Nachdem Bill Willingham mit [„Legenden im Exil“, 3175 dem ersten Teil seiner Graphic-Novel-Serie „Fables“ ein lesenswerter Auftakt geglückt ist, hat |Vertigo/Panini| nun den zweiten Teil am Start. In „Fables“ erzählt Willingham die Geschichte der aus ihrer Heimat vertriebenen Märchenfiguren. Sie flüchteten in die Welt der Menschen und leben unerkannt in New York in einer Gemeinschaft namens „Fabeltown“, der feste Regeln und Statuten zugrunde liegen. Das Leben im Exil begann für die Fables mit einer Generalamnestie. So kommt es, dass König Blaubart (bekanntermaßen in der Märchenwelt ein überführter Frauenmörder) oder auch der Böse Wolf akzeptierte Mitglieder der Fablegesellschaft sind.
Im zweiten Teil der Reihe, „Farm der Tiere“, geht es um das andere Gesicht der Fable-Gemeinde. Haben viele Märchenfiguren das Glück, dank ihrer menschlichen Gestalt unerkannt unter den Normalos wandeln zu können, so trifft es die nichtmenschlich erscheinenden Fables wesentlich härter. Sie leben auf einer abgeschotteten Farm mitten im Nirgendwo, wohin sich nie eine Menschenseele verirrt.
Nach den Ereignissen in „Legenden im Exil“ macht sich Bürgermeisterin Snow White auf, der Farm einen Besuch abzustatten, wie sie es alljährlich tut. Ihre Schwester Rose Red soll sie begleiten, damit die beiden in der Abgeschiedenheit des Farmlebens in Ruhe Zeit und Muße haben, sich auszusprechen und wieder zueinander zu finden – zumindest hofft Snow White darauf.
Doch schon bei ihrer Ankunft merken die beiden, dass auf der Farm irgendwas nicht stimmt. Weyland Smith, der Verwalter der Farm, ist spurlos verschwunden, und Snow White und Rose Red überraschen die Farmbewohner bei einer sonderbaren Versammlung. Als dann plötzlich auch noch die Telefonleitung tot ist, dämmert Snow White, was hier gespielt wird. Die Fables sind in Aufruhr. Revoluzzer versuchen, die Macht an sich zu reißen und einen Umsturz anzuzetteln. Snow White befindet sich in größter Gefahr. Hilflos steht sie einer Übermacht revolutionärer Fables gegenüber und kann nicht einmal Hilfe aus der Stadt herbeibeordern …
Wieder einmal bedient Willingham sich einer Vielzahl an Märchenfiguren. Teilweise kennt der Leser sie bereits aus Band 1, teilweise schickt er aber auch neue, unbekannte Gesichter ins Rennen. Goldilocks ist diesmal mit von der Partie, die bei den Bären wohnt und einer Kindergeschichte von Robert Southey entsprungen ist. Weyland Smith, ein nordisch-germanischer Schmiedegott, bekommt eine Rolle, ebenso diverse Figuren aus dem „Dschungelbuch“, und auch der Löwe aus den „Chroniken von Narnia“ taucht in einer Nebenrolle auf.
Die Art und Weise, wie Willingham die Originale dabei für seine Zwecke ummünzt, hat wieder mal einen tollen Charme. Gewitzt spielt er mit den Klischees, die den Figuren anhaften, und kreiert dabei durchaus ambivalente Charaktere. Während sich die Fables in Band 1 mit den Tücken des menschlichen Alltags herumgeschlagen haben, tritt diese Komponente auf der Farm mitten im Nirgendwo in den Hintergrund. Thema sind eher die Spannungen und die unterschiedlichen Interessen innerhalb der Gemeinschaft der Fables.
Die Zeichnungen von Mark Buckingham sind schnörkellos und klar, wie man es von Band 1 gewohnt ist, und wirken eher unspektakulär. Dennoch staunt man über die Lebendigkeit der Figuren. Rein künstlerisch gibt es zwar eine gewisse Kluft zwischen der anspruchsvollen, aufwändigen Covergestaltung und dem schnörkellosen Inhalt, dennoch genügt die Art der Zeichnungen der Geschichte in jedem Fall. Allein die Handlung trägt den Leser schon flott und locker durch den Plot. Sticheleien unter den Fables unterstreichen die humorvolle Note der Geschichte. Aufwändiger zeichnerischer Schnick-Schnack ist da gar nicht nötig.
Wie schon in Band 1, erzählt Willingham auch im zweiten Teil wieder mal eine Geschichte, die viel Spannung birgt. Er spart nicht mit Thrillerelementen, um den Plot zu würzen, und so entwickelt die Geschichte gewisse Page-Turner-Qualitäten. Snow White steht fernab der Zivilisation einem Haufen Revoluzzer gegenüber – das sieht nach einer wirklich ausweglosen Situation aus. Die Auflösung des Ganzen mag da ein wenig zu einfach aussehen, dennoch baut Willingham eine schöne Wendung in die Story ein, die gewitzt mit der Erwartungshaltung des Lesers spielt und den besonderen Humor der Fables-Reihe unterstreicht.
Die Ausgangslage, die dieser Band für den weiteren Verlauf der Geschichte entwirft, ist durchaus vielversprechend. Es deutet sich an, dass in „Fables“ noch einiges Potenzial steckt, das spannenden Stoff für die Zukunft verspricht. Man darf also gespannt sein und tut gut daran, die Serie im Auge zu behalten.
Bleibt am Ende also von „Fables: Farm der Tiere“ ein positiver Gesamteindruck zurück. Gewitzt und spannend erzählt Willingham seine Geschichte, die in ihren Bildern gradlinig und schnörkellos daherkommt, aber ihre Wirkung nicht verfehlt. Band 2 der „Fables“-Serie knüpft durchaus an die Vorzüge des Vorgängerbandes an und schafft gleichzeitig eine interessante Ausgangslage für die Zukunft.
http://www.paninicomics.de