Jean-Louis Glineur – Todesangst in der Nordeifel

Spannend: Rasante Verfolgungsjagden in der Eifel

Euregio, Eifel. Gegenwart. Eine junge Mutter wird zwischen den Eifel-Dörfern Hammer und Dedenborn überfallen und fast erwürgt. Kurz danach wird eine ermordete Jugendliche in der Nähe Schleidens zwischen Broich und Wintzen aufgefunden. Dem Ehemann der ersten überfallenen Frau arbeitet die Polizei zu langsam, und er beauftragt die Privatdetektive Alwin Schreer und dessen Kollegin Anne-Catherine Vartan – die Detektei Schreer & Vartan.

Der unbekannte Serienmörder erfährt durch einen Aachener Boulevard-Journalisten und dessen Berichterstattung, dass man ihm schon auf der Spur ist und der Detektiv Schreer bereits ermittelt. Währenddessen findet Schreer eine erste Spur durch den Tipp einer Euskirchener Verkäuferin, der das seltene Auto des Mörders auffiel. In Gemünd entdeckt Alwin Schreer den auffälligen Geländewagen des Mörders, der aber flieht und erneut einen Mord begeht.

Der jetzt gewarnte Mörder schlägt zurück …

Der Autor

Jean-Louis Glineur ist 42 Jahre alt und wurde im belgischen Verviers geboren, wohnt im Eifelort Dedenborn, nachdem er viele Jahre in Gemünd lebte, ist gelernter Industriekaufmann und freier Journalist. „Todesangst in der Nordeifel“ ist sein erster Krimi und erscheint zunächst als Hörbuch.

Der Sprecher

Julian Mehne ist Ensemblemitglied des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin.

Handlung

Es ist Montagmorgen, als Marianne Belder bei ihrem üblichen Morgenjogging von jemandem, den sie nicht sieht, mit einem Stein beworfen wird. Die verheiratete Mutter eines kleinen Jungen bleibt verdutzt stehen und fasst sich an den Kopf: Blut! Da befiehlt eine Stimme hinter ihr: „Wehr dich nicht!“ Der Mann hat einen slawischen Akzent. Er wirft sich auf sie, um sie zu vergewaltigen. Natürlich wehrt sich Marianne, die von diesem Typen erschreckt und angewidert ist. Er stinkt nach Zigarettenrauch und als ob er sich zehn Tage nicht gewaschen hätte. Er würgt sie bis zur Bewusstlosigkeit. Als zwei ältere Spaziergänger sie finden, erwacht sie benommen und schlägt um sich. Ihr Schoß schmerzt heftig, auch dort ist Blut. Ihre Silberkette ist ebenso verschwunden wie ihr Ehering. Was für ein Monster beraubt sein Opfer auch noch?

Während der folgenden vier Wochen, in denen die Besucherzahlen in der Nordeifel dramatisch zurückgehen, findet die Polizei immer noch keine heiße Spur. Daher wendet sich Marianne Belders Mann Wolfram an den etwa 40 Jahre alten Privatdetektiv Alwin Schreer in Dedenborn. Zusammen mit seiner Geschäftspartnerin Anne-Catherine Vartan hält er sich mit dem Beschatten ungetreuer Ehegatten über Wasser, aber sein Bankkonto pfeift auf dem letzten Loch, daher kann er jeden Auftrag gebrauchen. Als er aber hört, dass Marianne Belders Mädchenname Zeien lautet, horcht er auf. Er war als 17-Jähriger in seine Klassenkameradin verliebt, seine Gefühle für sie sind nie erloschen. Er nimmt den Auftrag des Autoverkäufers an, und zwar nicht nur wegen des Geldes.

Als Schreer sich über den Stand der Ermittlungen informiert, wird gemeldet, dass schon wieder ein Vergewaltigungsopfer gefunden wurde: Es ist das vierte binnen weniger Wochen! Sofort schmeißt sich Alwin in seinen Honda Civic, brettert über die Dörfer und quält das Gaspedal bis zum Anschlag. Am Tatort setzt ihn sein alter Jugendfreund Kommissar Rainer Welsch ins Bild, dessen Übergewicht Kugelgestalt angenommen hat. Die Tote ist eine fünfzehnjährige Schülerin aus einem nahen Dorf. Doch diesmal wurde der Vergewaltiger von einem Forstarbeiter gestört und musste in seinem Auto eine Tasche zurücklassen, in der sich 20 Arbeitshemden finden.

