Brater, Jürgen – Rätselhafte Körpervorgänge

_Hör-Lexikon: Warum Küssen blind und taub macht_

Warum, fragt das neunmalkluge Kind, schlafen unsere Hände und Füße ein, obwohl sie gar nicht müde sind? Warum haben Männer eine Glatze und wieso schnarcht man und woher kommen die X-Beine?

Welche Erklärungen hinter diesen und vielen anderen Phänomenen stecken, verraten uns der Comedy-Star Hennes Bender und seine zwei Unterstützer – unterhaltsam, aber kompetent. (Verlagsinfo) Lustig wird’s, wenn es darum geht, dass Küssen blind und taub macht …

_Der Autor_

Dr. Jürgen Brater, geboren 1948, studierte Medizin und Zahnmedizin und praktizierte bis 1996 in eigener Niederlassung. Seitdem ist er als Seminarleiter in der Aus- und Weiterbildung medizinischer Fachkräfte sowie als Fachautor tätig und schreibt unter anderem populäre medizinische Sachbücher. Er lebt in Aalen (BaWü). Bei Eichborn sind erschienen: „Lexikon der rätselhaften Körpervorgänge“ (2001), „Lexikon der Sex-Irrtümer“ (bitte unbedingt vertonen!), „Bier auf Wein, das lass sein!“ sowie zuletzt „Generation Käfer“ (2005).

_Die Sprecher_

Hennes Bender, geboren 1968, startete seine Bühnenlaufbahn am Schauspielhaus in Bochum, bevor er sich mit Partner im Duo „Lengkeit gegen Bender“ für den Humor entschied. Eine eigene Roadshow, zwei Soloprogramme und diverse Comedy-Preise später hat der Entertainer jetzt das Hörbuch für sich entdeckt.

David Muscholl, geboren 1996 (er ist also erst neun!) in Mainz, ist Fan von SpongeBob, spielt im offensiven Mittelfeld bei TuS Marienborn und stellt seinen Eltern immer häufiger Fragen, die sie nicht beantworten wollen.

Elisabeth Verhoeven lebt in Mainz, ist Rezitatorin und Schauspielerin und arbeitet als freie Sprecherin für Hörfunk und Fernsehen. Aufsehen erregten laut Verlag ihre Interpretation des Melodrams „Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke“ zusammen mit Hartmut Höll sowie die Uraufführung des „Nachtigallengesangs“ von Eduard Mörike.

_Inhalte_

Es gibt mehr rätselhafte Vorgänge in und an unserem Körper, als man denkt. Meist denkt man nicht dran, oder wenn doch, verdrängt man ganz schnell (z. B. das Furzen). Aber es gibt eben neugierige Zeitgenossen wie den neunjährigen David, die alles ganz genau wissen wollen. Selten, allzu selten gibt es verständnisvolle Erwachsene, die die Antworten auf seine Fragen kennen und – oh, Wunder! – sogar damit herausrücken. Auf diesem Hörbuch tun sie dies in aller Öffentlichkeit und zur allgemeinen Erbauung und Belustigung.

Die Fragen sind nach dem Alphabet sortiert, damit der Überblick nicht verloren geht. A wie … „Warum müssen wir beim Arzt ‚aaah‘ sagen statt e oder u?“ Weil nur bei diesem Laut der Gaumen und der Rachen so schön weit geöffnet werden, dass der Arzt sie bequem inspizieren kann.

Oder R wie … Rülpsen. Das ist das Ausstoßen verschluckter Luft. O wie … Ohrenschmalz dient dazu, abgeschilferte (tolles Wort!) Zellen, Haare und Schmutzpartikel im Ohr einzuhüllen und aus dem Gehörgang zu befördern. G…wie Gähnen. Es rührt nicht etwa vom Mangel an Sauerstoff her, der ausgeglichen werden soll, sondern erfolgt reflexartig auf einen Reiz hin.

|Frauen werden besonders berücksichtigt.|

Sind Frauen das schwache Geschlecht? Aber mitnichten! Östrogen schützt Frauen vor der Empfänglichkeit für Krankheiten, lässt sie früher erwachsen werden als Jungs und verleiht ihnen eine längere Lebensdauer. Allerdings macht es sie anfälliger für Knochenschwund (Osteoporose) und Depressionen. Es dürfte sie auch interessieren, wovon ihr Biorhythmus abhängig ist und wie sie ihr Immunsystem trainieren können.

