„Die Siedler von Catan“ ist Rebecca Gablés Roman zum gleichnamigen Spiel des Jahres 1995 von Klaus Teuber. Dieser war von Rebecca Gablés Bestseller „Das Lächeln der Fortuna“ begeistert, sie selbst spielte gerne sein Spiel. Eine glückliche Verbindung – der Roman „Die Siedler von Catan“ war geboren. Auch wer das sehr empfehlenswerte Gesellschaftsspiel nicht kennt, wird mit einem hervorragenden historischen Roman belohnt:
Elasund ist ein kärgliches Land, das kaum genügend Nahrung hervorbringt, um seine wenigen Bewohner zu ernähren. Durch Überfälle der räuberischen Turonländer wird das Los der Einheimischen zusätzlich erschwert. Der reiche, von seinen Nachbarn beneidete und unbeliebte Olaf fasst einen verwegenen Plan: Er hat im Westen eine große Insel entdeckt, ein reiches und fruchtbares Land, das nur darauf wartet, erobert zu werden.
Hunger und Not treiben die Elasunder dazu, ihm aufs Meer zu folgen. Nach langer Irrfahrt glaubt man sich schon verloren, als ein Sturm die Flotte an ein fremdes Gestade spült, das jedoch nicht Olaf’s Insel zu sein scheint: Man entdeckt weiße Raben, und die alte Brigitta verkündet den Heimatlosen, man sei in Catan gelandet, der von Odin geschaffenen und der Welt entrückten Insel der Legende.
Die Insel ist unbewohnt, einzig ein großer Vulkan ist eine Bedrohung in dem ansonsten vermeintlichen Paradies. Doch wie in der Legende ist es der Mensch selbst, der Zwist und Hader säht – alte Machtansprüche, schlichter menschlicher Neid und Hass sowie das Aufkommen des christlichen Glaubens spalten die Elasunder in mehrere Fraktionen. – Wird die unerschütterliche Freundschaft von Candamir und Osmund überdauern, wenn auch noch missgünstige Frauen ihre Fehden auf den Rücken ihrer Männer austragen?
Rebecca Gablés historische Romane zeichneten sich vor allem durch exakte Recherche und ihre überzeugenden Charaktere aus. „Die Siedler von Catan“ macht da keine Ausnahme, das Buch ist zwar kein astreiner historischer Roman, kann jedoch ohne Zweifel als solcher gelten: Das Entdeckervolk der Wikinger war das Vorbild für die Siedler aus Elasund.
Zahlreiche bekannte Wikinger-Thematiken wurden übernommen: Ihre herzhaft rauhe Art, ihre Lebens- und Ackerbauweise sowie ihre Sitten und Gebräuche. Besonders dem Konflikt zwischen dem aufkommenden christlichen Glauben, den ein sächsischer Knecht nach Catan mitgebracht hat, und den Glauben an die nordischen Asen widmet sich Gablé. Besonders lustig sind die Kuhhändel, mit denen der ehemalige Mönch Austin versucht, die Wikinger zum wahren Glauben zu bringen – oft haarsträubend, aber nahe an der Historie. Einzig die blutigen Raubzüge fehlen, auf der Insel sind nur die Siedler, die sich allerdings bald gegenseitig bekriegen werden. Hier bindet die Autorin geschickt Elemente aus dem Spiel ein: Handel ist wichtig, auf Catan gibt es zwar viele Rinder, aber Schafe sind ein seltenes und gefragtes Gut. Ebenso wichtig ist die Suche nach Eisen – ohne Eisen keine Schmiede, ohne Schmiede ist der Bau von Werkzeugen nicht möglich.
Diese Konflikte spielten sich auch in der realen Weltgeschichte ab, hier kann man die Entstehung einer Kolonie im Zeitraffer erleben. Bis hin zum unvermeidlichen Machtkampf: Wer soll König von Catan werden?
Besonders schön fand ich, dass die Wikinger ausnahmsweise nicht wie so oft als rauhe Dumpfbacken mit urigem Humor daherkommen, sondern differenzierter dargestellt werden. Die Freunde Candamir und Osmund, gewissermaßen die Hauptfiguren des Romans, haben ihre individuellen Schwächen, aber auch ihre Stärken: Candamir verhätschelt seinen kleinen Bruder viel zu sehr, was diesen demütigt, da er ihn einfach nicht als Mann anerkennt. Seiner Magd Gunda gegenüber ist er aus diversen Gründen im Handlungsverlauf sehr nachtragend. Er ist aber auch ein sehr liberaler Mann und glaubt nicht ganz so fest an die Götter und alte Traditionen wie sein Freund Osmund. Dieser gehört zwar zur Sippe des unbeliebten Olaf, hält aber trotz des bald aufkommenden Streits zwischen den beiden fest zu Candamir, obwohl er die laxe Haltung seines Freundes hinsichtlich seiner mangelnden Verehrung der Götter nicht gutheißt. Selbst die schöne Siglind kann keinen Keil in die Freundschaft der beiden Männer treiben, hier habe ich sofort auf böses Blut getippt. Lasst euch überraschen, ob die beiden Freunde bleiben oder sich verfeinden werden.
Auch die offensichtlichen Bösewichte, wie der aufgrund seines Reichtums aber auch seiner Arroganz unbeliebte Olaf, werden nicht völlig eindimensional dargestellt: Ohne dessen Beharrlichkeit und Führungsqualitäten hätten die Siedler wohl nur den Meeresgrund und nicht Catan erreicht.
Verglichen mit Gablés früheren Romanen weisen die „Siedler von Catan“ die selben Stärken auf: Lebendige und interessante Charaktere, wobei Candamir und Osmund besonders sympathisch sind. Die historische Recherche ist hervorragend und sehr gut im Roman umgesetzt, man fühlt sich in die Zeit der Wikinger versetzt, die Eroberung einer unbewohnten Insel ist ebenfalls sehr reizvoll. Sogar Elemente aus dem Spiel wurden unauffällig und nicht im Geringsten störend in die Handlung eingebunden.
Als „Roman zum Spiel“ ist das Buch erstklassig, im direkten Vergleich gibt es jedoch bessere. Die Insellage beschränkt alle Interaktion des Buches auf die Siedler selbst, historische Zusammenhänge wie in „Das zweite Königreich“ oder dem „Lächeln der Fortuna“ kann man hier nicht erwarten. Es gibt nur Catan, der Rest der Welt fehlt. Der enge Fokus und ein unbefriedigend offenes Ende sind die größten Probleme des Romans. Auch wenn gelegentlich überraschende Wendungen gelingen, allzu oft kann man schon im Vorneherein Konflikte kommen sehen. Die Storyelemente sind wie gesagt durch das Szenario limitiert – Gablé macht jedoch wirklich das Beste daraus.
Die Umschlaggestaltung ist an das Spiel angelehnt, die gebundene Fassung besitzt ein Lesebändchen, zusätzlich fiel mir Werbung für Catan in Form eines damit recht überflüssigen gewordenen Lesezeichens entgegen.
Man muss das Spiel nicht kennen oder lieben, „Die Siedler von Catan“ bieten gute Unterhaltung für Freunde historischer Romane. Gablé-Fans werden vielleicht ein bisschen enttäuscht sein, ihre bisherigen Bestseller konnte sie mit diesem Buch leider nicht toppen.
Homepage zum Buch:
http://www.catan-roman.de/
Homepage der Autorin:
http://www.gable.de/