Dieser Spur folgt Alwin als erstes und stößt auf eine Goldader. Die Euskirchener Verkäuferin Jana Kohlstock erinnert sich an die Rostlaube des Käufers jener Hemden. Die Internet-Suche fördert als mögliches Automodell einen Lada Niva zutage, der sofort zur Fahndung ausgeschrieben wird. Welsch kriegt einen Wutanfall. Seine Kollegen hatten vergessen, nach dem Auto zu fragen. Dass er sich von einem Schlapphut helfen lassen muss!

Allerdings unterläuft Alwin daraufhin ein folgenschwerer Fehler: Als er Anne-Catherine von den letzten Ereignissen berichtet, vergisst er zu erwähnen, dass Welsch eine Nachrichtensperre verhängt hat. Sie plaudert mit befreundeten Journalisten, und schon bald machen die heißen Infos die Runde, leider auch zu dem Aachener Boulevardjournalisten Westermann, der alles über die involvierten Personen ausposaunt. Dadurch sind der oder die Täter ebenfalls gewarnt und versuchen, die Zeugen und Ermittler mundtot zu machen – oder Schlimmeres.

Doch bevor es zu Repressalien gegen die Zeugin Jana Kohlstock kommt, hört Wolfram Belder zufällig in Alwins Büro den Anruf mit, dass ein Lada Niva am Friedhof des Dorfes Gmünd gesehen wurde. Als Alwin auflegt, ist Belder bereits mit seinem Jaguar losgerast: Er will den Vergewaltiger seiner Frau selbst zur Strecke bringen! Bis Alwin mit seinem Informanten dort eintrifft, ist es bereits zu spät.

Doch damit fangen Alwins Schwierigkeiten erst an. Denn er ist jetzt im Visier der Bande, die mit dem Mörder unter einer Decke steckt.

Mein Eindruck

Alwin Schreer ist ein Detektiv, der das Herz offenbar auf dem rechten Fleck hat. Er liebt die Esel des Nachbarn ebenso wie die Jugendliebe von damals – und natürlich begehrt er seine schöne kampfsportgestählte Partnerin Anne-Catherine, die ihn in letzter Sekunde raushaut, so wie er ihr selbst zuvor das Leben gerettet hat. Von Abgebrühtheit eines Profis kann man bei ihm nicht unbedingt sprechen. Anne-Catherine muss ihn im Verlauf der Ermittlungen mindestens zweimal zur Professionalität ermahnen, und einmal wird er von den Polizisten des Hauses verwiesen, weil er auf die Hauptschuldige losgegangen ist. Erst als Alwin und Anne-Catherine bei einem Rammstoß fast in ihrem Auto draufgehen, wird der Fall auch für die Lady zu einer persönlichen Angelegenheit.

„Schuldige“ Opfer

Dass er gut mit Frauen umgehen kann, gereicht Alwin immer wieder zum Vorteil, ebenso wie seinen Klienten. Als eine junge Türkin ihm gesteht, auch sie sei ein Opfer des Vergewaltigers von Marianne Belder, gibt er sie in die Obhut seiner Partnerin, die die ganzen Hintergründe der Tat aufdeckt. Alina kann es ihren Eltern ebenso wenig sagen wie ihrem deutschen Freund, denn erstens schämt sie sich selbst zu sehr und zweitens hat sie als Türkin in den Augen ihrer Verwandten keine Ehre mehr. Beim Gespräch mit ihren Eltern geht sogar Alinas Mutter auf sie los. Das hat seine Parallele in den männlichen Verwandten Marianne Belders. Ihr Bruder Erwin, Wolframs Zwilling, spaziert in ihr Krankenzimmer und knallt ihr eine. Er beschuldigt sie, selbst an ihrer Vergewaltigung schuld zu sein und den Tod ihres Mannes, seines Bruders, verursacht zu haben. Die Opfer haben also nicht nur den Schaden, sondern auch noch die Schuld – jedenfalls in den Augen ihrer Verwandten.

