Baecker, Dirk / Krieg, Peter / Simon, Fritz B. (Hrsg.) – Terror im System – Der 11. September 2001 und die Folgen

„Terror im System“ zeigt, wie und aus welchen Gründen der Westen weiterhin seine eigene Rolle beim Anschlag vom 11. September verdrängt. Durch den 11.9. zerplatzte der westliche Traum von Frieden und Sicherheit und es wurde deutlich, dass Terror gerade für die Länder der „Ersten Welt“ eine Gefahr darstellt, die nicht gebannt werden kann (höchstens eingedämmt). Wie kam es zu diesem Konflikt? Worin besteht er? Wie könnte er wirklich gelöst werden oder zumindest reguliert? Die Autoren des Sammelbandes legen erstmals eine systemische Analyse des Terrors als globalem Phänomen vor.

Gemeinsam ist allen Autoren (es sind insgesamt zwölf) der systemtheoretische Hintergrund bei der Erörterung verschiedenster Aspekte globalen Terrors; angefangen bei der Frage, was Terror(ismus) ist, über politische Aspekte und Auswirkungen auf die Weltpolitik, Djihad und Menschenrechte, die „ewige Gerechtigkeit“, bis hin zum Schock für die Gesellschaft und die Rolle der Medien (die nicht nur eine abbildende ist). Das Buch ist auch ohne Vorwissen über Systemtheorie für interessierte Laien gut verständlich und kein trockener Stoff.

Das wichtigste ist m.E., dass durch die systemische Betrachtungsweise neue Standpunkte zum Terrorismus möglich sind: eine kritische Position zum Terror und Kritik an den Vergeltungsmaßnahmen der cowboymäßig agierenden Weltmacht USA. Oder keines von beidem. Je nachdem. Nachdem Bushs Slogan „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“ zum Paradigma erhoben wurde, war Kritik egal welcher Art zugleich eine Kampfansage an die gesamte westliche Welt. Durch dieses Buch wird Terrorismus als Teil des (Welt-)Gesellschafts-Ganzen verständlich. Es stellen sich Fragen nach wechselseitigen Bedingtheiten und Folgen, die zuvor verschleiert wurden. Nach Ansicht von Simon z.B. ist es schädlich, einen Krieg gegen den Terrorismus zu führen. Begründung: „Kriege sind Systeme, die sich durch die gegenseitigen Grausamkeiten der Kontrahenten die Gründe für ihre Fortsetzung selbst liefern.“

Ein Jahr ist vergangen, seit am 11. September 2001 die Doppeltürme des New Yorker Wold-Trade-Centers in sich zusammensackten. In nachdenklicher Distanz zum damaligen Geschehen versucht dieses Buch, das zunächst Unfassbare fassbar zu machen. Es zeigt sich, dass der Westen noch(?) nicht gelernt hat, seine eigene Rolle in den globalen Zusammenhängen dieses Anschlages angemessen zu bewerten und die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen. Dafür liefert der Band Hinweise und Ansätze für ein angemessenes Verständnis.
Ziel des Bandes sei es, so Baecker, „die Ambivalenz jedes Urteils, also auch des Urteils gegen den Krieg, herauszuarbeiten, um auf diese Art und Weise Material zur Reflexion möglicher Beobachtungen zu beschaffen und so überhaupt erst einmal Mut zur Beobachtung (und nicht zum wie immer erschrockenen Augenverschließen) zu machen.“
Diese bewusste Vieldeutigkeit drückt sich in unterschiedlichen Bewertungen der Autoren aus: Der französische Philosoph Alain Badiou liefert eine Begriffs-Analyse von Terrorismus: „Es ist bemerkenswert, wie es dazu kommen konnte, dass das Wort ‚Terrorismus‘, das eindeutig eine bestimmte Form der Ausübung der Staatsgewalt charakterisiert, nach und nach genau das Gegenteil bezeichnete (…)“, wundert sich der Autor. Am Ende seiner semantischen Entwicklung sei „Terrorismus“ heute im Grunde eine propagandistische Vokabel. „Sie enthebt aller vernünftigen Untersuchung der politischen Situationen, ihrer Ursachen und Konsequenzen.“

Insgesamt kein Buch mit glatten schnellen Antworten, dafür mit vielen Fragen für Selbst-Denker.

Knut Gierdahl
Chefredakteur der [AHA-Zeitschrift]http://www.aha-zeitschrift.de