Chen Uen – Der erste Kaiser

Inhalt:

Ying Zheng ging unter dem Titel Qin Shihuang als erster Kaiser von China in die chinesische Geschichte ein, er war der erste Herrscher in der chinesischen Geschichte, der sich selbst den Titel eines Kaisers gab. Im Alter von nur 13 Jahren kam er in seinem Heimatstaat Qin auf den Thron, im Alter von 39 Jahren vereinte er China, indem er sechs Nachbarländer in einer Reihe blutiger Feldzüge eroberte, und errichtete somit die Qin-Dynastie.

Er schuf in China die Grundlagen für eine kulturelle und administrative Einheit, indem er die Schriftsysteme der einstmals unabhängigen Länder zu einem Schriftsystem vereinheitlichte und indem er Maßeinheiten vereinheitlichte. Er schaffte das Feudalwesen ab und setzte Verwaltungspräfekten anstelle der Lebensfürsten ein. Er erbaute zur Verteidigung gegen Invasionen von Nomadenstämmen die Große Mauer.


Er befahl aber auch, konfuzianische Schriften und Schriften anderer Denkschulen zu verbrennen und ließ konfuzianische Gelehrte bei lebendigem Leibe begraben. Daher gilt er trotz vieler Verdienste bis heute vielen als Inbegriff eines Tyrannen.
In seinen späteren Lebensjahren verfiel der Kaiser dem Aberglauben und suchte nach einem alchemistischen Mittel zur Erlangung der Unsterblichkeit.

Im ersten Band von „Helden der Östlichen Zhou-Zeit“ schilderte Chen Uen bereits Ying Zhengs schwierige Kindheit und die Intrigen seiner Widersacher und interne Machtkämpfe während seiner ersten Herrscherjahre auf dem Thron des Reiches Qin, als seine Herrschermacht noch nicht gefestigt war.

In dem vorliegenden Band schildert Chen Uen im ersten Teil die Beziehung und Freundschaft Ying Zhengs zum Staatsphilosophen Han Feizi. Im zweiten Teil trifft Ying Zheng bei seinen Eroberungsbestrebungen auf den starken Widerstand des Generals Li Mu des Staates Zhao. Li Mu wird zum wichtigsten Gegenspieler und Kontrahenten von Ying Zheng und seinen Ambitionen. Zwischen den beiden wird sich ein dramatischer Showdown entwickeln, von dessen Ausgang über die weitere Zukunft Chinas entschieden wird. (Verlagsinfo)

Mein Eindruck:

‚Der erste Kaiser‘ ist eine Geschichte voller Gewalt und Intrigen – und krasser Augenbrauen. Diese jedenfalls stellten meinen ersten Eindruck dar. Denn tatsächlich sind die Augenbrauen das, was dem Leser an Chen Uens Darstellung von Ying Zheng als erstes auffällt. Es sind nicht einfach nur Augenbrauen, sondern sie sind regelrecht monströs. Sie sind wie dicke Balken über den Augen. Zunächst hatte ich angenommen, dass das möglicherweise einfach der Zeichenstil des Autors ist – doch keine andere Figur hat solch breite Augenbrauen. Etwas, was dafür sorgt, dass Ying Zheng schnell hervorsticht, was sein Aussehen aber auch gewöhnungsbedürftig macht.

Gewöhnungsbedürftig sind auch die Gesichter der No-Name-Charaktere, meistens Gefolgsleute des jungen Königs. Zum Teil sehen sie aus wie Puppen, zum Teil einfach nur grotesk. Man könnte regelrecht sagen, dass sie gewissermaßen Fratzen darstellen. Fratzen, vor denen ich im ersten Moment Angst hatte, weil sie so unheimlich aussehen. Und doch hat gerade das auch einen fanatischen Ausdruck, was sehr gut zu dem großen Kriegsführer Ying Zheng passt.

Auffällig ist an Ying Zheng außerdem, dass er wahnsinnig jung ist. Mit 13 Jahren hat er den Thron bestiegen und Chen Uens Werk setzt ein, als er erst 26 war. Er ist fast noch ein Kind und doch hat er sehr grausame Tendenzen. Er will die Welt unter seine Herrschaft bringen, um sie zu einen und dem Krieg ein Ende zu bereiten. Dass er dem Krieg jedoch mit Krieg ein Ende setzen will, ist auf vielen Ebenen paradox.

