Elena soll sich ans Meer gewöhnen. Das muss sie, denn A’loatal und das Buch sind nur über das Meer zu erreichen. Doch kaum ist sie zu einer dieser Übungen an Bord des kleinen Schiffes gegangen, werden sie von Meerkobolden angegriffen. Elena wird von einem Giftstachel getroffen, doch ihre Magie verhindert, dass sie stirbt. Stattdessen beschert ihr die Nähe des Todes eine neue Form von Magie, mit deren Hilfe sie den Stab ihres Bruders in eine magische Waffe umwandelt. Sie haben die Meerkobolde kaum zurückgeschlagen, da geraten sie in eine erneute, größere Gefahr, an die sie Er’ril verlieren …
Währenddessen ist Mikela unterwegs zur Hafenstadt Port Raul, wo sie, wenn alles planmäßig geklappt hat, ihre in Schattenbach zurückgelassenen Gefährten finden soll. Sie findet sie tatsächlich, spürt jedoch nicht, dass einer von ihnen inzwischen ein Bösewächter geworden ist. Von der Sumpfhexe Cassa Dar gewarnt und von Tol’chuks Herzstern geführt, wollen sie Elena zu Hilfe eilen. Eine weitere Prophezeiung spaltet die Gruppe jedoch erneut. Während Tol’chuk, Merik und Mama Freda mit einer kleinen Gruppe von Zo’ol aufs Meer hinaussegeln, folgen Mikela, Kral und die beiden Gestaltwandler aufgrund einer weiteren Prophezeiung dem obersten Piraten der Stadt zurück in seine Heimat, zum Nordwall, wo die Zwerge drohen, nach Süden zu marschieren.
Saag-wan und Kast sind inzwischen unterwegs, um das Seefahrervolk der De’rendi zu suchen und sie als Verbündete für die Schlacht um A’loatal zu gewinnen. Die De’rendi dagegen sind den Mer’ai aufgrund ihrer Vergangenheit nicht unbedingt wohlgesonnen, und es wird ein schweres Stück Arbeit, sie inmitten eines tobenden Sturmes zu überzeugen, dass sie sich zum geplanten Angriffstermin am vereinbarten Treffpunkt einfinden.
Abgesehen davon wird die Zeit knapp. Denn der oberste Dunkelmagier hat beschlossen, das Buch des Blutes zu zerstören, damit es der Hexe nicht in die Hände fallen kann …
Der dritte Band des Zyklus arbeitet mit den bisher meisten Handlungssträngen. Clemens ist jedoch klug genug, nicht alle gleichzeitig nebeneinander herzuführen, sondern sich – wie bisher auch – immer auf zwei zu beschränken, die einander abwechseln: das Geschehen um Elena wechselt mit dem um Mikela und pausiert nach den ersten dreihundert Seiten, um den Handlungsfaden um die Mer’ai und die De’rendi weiterzuführen. An dem Punkt, wo die vereinigten Seetruppen zu Elena und ihren Gefährten stoßen, wird der Handlungsfaden um den verschwundenen Er’ril in den Wechsel eingeflochten. Das dient nicht nur der Übersichtlichkeit, sondern auch der Spannung, denn es ist klar, dass Clemens den Handlungsfaden um Elena nicht still legt, ohne vorher eine bedrohliche Aussicht auf das weitere Geschehen anzudeuten.
Die Gruppe um Mikela taucht erst am Ende des Buches wieder auf. Da für das Bestehen eines Abenteuers jedoch immer eine bestimmte Kombination von Fähigkeiten erforderlich ist, müssen die entstandenen Lücken irgendwie ersetzt werden, Rollenspiel lässt grüßen. Wie im [„Buch des Sturms“ 996 angedeutet, wird Joachs Rolle weiter ausgebaut. Abgesehen von der Waffe, die Elenas Magie im formt, spielt sein Traum eine wichtige Rolle in den Ereignissen, die mit dem Buch in Zusammenhang stehen, und gibt dem Leser Stoff zum Rätseln. Außerdem freundet er sich mit einem der Zo’ol an. Wer diese Männer genau sind und woher sie kommen, wird in diesem Band nicht verraten, vielleicht tauchen sie später noch einmal auf. Mama Freda, die in Port Raul zur Gruppe stößt, stammt aus dem Dschungel im Süden, einem Landstrich, der bisher zwar auf der Landkarte angedeutet war, aber jetzt zum ersten Mal auftaucht. Die alte Frau ist eine Heilerin. Zwar ist sie blind, kann aber durch die Augen ihres Haustieres sehen. Das kleine äffchenartige Tier eignet sich dadurch gut als Spion und Kundschafter.
