Hillerman, Tony – The Fly on the Wall

_Politthriller: Reporter in der Todesfalle _

John Cotton ist ein Reporter im Capitol eines US-Bundesstaates. Als ein Kollege in der zentralen Eingangshalle zu Tode kommt, beginnt Cotton nachzuschauen, welcher großen Story der Kollege auf der Spur sein wollte. Er stößt in ein Wespennest und liest schon bald die Nachricht von seinem eigenen Tod …

_Der Autor_

Tony Hillerman (27.5.1925 bis 26.10.2008) war ein vielfach ausgezeichneter amerikanischer Kriminalschriftsteller und Autor von Sachbüchern über das Indianerland im Südwesten. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Krimis um die Stammespolizei der Navajos. Sie wurden regelmäßig verfilmt.

|Die Leaphorn-und-Chee-Reihe:|

1) The Blessing Way (1970) ISBN 0-06-011896-2
2) Dance Hall of the Dead (1973) ISBN 0-06-011898-9
3) Listening Woman (1978) ISBN 0-06-011901-2
4) [People of Darkness (1980)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8119 ISBN 0-06-011907-1
5) The Dark Wind (1982) ISBN 0-06-014936-1
6) The Ghostway (1984) ISBN 0-06-015396-2
7) [Skinwalkers (1986)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8152 ISBN 0-06-015695-3
8) A Thief of Time (1988) ISBN 0-06-015938-3
9) Talking God (1989) ISBN 0-06-016118-3
10) [Coyote Waits (1990)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8120 ISBN 0-06-016370-4
11) Sacred Clowns (1993) ISBN 0-06-016767-X
12) The Fallen Man (1996) ISBN 0-06-017773-X
13) [The First Eagle (1998)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8141 ISBN 0-06-017581-8
14) Hunting Badger (1999) ISBN 0-06-019289-5
15) The Wailing Wind (2002) ISBN 0-06-019444-8
16) The Sinister Pig (2003) ISBN 0-06-019443-X
17) Skeleton Man (2004) ISBN 0-06-056344-3
18) The Shape Shifter (2006) ISBN 978-0-06-056345-5

|Filmographie:|

1) The Dark Wind (1991)
2) Skinwalkers (2002)
3) Coyote Waits (2003)
4) A Thief of Time (2004)
5) Skinning the Night: American Mystery (DVD)

Die Übersetzungen der Krimis erscheinen bei Rowohlt.

_Handlung_

John Cotton ist seit neun Jahren ein erfahrener Parlamentsreporter im Capitol eines US-Bundesstaates. Der Mann aus Santa Fé sehnt sich zwar nach der reinen Wüstenluft seiner Heimat, doch das Geld muss er woanders verdienen. Hin und wieder bandelt er mit einer netten Frau aus dem riesigen Verwaltungsapparat des Capitols an. Derzeit ist Janet Janoski seine Favoritin, und sie ist neugierig, ob er ernstere Absichten hegt.

Wieder einmal stehen die Senatorenwahlen bevor, und jede Eingabe ins Landesparlaments wird mit Argusaugen beobachtet und unter dem Aspekt der Wahlkampftaktik bewertet. Gouverneur Roarks schärfster Rivale ist Senator Eugene Clark, und der macht eine Eingabe, um den Bau von Autobahnen zu verbessern. Keine große Sache, denkt Cotton zunächst, doch schon bald soll er seine Meinung ändern.

Am Ende dieses Tages torkelt sein Kollege Merrill McDaniels zur Bürotür herein, wo Cotton seine Sätze in das Telexgerät tippt, damit sie noch in die Abendausgabe der „Tribune“ kommen. Es ist ungefähr 21:30 Uhr, als Mac behauptet, er sei einer Riesenstory auf der Spur, deie einige Köpfe rollen lassen werde. Einen kleinen Teil davon werde er aus freundschaftlichen Gründen Cotton zukommen lassen. Kleine Dienste unter Brüdern sozusagen. Kaum ist Mac zur Tür hinaus, als ein anderer Typ Macs Notizblock sucht. Mit einem oder zwei davon zieht er wieder ab.

