Peter Aughton – Dem Wind ausgeliefert. James Cook und die abenteuerliche Suche nach Australien

Die Weltumsegelung des Captain James Cook von 1768 bis 1771 war ein Mega-Event des 18. Jahrhunderts: Die Suche nach dem sagenhaften Südkontinent (den „Antipoden“) führt zur Entdeckung Australiens, zu seiner Inbesitznahme durch die Briten und seiner Kolonisierung nur 50 Jahre später. Außerdem wurde die spätere britische Kolonie Neuseeland umsegelt und genau kartiert. Bei einem Besuch auf Tahiti entstand der Mythos vom Südseeparadies. Cook verlor auf der Reise mehr als 30 Mann Besatzung.

Peter Aughtons lebendige Schilderung dieser legendären Schiffsreise durch bis dato unbekannte Gewässer wartet mit zahlreichen (geheimen wie offiziellen) Tagebucheinträgen Cooks, seiner Wissenschaftler und Crewmitglieder auf. Jedes Kapitel zeigt auf einer Landkarte genau die Reiseroute. Der Autor nimmt den Leser quasi mit auf die Reise, zu einer Neuentdeckung der Weltkugel.

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James Cooks Schiff, die „Endeavour“, war Teil der Navy und somit ein Kriegsschiff. Sie hatte sechs Kanonen an Bord, die aber nur zur Verteidigung taugten und eingesetzt wurden. Cook hatte zwei Aufträge erteilt bekommen: Der eine war offiziell, der andere streng geheim.

Offiziell sollte sein Schiff den Durchgang des Planeten Venus in den tropischen Breitengraden der „Südsee“ beobachten. Das würde die Bestimmung des Längengrades auf den Schiffen Seiner Majestät verbessern. Diese höchst wissenschaftliche Mission sollte verdecken, dass Cook nach dem sagenhaften und bislang fast völlig unentdeckten „Südkontinent“, der Terra australis incognita, suchen und ihn möglichst für die Krone in Besitz nehmen sollte.

Man stellte sich vor, dieses „Australia“ sei mindestens so groß wie Asien, um ein Gegengewicht zu schaffen. Cook war skeptisch. Mit Recht, wie sich zeigte: Der Pazifik ist unglaublich leer und groß. Vom stürmischen Kap Hoorn bis zum einladenden Tahiti segelte Cook über eine Wasserwüste, wo eigentlich Australia liegen sollte. Nur ein gewisser Tasman hatte mal Land westlich von Kap Hoorn angetroffen, welches er „Neu-Seeland“ nannte. (Nach ihm ist noch heute die Insel Tasmanien benannt.)

James, in geheimer Mission

Warum ein Geheimauftrag? Weil alle angrenzenden Kolonialmächte eifersüchtig darauf bedacht waren, dass keine weitere Kolonialmacht in ihre Einflusssphäre eindrang. Ein Fuchs im Hühnerhof wäre ebenso willkommen. Den Holländern gehörte Niederländisch-Ostindien, also Indonesien. Den Spaniern gehörten Chile und die Philippinen. Auch Franzosen wie Captain Bougainville (nach dem die schönen Blumen benannt sind) trieben sich in der Gegend herum; sie wollten ebenfalls einen Claim abstecken.

Auf Tahiti erholte man sich erst einmal und versuchte sich so gut es ging, der Diebstahlversuche der Einheimischen zu erwehren. Gar nicht so leicht. Noch schwieriger war es, den Avancen der großzügigen Damenwelt standzuhalten. Nur Cook himself, der verheiratete Topmanager dieser Mission, blieb abstinent. Als es an die Abreise ging, fehlten natürlich Crewmitglieder. Sie wollten im Paradies bleiben. Cook zwang sie per Geiselnahme zur Mitreise.

Sterngucker und Botaniker

An Bord befanden sich zahlreiche Instrumente, die den neuesten Stand der Technik darstellten, um die Sterne zu beobachten und den Längengrad zu bestimmen. Das war gar nicht einfach, sondern mit komplizierter Mathematik verbunden. Der Anhang erklärt die astronomischen Zusammenhänge.

