Xiaolong, Qiu – Tod einer roten Heldin

Inzwischen gibt es bereits vier Romane um Qiu Xiaolongs poetisch veranlagten Krimihelden Kommissar Chen. „Tod einer roten Heldin“ war seinerzeit Xiaolongs Debütroman, der nun im |DAV| als Hörspiel vorliegt.

Xiaolongs Romane spielen in Shanghai, in Zeiten des Umbruchs, die geprägt sind von veralteten Kaderstrukturen und Traditionen und einer zunehmenden Öffnung für den Fortschritt der modernen Welt. Zwischen diesen Gegensätze ermittelt Kommissar Chen, nebenberuflich Dichter, im Fall Guan Hongying, die ermordet aus einem Shanghaier Kanal gefischt wurde.

Anfangs ahnt Chen noch nichts von der politischen Tragweite des Falls und auch als sich herausstellt, dass Guan Hongying eine nationale Modellarbeiterin und damit ein Vorbild der chinesischen Gesellschaft war, will er noch nicht an einen politischen Hintergrund glauben, wie es seine Vorgesetzten tun.

Als sich dann aber herausstellt, dass Guan Hongying bis kurz vor ihrem Tod eine geheime Affäre mit dem Fotografen Wu hatte, der brisanterweise der Sohn des einflussreichen Kaders Wu Bing ist, bekommt Chen die politische Tragweite des Falls am eigenen Leib zu spüren. Wu ist Chens Hauptverdächtiger, was seinen Vorgesetzten gar nicht passt. Chens Mentor, Parteisekretär Li, ist schnell zur Stelle, um Chen zurückzupfeifen und auf einen Posten wegzuloben, auf dem er keinen Schaden anrichten kann. Doch Chen ist fest entschlossen, den Fall zu lösen …

Der Reiz von Qiu Xiaolongs Krimis liegt weniger im Krimiplot an sich als vielmehr in Zeit und Ort der Handlung begründet. Der Fall selbst ist recht klassisch konzipiert, und dennoch ist Qiu Xiaolong mit „Tod einer roten Heldin“ ein insgesamt sehr ungewöhnlicher und eigenwilliger Krimi geglückt.

Da wäre zum einen die Hauptfigur des Kommissar Chen. Ein studierter Literat im Polizeidienst ist für sich schon ungewöhnlich. Chen übersetzt neben seiner Polizeiarbeit mit einigem Erfolg westliche Kriminalromane und veröffentlich hier und da Gedichte. Das hat ihm in der Shanghaier Gesellschaft eine vergleichsweise privilegierte Stellung und den Luxus verschafft, als Junggeselle alleine eine Ein-Zimmer-Wohnung bewohnen zu dürfen.

Chen ist eine Figur mit Tiefgang, deren Gedanken oft um literarische Themen kreisen. Er fasst Ideen und Beobachtungen gerne in Verse und beschwört damit eine sehr persönliche und intensive Charakterzeichnung herauf. Chen ist einerseits eine sehr sympathische Figur, ist aber gleichsam stets darauf bedacht, politisch korrekt zu handeln, um in den starren alten Kaderstrukturen nicht unnötig anzuecken.

Es ist daher auch gerade der stetige kritische Blick auf die politische und gesellschaftliche Situation Chinas allgemein und Shanghais im Speziellen, der den Reiz der Geschichte ausmacht. Der Leser/Hörer erfährt ganz nebenbei unheimlich viel darüber, wie das Leben dort aussieht. Die anhaltende politische und gesellschaftliche Einflussnahme der alten Kader, die eklatante Wohnungssituation, in der jeder Einwohner es in Schnitt auf neun Quadratmeter Wohnfläche bringt, und die Omnipräsenz der Partei, die die Menschen dazu zwingt, stets auf der Hut zu sein, in ihrem Handeln und Denken. Gerade auch durch die lebhafte Inszenierung von Xiaolongs Roman wird die Atmosphäre Shanghais für den Hörer zum Greifen nah.

Und so ist das eigentlich Spannende an „Tod einer roten Heldin“ auch weniger die Lösung des Falls an sich (die auch recht einfach gestrickt ist) als vielmehr die Art und Weise, wie Kommissar Chen es trotz der Steine, die ihm in den Weg gelegt werden, schafft, seine von politischen Kreisen unerwünschten Ermittlungen voranzutreiben. Es sind genau diese politisch brisanten Zutaten, mit denen Xiaolong seinen Roman würzt, die ihn besonders schmackhaft machen.

Für die Hörspielfassung wurde der über 450-seitige Roman um einiges zusammengerafft und auf 107 Hörspielminuten gekürzt. In der Vergangenheit hatte ich bei ähnlich gelagerten Kriminalhörspielen im |DAV| mit einem ähnlich komplexen gesellschaftspolitischen Hintergrund oft das Gefühl, dass die Handlung zu stark komprimiert wurde (z. B. bei Yasmina Khadras Algerien-Krimi „Morituri“). Hier kann man trotz der Straffung der Geschichte aber noch ohne Probleme folgen und verliert auch im Hin und Her der vielen chinesischen Namen nicht gleich den Faden.

Die Hörspielinszenierung kann man nur als hochkarätig loben. Die Sprecher leisten durch die Bank weg überzeugende Arbeit, allen voran Erzähler Peter Fricke und Andreas Fröhlich in der Rolle des Kommissar Chen. Auch die gesamte Inszenierung, das Zusammenspiel von Musik, Geräuschen und Stimmen ist wunderbar stimmig inszeniert worden. So entsteht eine dichte Atmosphäre, in die man gerne gleich ein zweites Mal eintauchen möchte. „Tod einer roten Heldin“ ist in der Tat die Art Hörspiel, die man nicht nur einmal hört.

Bleibt unterm Strich also ein positiver Eindruck zurück. Qiu Xiaolong hat mit „Tod einer roten Heldin“ einen Roman abgeliefert, der rein als Krimi betrachtet solide ist, sich in seinem gesellschaftlichen und politischen Kontext aber als kleine Perle in der Weite der Krimilandschaft hervortut. Gerade auch die Hörspielfassung des |DAV| kann man nur loben. Sie schafft den Balanceakt zwischen einer konsequenten Komprimierung der Handlung und einer dennoch intensiven und dichten Atmosphäre, die vor allem durch die Riege hochkarätiger Sprecher und die wohltuend stimmige Inszenierung zu gefallen weiß.

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