|Ein Tod im Haus|

Es ist 21:45 Uhr, und Cotton tippt gerade den letzten Absatz seines Berichts in die Telexmaschine, als er einen dumpfen Schlag hört. Er eilt hinaus und erkennt auf dem Boden der Rotunde der Eingangshalle einen dunklen Körper liegen. Als er die vier Stockwerke hinabsteigt und nähertritt, entdeckt er, dass es sich um die Leiche seines Freundes handelt. Kann Mac wirklich betrunken übers Geländer gefallen sein, fragt er sich? Sehr unwahrscheinlich.

Bei der Suche nach dem aktuellsten Notizblock Macs wird Cotton fündig – diesen hat der andere Typ nicht entdeckt, weil er hinter den Schreibtisch gefallen war. Rätselhafte Zahlen und Kurzschrift lassen Cotton grübeln. Am nächsten Tag berät er sich mit Janet Janoski. Mac war einer Sache dran, in deren Mittelpunkt das Straßenbauministerium stand. Mit Janet wird Cotton in den dortigen Archiven fündig: Hier sind die Zahlen, die sich Mac notierte. Aber was haben sie zu bedeuten? Allenfalls könnte man daraus ablesen, dass es einen korrupten Ingeneur namens H.L. Singer gibt, der für die Straßenbaufirma Reevis-Smith Bedarfe und Material manipuliert. Aber 90.000$ sind bei einem Gesamtbudget von 13 Mio. $ nur Peanuts. Wo soll hier Macs große Story sein, fragt sich Cotton.

|Ein Tod im Fluss|

Er sitzt gerade bei einer Partie Poker, als das Telefon klingt und eine Redaktion nach dem Verbleib von William Robbins, genannt Whitey, fragt. Wenig später bringt die Presseagentur Associated Press die Meldung, dass John Cotton mit seinem Wagen tödlich verunglückt sei. Zum Glück kann Cotton den Irrtum aufklären: Whitey hatte sich seinen Wagen geliehen. Diesen fand man in einem Fluss, nach dem Fahrer werde noch gesucht.

Ein Polizeibeamter gibt Cotton am folgenden Tag zu bedenken: War der Überholvorgang, bei dem Whitey in seinem, Cottons, Wagen auf einer Brücke von der Straße gedrängt wurde, vielleicht in Wahrheit ein Mordversuch, der wie ein Unfall aussehen sollte? Der Laster, der dafür benutzt wurde, wurde gestohlen, und zwar von einer Baufirma, die Cotton inzwischen gut kennt: Reeves-Smith. Allmählich weigert sich Cotton, an Zufälle zu glauben.

|Die „Bombe“|

Roarks rechte Hand Wingerd bittet Cotton zu sich. Er fragt, woran er und Mac arbeiten, denn dies sei eine besonders prekäre Zeit für Roark. Der Abgeordnete ist kurz davor, sich als Gegenkandidat zum Senatsposten des Bundesstaats aufstellen zu lassen. Quid pro quo, verspricht Wingerd, und Cotton erzählt ihm, woran er arbeitet. Keine große Story. Dennoch bietet ihm Wingerd einen Posten in Roarks Wahlkampfteam an. Cotton lehnt zu zögern ab – das sei nichts für ihn, selbst wenn er damit doppelt so viel verdienen könne.

Am Abend bekommt Cotton einen anonymen Anruf. Er hat gerade eine Zigarrenkiste auf seinem Esstisch geöffnet. Eine kleine Explosion war die Folge. Die Kiste enthält ein Foto, das Cotton von hinten zeigt. Man beobachtet ihn. Aber wer ist „man“? Der Mann am Telefon droht ihm, ihn umzulegen, sollte Cotton nicht am nächsten Morgen ins Flugzeug steigen und nach Hause zurückfliegen. Die kleine Explosion sei nur ein kleiner Vorgeschmack gewesen.

|In den Bergen|

Cotton nimmt die Warnung erst einmal ernst und fliegt zurück in seine Heimatstadt Santa Fé. Die uralte Geschichte der ältesten spanischen Gründung nördlich des Rio Grande ist überall vorzufinden, doch was fehlt, sind die Leute aus seiner Vergangenheit. Also tut er das, wozu er eigentlich hergekommen ist und fährt in die Berge zum Forellenangeln.