Auch Babys werden bedacht. So wird zum Beispiel klipp und klar erklärt, dass die Muttermilch vor Herzinfarkt schützt und Stillen klug macht. Träumen Babys eigentlich, wenn sie so viel schlafen? Es sei ihnen gegönnt, denn Träumen ist absolut lebensnotwendig. Entzug der Traumphase beim Schlafen macht krank und depressiv. Andererseits ist Träumen total anstrengend, und deshalb sollte das Schlafzimmer immer gut belüftet sein.

|Männer|

… werden erstaunt sein zu erfahren, dass ein „Bierbauch“ gar nicht vom Bier selbst kommt, sondern davon, dass der Alkohol den Appetit anregt. Und dieser Appetit wird meist nicht durch Kaviar und Häppchen gestillt, sondern durch allerlei Fettiges und Deftiges. Vertragen Frauen mehr Alkohol als Männer? Und wirkt Bier oder Schnaps schneller? Dass Kartoffelchips süchtig machen, dürfte eh klar sein. Das liegt am Natriumglutamat.

In diesem Zusammenhang ist es sicherlich interessant zu erfahren, dass ein zu hoher Cholesterinspiegel gar nicht so ungesund ist, wie die Medizin immer behauptet hat. Viel gefährlicher ist offenbar ein zu niedriger Cholesterinspiegel (außerdem gibt es gutes und schlechtes Cholesterin). Ob das genetisch bedingt ist, wenn man mit einem hohen Cholesterinspiegel lange lebt, wird noch untersucht.

Außerdem werden Männer vor zu engen Jeans und einem Schlag in die Magengrube gewarnt. Ich glaube, das ist nicht mehr nötig. Aber weil Rauchen dumm macht, wie wir hier erfahren, ist die Warnung vielleicht doch nicht unnötig. Oder kommt Übergewicht etwa von „schweren Knochen“?

|Ganz allgemein|

Woher kommt eigentlich die Lust am Verbotenen? (Im Hintergrund hört man eine Polizeisirene.) Das liegt an einem psychologischen Reflex, mit dem sich der Einzelne wehrt. Man tut genau das Gegenteil von dem, was verlangt wird. Das wird Reaktans genannt. Und lässt sich natürlich vortrefflich zu Manipulation nutzen. Übrigens ändern sich Erinnerungen selbständig – also aufgepasst!

Zu den erstaunlichen Infos gehört die Tatsache, dass man im Laufe seines Lebens immer weniger Knochen im Leib hat. Sowas! Wo kommen die alle hin? Schließlich wacht ja keiner morgens auf und hat einen verlorenen Knochen neben seinem Bett liegen, oder? Nein, die Babies kommen mit rund 320 Knochen auf die Welt, diese verschmelzen im Lauf der Jahre miteinander, so etwa am Schädel, und verwachsen. Am Schluss bleiben bloß noch etwa 200 übrig. Eine ziemlich hohe Verlustrate! Das Leben ist das härteste …

Übrigens ist man am Morgen größer als am Abend. Der Grund: Die Wirbelsäule wird im Lauf des Tages zusammengestaucht, was am Morgen, wenn man ausgeruht ist, natürlich noch nicht der Fall ist. Beschwert euch bei der Schwerkraft!

|Erotik|

Wie kommt der Knutschfleck zustande? Peinliche Frage. Es handelt sich um eine Art Bluterguss, was ja schon ziemlich schmerzhaft klingt.

