audie Murphy in der Regel für Geld aber ansonsten unter Wert verkauft. Seine Hollywood-Karriere war ihm eher Mittel zum Zweck als Herzensanliegen.

Requiem für einen B-Movie-Star

Wer zum Teufel ist Audie Murphy? Diese Frage mag sich vor allem der jüngere Filmfreund hierzulande stellen. Tatsächlich ist sie berechtigt: Murphy muss als vergessene B-Größe kategorisiert werden. Das macht sein Leben und Werk jedoch keinesfalls weniger interessant. Letzteres gehört zur (US-amerikanischen) Filmgeschichte, wo es vielleicht nur eine Fußnote bildet, die aber trotzdem einige erhellende Aussagen gestatten.

Maria Hilz‘ Verdienst ist es, Murphys Leben nicht von seinem Filmwerk zu trennen und der Biografie sogar den Vorrang einzuräumen. Das ist im Bereich Filmbuch nicht unbedingt üblich – zumal es in der Recherche schwieriger ist als sich auf das Zusammentragen bunter Bildchen und das Nachplappern von Anekdoten zu beschränken – aber dem Verständnis unbedingt hilfreich.

Das wahrlich Erstaunliche, das wissen wir nach der Lektüre, ist nicht Murphys Weg vom Kriegs- zum Hollywoodhelden, sondern die Tatsache, dass ihm das eine gelang, obwohl ihn das andere zum psychischen Krüppel gemacht hatte. Murphy war wohl bereits durch eine schwere Kindheit vorbelastet. Für das Militär war er der ideale Erfüllungsgehilfe: ein einsamer, formbarer Mensch, der sich nach Sicherheit und Anerkennung sehnte. Dafür gab Murphy mehr als einmal fast sein Leben, das er geschätzten 240 deutschen Soldatengegnern im direkten Zweikampf nahm.

Überleben im Frieden

Der schlimmste Einschnitt war – von Murphy später durchaus erkannt – unter diesen Umständen der Frieden, der ihn plötzlich in ein geordnetes Leben zurückzwang, das er nicht kannte oder schätzte und in dem es für Hochleistungs-Killer im Grunde keine Nische gab. Hilz weiß aus Murphys Biografie den eigentlich aberwitzigen Weg nach Hollywood logisch nachzuvollziehen: Da gibt es durchaus Verbindungen; der Schauspieler verbringt wie der Soldat sehr viel Zeit mit Warten, nur dass er deutlich besser bezahlt wird – für Murphy das eigentliche Argument, sich in diesem im von seinem Wesen eher fernen Metier zu versuchen.

Der unaufhaltsame, in seiner Tragik einem schlechten Hollywood-Melodram ähnelnde Niedergang des Audie Murphy erscheint aus den von Hilz vorgelegten Fakten beinahe konsequent. Als er durch einen Unfall ums Leben kam, war er ein ausgebrannter Mann und längst am Ende seines Weges angelangt.

Das Wunder einer deutschen Monografie

Das ist der Stoff, der auch das Leben eines vergessenen Schauspielers zu neuem Leben erweckt. Dies gilt umso mehr, wenn dies sachlich und ohne Voyeurismus gelingt. „Audie Murphy – Eine Bio- und Filmografie“ hätte eine weitere Verbreitung verdient. Doch hier gilt es die Realität des deutschen Buchmarkts zur Kenntnis zu nehmen. Möchtegern-Stars mit kaum jährlicher Halbwertszeit werden gern aufwändige Hochglanz-‚Biografien‘ gewidmet. Die wirklich faszinierten Geschichten müssen dagegen allzu oft unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit erzählt werden.

„Audie Murphy“ gliedert sich – der Untertitel verrät es – in eine „Bio- und Filmografie“. Erstere ist mit ca. 60 Seiten knapp gehalten, erfasst jedoch erschöpfend alle Phasen eines recht kurzen aber turbulenten Lebens. Die Filmografie listet sämtliche Kino- und TV-Filme auf, in denen Murphy mitspielte. Einer kurzen Aufzählung der wichtigsten Personen vor und hinter der Kamera folgt jeweils eine erfreulich kurze, sich auf das Wichtigste beschränkende Inhaltsangabe. Abgerundet wird die Filmschau durch ihre Einbettung in das historische Umfeld sowie eine kurze Analyse. Eine kleine Fotostrecke mit farbigen Filmplakaten leitet die Filmografie ein. Ansonsten gibt es nur wenige Schwarzweißfotos im Text.

Der einzige echte Einwand richtet sich gegen das geradezu trübsinnig stimmende Layout. Beinahe mit Absicht scheint man alles getan zu haben, den Käufer in die Flucht zu schlagen. Damit ist nicht die vergleichsweise geringe Anzahl von Bildern gemeint; eine in der Auflage von vornherein beschränkte Publikation wie diese kann nicht mit Fotostrecken dienen. Man vermisst sie auch gar nicht, weil sie durch informative Texte mehr als nur ersetzt werden. Nein, es geht um die trostlose Gestaltung des Einbands, den ein mäßig begabter Hobbyzeichner kostengünstig zur Verfügung gestellt zu haben scheint. Wieso ein lesenswertes Buch derartig unscheinbar, ja dilettantisch im Stil der 1950er Jahre aufgemacht wurde, bleibt ein Rätsel.

Davon sollte man sich keineswegs abschrecken lassen, wenn man sich für die Filmgeschichte bzw. auch ihre weniger bekannten Seitenlinien interessiert. „Audie Murphy“ ist zwar bereits 1994 erschienen aber nicht veraltet oder überholt. Mit einer ‚besseren‘ Publikation zum Thema ist – zumal hierzulande – wohl zukünftig kaum zu rechnen!

Paperback: 202 Seiten
http://www.filmliteratur.com

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