Man sollte meinen, der Autor wiederhole hier nur Klischees, die der Vergangenheit angehören, doch Ehrenmorde wie in Berlin und Vergewaltigungsopfer, die lieber schweigen als sich solchen Beschuldigungen auszusetzen, sprechen eine andere Sprache. Diese Verhaltensweisen scheinen immer noch tägliche Praxis zu sein. Das Schweigen schützt aber lediglich die Täter, nicht die Opfer. Denn diese würden sich am liebsten umbringen.

Vorurteile gegen Slawen

Die Gefahr wird thematisiert, dass der polnische Täter wieder nur alle Vorurteile gegenüber den östlichen Nachbarn bestätige. Das ist in der Tat so, und die aktuelle polnische Regierung tut im Moment alles, um Risse zwischen den deutsch-polnischen Beziehungen zu erweitern – zum Glück ohne Rückhalt in der polnischen Bevölkerung entlang der Grenze. Darüber hinaus bestätigt die Tatsache, dass die Autoschieberbande, die in der Eifel-Euregio ihr Unwesen treibt, ihre Beute nach Polen verhökert, den alten Witz, wonach der polnische Lieblingsvorname „Klau’s“ sei.

Schlecht vernetzte Polizeibehörden

Der Vergewaltiger und Mörder wird direkt vom weiblichen Kopf der Autoschieberbande gedeckt: Er ist ihr Bruder, und bekanntlich ist Blut dicker als Wasser. Auf diese Weise ist der eine Handlungsstrang mit dem anderen verknüpft. Und hier zeigt der Autor wie schon bei den Vergewaltigungen eine weitere Schwäche der professionellen Ermittler auf: Sie sind zu wenig mit den Dienststellen jenseits der Grenze vernetzt. Die geklauten Luxuskarossen stammen nicht aus Deutschland, sondern aus Belgien und Luxemburg. Dem Bürgermeister von Eupen, dem Hauptort der einzigen deutschsprachigen (!) Region im Pommes-Land, wurde sein Lexus frisch geklaut. Und wen kümmert das in Deutschland? Absolut niemanden. Die Luxuskarossen werden unbehelligt durchgeschleust.

Auf die Connection kommt es an

Nur gut, dass Alwin Schreer gute Verbindungen zu schwulen Journalisten und gesprächigen Nutten im nahen belgischen Eupen pflegt. Der Journalist liest Aachener und Nordeifeler Zeitungen und ist auf dem Laufenden. Sandrine, die nette Nutte, erzählt Alwin von diesem ungehobelten Polen, der mit ihrer Kollegin im Aachener Puff ohne Gummi verkehren wollte. Die „Jungs“ warfen ihn hochkant raus. Dabei fiel ihr ein Deutscher auf, der ihn in Empfang nahm. Was würde die deutsche Polizei für solche Informantinnen geben!

Stattdessen rastet der etwas betuliche Kommissar Welsch schon aus, wenn Alwin mal einen seiner PCs „ausleiht“, um ein paar Fotos auszudrucken und diese einem einsitzenden Zeugen zu zeigen, der nicht reden will. Diese Fotos bewirken ein Wunder, und die beiden bekommen eine romanwürdige Aussage. Hätte Welsch nur mehr auf Schreer gehört.

Vielleicht ist es nur Wunschdenken, und die deutschen Polizeibehörden sind viel mehr auf zack, als dies der Autor zu befürchten scheint. Doch angesichts weiterer Streichungen und Kürzungen von Stellen und Etats ist wohl eher anzunehmen, dass die Verhältnisse noch viel schlimmer sind beziehungsweise werden als hier geschildert.

Stil und Humor

Wie schon in diesem kurzen Überblick zu erkennen ist, verfügt der Autor über eine Menge Humor. Die ironischen Seitenhiebe fallen meistens auf die Polizei und dort in der Regel auf Kommissar Welsch. Aber da dieser ein alter Kumpel von Alwin Schreer ist, haben die Kabbeleien zwischen den beiden keine schwerwiegenden Folgen.