Paradox erscheint auch Ying Zheng selbst. Einerseits gibt es Zeichnungen, auf denen er wahnsinnig hübsch und regelrecht süß aussieht, doch genauso sind da jene, die sein Gesicht zu einer Fratze verzerren, auf denen seine Zähne sehr im Vordergrund stehen und Ähnliches. Dann sind da Momente, in denen er zuerst erbost reagiert und der Leser Angst um das Leben einer Person bekommt, ehe er sich selbst wieder mäßigt und auch etwas Positives anspricht. Sein Thron befindet sich auf einer Art Empore, was es so aussehen lässt, als wäre er ein Gott oder dergleichen. Diesen Eindruck gewinnt der Leser auch anhand der Reaktionen der Soldaten, die anscheinend alles toll finden, was Ying Zheng macht, und ihn beinahe verehren wie einen Heiligen. Was aber irgendwo auch verständlich ist. Denn Ying Zheng hat eine Ausstrahlung, die dafür sorgt, dass man ihm einfach gehorchen muss. Ganz gleich, wie widersinnig seine Ideen sind, seine Gefolgsleute stehen hinter ihm und wagen es kaum, ihm zu widersprechen. Und selbst wenn, entscheidet der König und niemand sagt mehr ein Wort. Ying Zheng reagiert erzürnt, sobald man ihm widerspricht; doch sobald man seine Meinung vertritt, ist er glücklich – wodurch seine Gefolgsleute eigentlich keine große Wahl haben. Es ist eindrucksvoll, wie Chen Uen es schafft, diese Ausstrahlung Ying Zhengs auch in seinen Zeichnungen zu transportieren, sodass der Leser meint, sie spüren zu können.

Auch die Generäle Qins, also des Teiles von China, über welchen Ying Zheng herrscht, werden knapp vorgestellt, da sie im weiteren Verlauf der Geschichte eine tragende Rolle einnehmen. Zunächst dachte ich, dass sie vom Charakterdesign her sehr stereotypisch aussehen. Es gibt den Dicken, den Starken, den Protz, den Dümmlichen usw… doch dann kam der Spion zum Vorschein. Dieser trägt eine Art Urne auf dem Kopf und besitzt einen Tausendfüßler… Ich bin mir nach wie vor nicht ganz sicher, was ich darüber denken soll. Möglicherweise trugen die Spione zu der damaligen Zeit ja solche Dinge… ansonsten dient es vielleicht der Anonymisierung, die wohl des Spions täglich Brot ist, und des ‚Gruseligmachens‘.

Ying Zheng, der praktisch wie ein Diktator agiert, ist ein großer Fan eines Autors, der in seinem Heimatland keine Anerkennung erlangt, gerade weil er ein Stotterer ist. Qins König sieht dadurch seine Chance, den anderen Mann für sich zu gewinnen. Also scheut er keine Mühen, sondern setzt ein mehrere Tausend Mann starkes Heer ein, um diesen einzelnen Mann nach Qin zu holen. Daran lässt sich schon der Größenwahnsinn Ying Zhengs erkennen, der stets auf starke Gesten setzt.

Auf starke Gesten setzt Chen Uen auch in den einzelnen Szenen. Er macht den Zeichenstil sehr actionlastig, indem er keine Ruhe zulässt. Selbst einfache Schläge haben eine enorme Wucht und so wird der Gegner durch einen Faustschlag auch mal mehrere Meter durch die Luft geschleudert.

Jedenfalls ist Ying Zheng eine Person, die viel auf Eindruck und Gewalt setzt. Dahingegen ist Han Fei, der Mann, den Ying Zheng so sehr verehrt, jemand, der selbst seinen größten Widersacher darum bittet, seine Lehre im Falle seines Todes zu verbreiten, weil dieser sie am besten kennt. Doch gerade dieser Kontrast lässt die beiden gewissermaßen wie eine Einheit wirken. Ying Zheng wirkt sehr grausam, will das Reich aber eigentlich nur einigen und die Welt so besser machen – und um unnötige Tote zu vermeiden, benötigt er Han Feis Rat. Er ist begeistert von ihm und begrüßt ihn so ehrenvoll wie nicht einmal andere Herrscher. Er ist gar so respektvoll zu ihm, dass Han Feis Stottern nachlässt.