Während der Ausbau der Gruppe durch die Zo’ol und Mama Freda ein weiteres Steinchen im geographischen Mosaik darstellt, liefert der Handlungsstrang um die Mer’ai und De’rendi eines für die Historie der Welt Alasea. Einer der Ältesten des Rates erzählt Saag-wan und Kast die Geschichte ihrer Völker. Auch das Auftauchen der Elv’en bedeutet ein solches Mosaiksteinchen, wobei deren Charakter bisher keine Spekulationen darüber zulässt, welche Rolle sie im weiteren Verlauf spielen werden.
Was mich an diesem Band erstaunt hat, war der frühe Zeitpunkt, zu dem Clemens dem Leser verrät, hinter welchem der Gefährten sich der Bösewächter verbirgt. Ich hatte damit gerechnet, dass Clemens dies als Spannungselement einer unbekannten Bedrohung benutzen würde. Letztlich hat es sich allerdings gezeigt, dass dieser Aspekt für den Kampf um A’loatal überhaupt keine Rolle gespielt hat. Die Gewichtung lag eindeutig auf den Kriegsvorbereitungen und dem Ausbruch des Krieges, für mehr war wohl auch kein Platz.
Der Krieg selbst nahm nur die letzten zweihundert Seiten in Anspruch, und davon drehte sich das meiste um Elenas Suche nach dem Buch. Die Schlacht war lediglich eine Randerscheinung, die befürchteten Szenen blutigen Gemetzels blieben aus. Worauf der Autor aber nicht verzichten wollte, war das Ungeziefer des Bösen, wenngleich man sagen muss, dass auch das etwas in den Hintergrund getreten ist. Es tauchen weniger neue auf, die Beschreibungen sind weniger detailliert, die damit befasste Handlung ist kürzer.
Der Wyvern, das dunkle Wesen aus Joachs Traum, fällt dabei völlig aus dem Rahmen. Er wird als eines von vier Toren bezeichnet, wobei komplett offen gelassen wird, wohin diese führen und worum genau es sich dabei handelt. Sie scheinen jedoch ziemlich unmittelbar mit dem Bösen verbunden zu sein, werden also sicherlich noch an Bedeutung gewinnen.
Bereits in den ersten beiden Bänden [„Das Buch des Feuers“ 969 und „Das Buch des Sturms“ hat der Autor, nachdem der jeweilige Endkampf ausgefochten und der Höhepunkt damit überschritten war, bereits durch Andeutungen den Folgeband vorbereitet. Das verhindert ein völliges Abflauen der Spannung, weckt die Neugier und hält den Leser bei der Stange. In diesem Fall halten beide Szenen auch noch eine überraschende Wendung bereit. Überhaupt steht „Das Buch der Rache“ seinen Vorgängern in nichts nach, im Gegenteil. Die Handlung und die Welt werden komplexer und vielfältiger. Trotz der stets gleichen Methode, nach der Clemens seine Erzählungen aufbaut, gelingen ihm immer wieder überraschende Wendungen, und er versteht es jedes Mal aufs Neue, den Leser gefangen zu nehmen und die Spannung immer weiter anzufachen. Man kann einfach nicht anders als weiterlesen.
Warum der Verlag, der sich bei den Titeln der Vorgängerbände einigermaßen an die Bedeutung gehalten hat, jetzt auf einmal „Wit’ch war“ als „Das Buch der Rache“ überträgt, ist mir leider unverständlich. Die kurzen Rachedrohungen der beiden Dunkelmagier gegen Er’ril, Joach und gegeneinander gehen bei der Gewichtung der eigentlichen Handlung im Krieg völlig unter und dürften also kaum ein ausreichender Grund für eine solche Abweichung darstellen. Ob es am Wechsel des Übersetzers liegt …? Vielleicht werden das die folgenden Bände zeigen.
James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ herauskommen.
Homepage des Autors: http://www.jamesclemens.com