Und warum macht Küssen blind und taub (statt klug und glücklich)? Und das soll gesund sein? Nee, was die uns alles erzählen wollen!

_Mein Eindruck_

Das ist wirklich „Infotainment“ vom Feinsten. Abwechslung ist angesagt, und so spricht mal der Mann (Bender), mal die Frau (Verhoeven) und ein- oder zweimal sogar David eine der mehr oder weniger langen Erklärungen. Meistens stellt aber David die Fragen – das ist seine Paraderolle. Meistens hören wir dann eine kurze Demo wie etwa die Polizeisirene oder ein Schnarchen. Alles schön dezent natürlich. Jedenfalls ist der Hörer schon bald gespannt auf die nächste Demo.

Die Themen kommen, wie ich zu zeigen versucht habe, aus den verschiedensten Gebieten und sind mal mehr für Frauen, mal mehr für Männer von Belang. Erotik ist immer und überall interessant, genau wie das Verbotene. Ob das eine mit dem anderen etwas zu tun hat, sei jedem selbst überlassen.

|Die Sprecher|

Elisabeth Verhoeven spricht sehr deutlich und verständlich. Sie gibt die meisten Erklärungen, und das tut sie so melodiös, dass man ihr stundenlang zuhören könnte. Der junge David ist schon schwieriger zu verstehen, aber er ist alt genug, die schwierigen Wörter aus der Medizin und Biologie schon richtig auszusprechen und zu betonen.

Hennes Bender ist ein Spezialfall. Als sprachliches Allroundtalent ist er sehr wohl in der Lage, die Erklärungen mit dem nötigen dozierenden Ernst vorzutragen, aber des Öfteren geht mit ihm doch der Gaul durch. Er muss einfach mal demonstrieren, wie sich zahnloses Sprechen zwischen Unter- und Oberkiefer anhört. Er muss auch mal Schnarchen und Niesen, darf auch mal (aber nur einmal) furzen. Und von wem der Knutschfleck stammt, können wir uns nur ausmalen …

Nach der Schlussmusik und der Absage der Sprecher gibt es noch ein kleines Schmankerl. Es ist eine akustische Panne, was man halt beim Film neudeutsch als „goof“ bezeichnen würde. Bender lacht sich einen Ast, als Verhoeven ihre Erklärung des Küssens zu Ende gebracht hat (vorher wäre es ja unhöflich gewesen). „Küssen macht blind und taub, hihi, haha!“ Schon bald kann auch Verhoeven nicht mehr an sich halten. Und wer wissen möchte, was am Küssen so gefährlich ist, der muss eben selber hören – oder das Buch lesen (z. B. in der Stadtbücherei).

_Unterm Strich_

Nie habe ich mich unterhaltsamer informiert und aufgeklärt gefühlt. Die 66 Minuten gingen vorbei wie im Flug. Neben einigen uralten Fragen, die sich die Menschheit seit Adam und Eva stellt – vertragen Männer oder Frauen mehr Alkohol – waren doch auch eine Menge neuer Fragen zu beantworten, so etwa die nach dem korrekten Cholesterinspiegel: höher oder niedriger, was ist gesünder?

Die drei Sprecher – in Zusammenarbeit mit den Tonmeistern Arnd Esser und Martin Urrigshardt – meistern ihre Aufgabe bravourös, quasi eine kleine Familie vorzuspielen und sich die Fragen und Antworten wie Bälle zuzuwerfen. Dass „Papi“ Bender mal das stille Örtchen aufsucht, um youknowwhat zu erledigen, erscheint nur natürlich – einer muss ja für Spaß sorgen.

Aber ich bin fast sicher, dass das „Lexikon der rätselhaften Körpervorgänge“ noch viel mehr und noch tausendmal peinlichere Körpervorgänge beschreibt. Sehr empfehlenswert. (Wer weiß, was da noch alles übers Küssen drinsteht …)

|66 Minuten auf 1 CD|