Doch so begeistert Ying Zheng auch von Han Fei ist, sehen seine Generäle das leider etwas anders. Gerade der Spion und der Kanzler wollen Han Fei töten oder jedenfalls etwas gegen ihn unternehmen, da sie befürchten, die Gunst des Königs sonst an ihn zu verlieren. Zu seinem Leidwesen ist Han Fei eine sehr naive Person, während der Kanzler ein Intrigant vom Feinsten ist. So kommt es schließlich zum Attentat auf Han Fei, nachdem dieser in einer Schrift noch seine Bewunderung für Ying Zheng ausgedrückt hatte. Sicherlich auch aus diesem Grund ist der König außer sich und schwört, Rache zu nehmen. Nichtsdestotrotz steht für ihn der Erfolg über persönlichen Gefühlen, weswegen er Han Feis Tod letztendlich für sich nutzen will und eine List plant. Obwohl er der größte Kriegsführer werden will, um die Welt zu einen, gedenkt er dabei dennoch Han Fei, was zu einer eindrucksvollen und traurigen Szene wird.

Damit beginnt der zweite Teil von ‚Der erste Kaiser‘, in welchem Ying Zhengs Haare bereits deutlich chaotischer und weniger gestriegelt aussehen. Dies könnte bereits den Fortschritt des Wahnsinns und Fanatismus‘, die Ying Zheng eingenommen haben, darstellen. Bedenkt man jedoch seine Vergangenheit, ist verständlich, wieso der junge König so geworden ist. Als Kind wurde er als Geisel in Zhao gehalten und hatte dort wahrlich keine angenehme Kindheit. Aus diesem Grund will er nun, da er die Macht dazu hat, ein Blutbad in Zhao anrichten. Dort gibt es einen General namens Li Mu, der später zum größten Gegner für Qins Streitmacht wird. Was zunächst verwunderlich erscheint, da er unglaublich lieb wirkt, immer am Lächeln und von Vögeln umgeben ist. Während Zhaos Truppen vermeintlich in Bedrängnis geraten, badet er einen Hund und scheint sich nicht um den Krieg zu kümmern. Der Leser weiß kaum, ob er einfach nur ein Taugenichts ist oder aber einen verwegenen Plan verfolgt.

Das erscheint auch dahingehend fragwürdig, dass Li Mu lieber Hebamme für ein Ferkel ist, statt ein Heerführer mit einem Ruf wie Donnerhall zu sein. Letztendlich muss man wohl sagen, dass er Krieg schlicht und ergreifend nicht mag, obwohl er unglaublich stark ist und sich aus Fesseln befreien kann. Li Mu erlaubt sich selbst gegenüber Ying Zheng einen Spaß und demütigt diesen so in gewisser Weise. Er wirkt regelrecht unbesorgt und das, obwohl er sich mitten im Krieg befindet und eine tragende Rolle dabei spielt.

Wie schon im ersten Teil gegenüber Han Fei kommt es schließlich auch im zweiten Teil gegenüber Li Mu zu einer Intrige. Es ist faszinierend, wie sehr Könige ihren Beratern vertrauen. Denn selbst wenn diese ihre Meinung über die Zeit hinweg ändern, glauben die Könige stets das, was ihre Berater ihnen auftischen. Kein Wunder also, dass Li Mu, bevor er sich von seinem Leben trennt, in seiner gewohnt lockeren und lustigen Art sein Bedauern darüber äußert, General in Zhao zu sein.

Mit seinem Tod sind die Wege für Ying Zheng frei, in Zhao einzufallen. Es ist äußerst irritierend, dass er einerseits alle töten lässt, die dort, wo er aufgewachsen ist, leben, doch andererseits ein Waisenmädchen bei sich aufnimmt und diesem verspricht, dass ihm niemand etwas tun würde. Passend dazu sind am Ende die Worte eines Kommandanten aus Qin abgedruckt, wonach der König von Qin einen so behandelt hätte, als würde man über ihm stehen, doch wenn er erst mal die Welt eroberte, würde er sie versklaven. Ying Zheng wusste seinen Charme demnach für sich und seine Sache einzusetzen, doch letztendlich war er ein Mann mit zwei Gesichtern.