Seltsamerweise taucht hier genau jener Mann auf, der im Flieger sein Sitznachbar war und mit ihm so leutselig geplaudert hat. Er nennt sich Adams und will ein Handelsvertreter sein, so harmlos, dass John ihm seinen Zielort an einem bestimmten Forellenbach verriet. Aber, so fragt sich John nun, wieso trägt Mr. Adams nun eine roten Jägerjacke und hält ein Scharfschützengewehr mit Zielfernrohr im Anschlag – und ausgerechnet da, wo John angelt?

Ein tödliches Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Doch Cotton hat den Vorspiel, die örtlichen Gegebenheiten zu kennen – und eine Angelrute zu besitzen, die sich geschickt einsetzen lässt …

_Mein Eindruck_

Das Thema dieses sehr frühen Roman von Tony Hillerman aus dem Jahr 1970 – damals war er immerhin erst 45 – ist das Berufsethos des Reporters. Der Originaltitel gibt das Ideal vor: Die Fliege an der Wand – sie sieht und hört alles, ist aber unparteiisch und berichtet objektiv. John Cotton wird jedoch zur Zielscheibe von finsteren Hintermännern und muss feststellen, dass er Teil seiner eigenen Story geworden ist. Nun ist er nicht mehr die Fliege an der Wand, sondern alles, was er zu berichten hat, ist quasi mit Vorbehalt versehen.

Er versucht sich durch Beschaffung von weiteren Beweisen und Zeugenaussagen aus dem Netz zu befreien, das sich immer enger um ihn zusammenzieht. Wem kann er noch vertrauen, wer wurde noch nicht gekauft? Er vertraut sich seinem Chefredakteur an, einem kalten Hund, er vertraut sich Janet Janoski an, die gerüchteweise die Geliebte des Gouverneurs Roark ist. Wird sie sein Manuskript seinem Chefredakteur übergeben, fragt er sich, als er zur letzten Station seiner Suche nach der Wahrheit fährt – was sich als fataler Irrtum herausstellt …

Das Ideal des objektiven, unvoreingenommenen Reporters lässt sich nach diesem Finale nicht mehr aufrechterhalten. Letztlich ist auch der Reporter Teil jener Gesellschaft, die er über dunkle Machenschaften aufzuklären versucht. Cottons Hoffnung besteht darin, dass die Wahrheit, die er zu transportieren hofft, zur politischen Willensbildung beiträgt. Das ist ein Trugschluss, wie sich zu seinem Leidwesen erweist. Selbst der einzige Mensch, dem er Unparteilichkeit unterstellt, ist nämlich einer der Drahtzieher. John Cottons Leben hängt an einem seidenen Faden. Und dieser Faden heißt Janet Janoski.

|Die drei Tage des Cotton|

Das Buch hat mich an Sydney Pollacks Paranoiathriller „Die drei Tage des Condor“ aus dem Jahr 1975 erinnert. Der Film erschien zwei Jahre nach der Watergate-Affäre, Hillermans Roman drei Jahre davor. Dennoch geht es jedes Mal um Korruption und dunkle Machenschaften, mal in der Landesregierung, mal in den Geheimdiensten der USA. Beides Mal erscheint die Demokratie, wie sie von den Gründervätern geplant worden war, also völlig pervertiert und unterminiert. Nicht das Volk (griechisch „demos“) herrscht („kratein“), sondern die Behörden, die es geschaffen hat, um es zu regieren und zu schützen.

SPOILER!