Der sprachliche Stil der Erzählung ist denkbar einfach. Die Sätze sind sehr kurz und in aller Regel einfach gebaut. Selbst ein BILD-Zeitungsleser, der unter einem „Zweitbuch“ ein zweites Sparbuch versteht, dürfte damit keine Schwierigkeiten haben.

Dennoch ist der Plot nicht allzu vorhersehbar. Die Sache mit den Autoschiebern kommt erst im letzten Drittel ans Tageslicht, und bis der Vergewaltiger gefunden und gestellt ist, muss der Hörer bis zum Schluss ausharren. Denn dieses Finale sollte wirklich erst am Ende kommen.

Der Sprecher

Julian Mehne liest den Text mit einer Stimme vor, die sprachliche Kompetenz verrät. Keines der Fremdwörter oder die vielen Ortsnamen bereiten ihm Schwierigkeiten. Allerdings kann er den Figuren keine eigene Charakteristik verleihen, wie es beispielsweise Rufus Beck möglich ist.

Was bei seinem Vortrag auffällt, ist das hohe Tempo, mit dem die Geschichte voranschreitet. Ob die ruhigen Passagen dem Rotstift zum Opfer fielen, kann ich nicht beurteilen, aber der Verdacht liegt nahe. Wenn es mal ruhig zugeht, dann nur im Krankenzimmer bei Marianne Belder.

Der Eindruck hohen Tempos wird noch durch die Nennung der Kapitelnummern verstärkt – sie rauschen nur so vorbei, und am Schluss sind es über zwei Dutzend Kapitel. Die geradezu spartanische Effizienz, mit der das Hörbuch produziert wurde, zeigt sich auch am Ende der Geschichte. Auf den üblichen Ausklang oder zumindest eine Absage wartet der Hörer vergeblich. Aus, fertig, basta.

Unnötig zu erwähnen, dass der Text weder von Geräuschen – und davon könnte ich mir eine Menge vorstellen – noch von Musik begleitet wird. Vielleicht findet ja bald ein deutscher Rundfunksender den Text interessant genug, um ihn zu einem mit Geräuschen und Musik versehenen Hörspiel zu verarbeiten. Action und Charakterköpfe gibt es ja genug, und einige heiße aktuelle Themen werden ebenfalls aufgegriffen. Und Streiter für das Gute und die Gerechtigkeit wie Alwin Schreer kann das Land immer gebrauchen.

Unterm Strich

Die Story ist rasant erzählt und fesselt den Zuhörer durch eine Menge spannender Actionhöhepunkte. Das Finale ist gekonnt herbeigeführt und abgeschlossen, da gibt es nichts zu meckern. Der Sprecher trägt den Text kompetent und mit der richtigen Betonung vor.

Was noch ziemlich ausbaufähig ist, sind die Charaktereigenschaften der Figuren. Kaum eine wird als glaubhaft erscheinender Mensch sichtbar, der Zuhörer muss sich noch vieles zu einer Figur hinzuphantasieren. Die Beschreibungen sind meist äußerlich – nun, das könnte auch für Karikaturen zutreffen. Hier sollte der Autor noch mehr nachliefern. Das würde ihm auch helfen, die Handlung nicht „action-driven“ zu entwickeln wie im vorliegenden Buch, sondern „character-driven“, also aus den Figuren heraus. Das erfordert jedoch viel Übung, Mut und Feingefühl. Ich bin aber überzeugt, dass der Autor über Letzteres verfügt und sich nur noch die Zeit nehmen muss, um zu üben, wie man Figuren zum Leben erweckt. Bislang zeigt sein Detektiv Schreer dazu die besten Ausgangspunkte.

Insgesamt bietet das Hörbuch spannende und humorvolle Unterhaltung für den geringen Obolus, den man für die drei CDs entrichten muss. Preis und Leistung stimmen, doch die Fähigkeiten des Autors lassen sich in den nächsten Büchern sicher noch ausbauen. Und seine Figuren dürften bei einer Antiraucherkampagne allesamt disqualifiziert werden. Denn fast alle rauchen wie die Schlote.

225 Minuten auf 3 CDs
www.hoerbuchnetz.de