Zu Anfang war ich mir nicht sicher, inwiefern alles wahren Begebenheiten entspricht, doch nach einem Blick in das Internet habe ich erkannt, dass einige Geschehnisse zwar für literarische Zwecke verändert oder gar übertrieben wurden, aber grundsätzlich alles wahr ist. In dem Zusammenhang ist außerdem anzumerken, dass Chen Uen wahre Zitate in seine Geschichte eingebracht hat, was das Ganze sehr eindrucksvoll und bewundernswert macht.

Was ich persönlich sehr schade finde, ist, dass man einige Textpassagen, die nicht Redeanteil einzelner Personen sind, nur sehr schwer lesen kann, da sie auf einem gemusterten Hintergrund liegen. Mit etwas Anstrengung kann man sie zwar letztendlich lesen, aber schöner wäre es doch gewesen, sie anderweitig etwas hervorzuheben. Darüber hinaus ist es schade, dass das Nachwort zur alten Ausgabe nicht übersetzt ist, was sicherlich noch interessante Aspekte hervorgehoben hätte. Dafür finde ich den Zeitstrahl am Ende des Buches wahnsinnig gut, da der Leser so sehen kann, was wann in welcher Reihenfolge geschehen ist und was vor allem nach der Sache mit Li Mu noch alles geschehen ist, wie Ying Zheng das Reich geeint hat.

Fazit:

Im Vorwort schreibt Chen Uen, dass er eine Geschichte mit Ying Zheng als Helden schreiben wollte. Ying Zheng ist zwar ganz klar der Protagonist dieser Geschichte, doch ob er wirklich als Held einzustufen ist, ist fragwürdig. Zwar hat er den Beginn eines großen Zeitalters für China eingeleitet und sicherlich einige gute Dinge für das Reich getan, doch letztendlich wird er auch vielfach als Tyrann dargestellt. Möglicherweise bezeichnen Tyrannen und Helden auch einfach zwei Seiten einer Medaille, doch solch eine ethische Grundsatzdiskussion möchte ich an dieser Stelle nicht anleiern. Fakt ist jedenfalls, dass Ying Zheng in der vorliegenden Geschichte durchaus auch mal sympathisch und gar süß dargestellt wird. Doch genauso hat er sehr dämonisch angehauchte Szenen, in welchen er von Feuer und Toten umgeben ist, lange Krallen hat und dunkle Kleidung trägt. Er ist ein Mann, vor dem man durchaus großen Respekt haben kann und womöglich sogar sollte, doch letzten Endes ist er auch ein grausamer und gewalttätiger Herrscher gewesen. Seine Motive mögen heldenhaft gewesen sein, doch seine Umsetzung verleiht ihm den Titel eines Tyrannen.

Bevor ich diesen Manhua gelesen habe, kannte ich nicht viel von der chinesischen Geschichte. Allerdings halte ich diese Darstellung für durchaus realistisch – wenn man einmal von jenen sehr actionlastigen Elementen und übertriebenen Momenten absieht. Auch was ich online nachgelesen habe, wird in ‚Der erste Kaiser‘ zutreffend oder jedenfalls literarisch überspitzt wiedergegeben. Im Endeffekt denke ich, dass dieses Werk einen wahnsinnig guten Einblick in die chinesische Geschichte bietet. Und auch wenn mir der Zeichenstil zunächst nicht allzu sehr gefallen und behagt hat, weil die Charaktere mal realistisch, mal grotesk oder gruselig und mal wie Kinder dargestellt werden, gewöhnt man sich an ihn. Er lässt sich schlichtweg nicht kategorisch in „schön“ oder „doof“ einteilen. Und letzten Endes passt er auch hervorragend zu Ying Zheng und der Geschichte, die ja doch irgendwo von Fanatismus und starken Gegensätzen geprägt ist.

Im Großen und Ganzen lässt sich jedoch nur sagen: Daumen hoch!

Broschiert: 510 Seiten (255 deutsch, 255 chinesisch)
Originaltitel: Shihuang (始皇 (中文简体德文双语版))
Aus dem Chinesischen von Marc Hermann
ISBN-13: 978-3905816822

www.manhua.ch

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