Ein Adliger namens Joseph Banks widmete sich intensiv dem Studium der Fauna und Flora der besuchten Weltgegenden. Zum Glück überlebte er die Reise und konnte so genau berichten, was er gefunden hatte. Seine Gehilfen und Diener, ja selbst die zwei Zeichner an Bord hatten nicht so viel Glück.

Auf Tahiti fand Banks übrigens jene Brotfruchtbäume, die später die unselige „Bounty“ in die Karibik bringen sollte, damit die Engländer dort Plantagen anlegen konnten, um ihre Sklaven zu ernähren. Auch die Crew der „Bounty“ war von Tahiti absolut betört, wie man weiß.

Schiffbruch

Nach der genauen Kartierung der zwei Hälften Neu-Seelands – man überstand mehrere Maori-Angriffe mit heiler Haut – suchte Cook weiter westlich nach der Terra australis incognita. In der Botany Bay, der Bucht der Botaniker (Banks!), ankerte man für ein paar Wochen, um Sturmschäden auszubessern. Dies war unweit jenes Naturhafens, an dem heute Sydney liegt.

Statt die Westküste abzuklappern, entschied sich Cook für die Fahrt nach Norden Richtung Niederländisch-Ostindien, zurück in die Zivilisation. Mitten in der Nacht lief die |Endeavour| auf ein Riff und erlitt einen massiven Wassereinbruch. Nur ein genialer Einfall rettete das Schiff: Man verpasste dem aufgerissenen Rumpf ein „Lecksegel“, so dass man das Schiff mit Pumpen über Wasser halten konnte. Diese langen, anstrengenden Stunden des Pumpens, an dem sich auch der Adlige beteiligte, sind einer der Höhepunkte in der Reiseschilderung.

Heimreise

Nach mehrwöchiger Reparatur fuhr das Schiff nach Neu-Guinea und Java. Im holländischen Hafen Batavia starben enorm viele Crewmitgliedr, darunter die zwei Tahitianer, die Mr. Banks zuhause vorzeigen wollte. An den Folgen der Malaria und der Ruhr, die man sich in der Fieberhölle dieser unhygienischen Stadt einhandelte, starben nahezu dreißig Mann. Die letzten starben noch auf der Weiterfahrt vom Kap der Guten Hoffnung: der wohl traurigste Abschnitt der gesamten Reise. Nur wenige Wochen später lief die |Endeavour| in heimische Gewässer ein. Sie war keine schnittige Fregatte der Navy, sondern eigentlich ein Kohlentransporter. Aber sie hatte alle Stürme überstanden, die permanenten Attacken des Schiffsbohrwurms und sogar den Beinahe-Untergang.

Mein Eindruck

Dies ist keineswegs die „erste ausführliche Beschreibung der ersten Reise Cooks“, wie die FAZ behauptete und die Bibliografie widerlegt. 1773 und 1974 erschienen entsprechende Berichte. Doch dies dürfte die erste Monografie neueren Datums über diese Reise sein – und eine der farbigsten und lebhaftesten obendrein.

Wenn die Besatzung der „Endeavour“ mit ihrem Schiff an den Riffen vor der australischen Küste ums nackte Überleben ringt, so ist man fast hautnah dabei und kann die Furcht vor dem Abgrund des Todes, den die Brandung verkündet, förmlich riechen. Das ist wirklich klasse beschrieben. Nur um Haaresbreite entkam das Schiff dem sicheren Untergang.

Ich habe dieses wunderbare Buch in wenigen Tagen gelesen. Und das Einzige, was mich daran störte, waren die durch kein Glossar erklärten Fachbegriffe der Nautik und Besegelung. Welche Landratte weiß schon, was Wanten, Bramsegel, Klüversegel oder gar Pardunen sind? Dadurch wird das Buch in die Nähe der nautischen Fachliteratur gerückt. Man muss sich notfalls die Mühe machen, in einem guten Lexikon oder Wörterbuch nachzuschlagen.

Unterm Strich

„Dem Wind ausgeliefert“ ist ein Reisebericht, der auf unterhaltsame Weise zurückführt zu einer der Sternstunden der Entdeckungsgeschichte: lebendiger Geschichtsunterricht, der zudem nie die menschlichen Aspekte des gewagten Unternehmens außer Acht lässt. Man könnte immer weiter lesen.

Taschenbuch: 350 Seiten
ISBN-13: 9783453210783

Diana-Verkag

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