Die Spur, der John Cotton folgt, führt zunächst zu den Behörden, die den Bau der Autobahnen leiten und ausführen. Doch mit dem Beton, der dabei benutzt worden sein soll, wurden auch Straßen für Ferienanlagen erstellt. Ferienanlagen, die einer privaten Organisation gehören. Wieso sollten Steuergeldern in Privattaschen fließen, fragt sich Cotton, wenn nicht zur persönlichen Bereicherung von Hintermännern, die womöglich etwas mit der Mafia in Chicago zu tun haben?

Doch der Wahnwitz hat damit kein Ende, denn letzten Endes, so erfährt er, dient diese Konstruktion dazu, den Wahlkampf Roarks um den Senatorenposten zu bezahlen. Nun stellt ihn sein Gewährsmann vor die Wahl: Wer ist der bessere Mann – Roark oder Clark, der eindeutig für das organisierte Verbrechen arbeitet? Wird John Cotton, der am liebsten ein unparteiischer Beobachter wäre, die richtige Wahl treffen? Oder wird man ihm diese Wahl aus der Hand nehmen?

_Unterm Strich_

Der Einstieg in diesen frühen Krimi Hillermans war äußerst schwierig. Wer sich nicht mit den Bezeichnungen für die politischen und parlamentsbürokratischen Posten auskennt, sollte gar nicht erst damit anfangen. Zum Glück habe ich damit bereits ein wenig Erfahrung, v. a. durch Jeffrey Archer Parlamentsthriller. Außerdem ist es hilfreich, ein wenig über die zwei großen Parteien der Republikaner und Demokraten B escheid zu wissen.

Dass der Autor nie sagt, in welcher Stadt John Cotton arbeitet, macht meines Erachtens nichts. Man kann sich schnell ausrechnen, dass mit den Twin Cities, in der seine „Tribune“ erscheint, die Doppelstadt Minneapolis & St. Paul am Missouri gemeint ist. Folglich erscheint es plausibel, dass im dortigen Norden meist ein kaltes Sauwetter herrscht.

Es steht in krassem Gegensatz zu dem sonnigen Santa Fé, nach dem sich Cotton sehnt. Die Episode in der Mitte des Buches, die dort spielt, bildet szenisch wie auch sprachlich einen Gegenpol zum Rest des Buches: friedliche Natur pur, in die der Mensch wie ein Raubtier einbricht. Aber nun verfügt John Cotton quasi indirekt über den Beweis, dass die Sache, hinter der er her war, kein kleiner, sondern ein großer Fisch ist – sozusagen eine Riesenforelle. Das Finale war so packend, dass es mich vom Schlafengehen abhielt – was nicht jeden Tag vorkommt.

Ein Glück nur, dass sich Hillerman von dieser Art der Paranoia-Literatur der siebziger Jahre losgerissen hat. Vielleicht war die Konkurrenz durch Joseph Heller und Norman Mailer zu groß, aber er fand in der Landschaft von New Mexico, in der Santa Fé liegt, das ideale Terrain für seine Indianerkrimis um Jim Chee und Joe Leaphorn.

„The fly on the wall“ ist meines Wissens noch nicht übersetzt worden. Es gibt auch keine wirkliche Notwendigkeit dafür, denn erstens ist das hier geschilderte Milieu für einen deutschen Leser schwierig zu verstehen, zweitens erscheint mir das Thema der politischen Korruption in Regierungskreisen mittlerweile als wenig relevant. Das kann sich aber mit dem nächsten Korruptionsskandal schon wieder ändern – man denke nur an die schwarzen Kassen der CDU, für die einst Kanzler Kohl vor dem Ausschuss des Bundestages aussagen musste.

Englisch-Niveau: Erfordert beste Sprachkenntnisse des amerikanischen Englisch.

|Taschenbuch: 338 Seiten
ISBN-13: 978-0061000171|
http://harpercollins.com

_Tony Hillerman bei |Buchwurm.info|:_
[„Das Labyrinth der Geister“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1302
[„Das goldene Kalb“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1429
[„Dunkle Kanäle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1478
[„Die Nacht der Skinwalkers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1624
[„Der Skelett-Mann“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=2631

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