Irland: Mythologie, Religion und Politik

Inhaltsstruktur

* Prolog
* Maeve und der Fluch von Ulster
* Politischer Abriss der Geschichte Irlands
* Interview mit John Anderson (Priester der Church of Ireland)
* Epilog
* Literaturempfehlungen
* Weiterführende Informationen

Prolog

Irland scheint seit Jahrzehnten, wenn nicht schon seit Jahrhunderten, Schauplatz eines christlichen Glaubenskrieges zu sein. Die irische Republik, die gemeinhin als katholisch gilt, erlebt seit vielen Jahren einen Tourismusboom, welcher der Bevölkerung wirtschaftlichen Aufschwung brachte und weswegen den Touristen auch sehr freundlich und aufgeschlossen begegnet wird. In Nordirland dagegen, welches als protestantisch gilt und das noch unter dem Einfluss der englischen Krone steht, besteht im Vergleich zur südlichen Republik geradezu Wohlstand. Dennoch sieht man hier viel weniger Touristen, denn Nordirland gilt als Kriegsschauplatz. Jahrzehnte bombte hier die IRA und trotz des in den letzten Jahren in Gang gekommenen Friedensprozesses beherrschen jeden Sommer, wenn die Märsche der Protestanten und Katholiken stattfinden, die Meldungen von gewaltsamen Anschlägen die Nachrichten.

Der Anlass, dieses eigentlich politisch erscheinende Problem zu behandeln, liegt darin, dass es wichtige Fragen des Christentums berührt.
Kämpfen hier tatsächlich Katholiken gegen Protestanten oder findet in Wirklichkeit etwas anderes statt? [Berthold Röth]http://www.powermetal.de/redaktion/anzeigen.php?redakteur=68 und Katrin Büker führten aus diesem Grund in Nordirland ein Interview mit einem protestantischen Pfarrer.

Zum globaleren Verständnis und zur thematischen Einstimmung erscheint es allerdings sinnvoll, zuvor eine Betrachtung nichtchristlicher Aspekte zu unternehmen. Zuerst möchten wir eine bekannte Legende aus der Mythologie Nordirlands (Ulster) wiedergeben und dann auch, in gebotener Kürze, einen groben Abriss der politischen Geschichte des Landes präsentieren. Nach dem Interview selbst folgt noch eine abschließende Betrachtung der politischen Situation.
Doch nun tauchen wir erst einmal ein in die Legendenwelt des mythenreichen Irlands:

Maeve und der Fluch von Ulster

Maeve ist die heroische Frauengestalt in der irischen Mythologie, die starke, unerbittliche Königin, vor der sogar die Erde erbebt.

Ein starker Prinz und Held des Volkes der Sidhe hielt um die Hand ihrer Tochter an. Der König an Maeves Seite fand diese Liaison gut, doch Maeve war beleidigt, da er nicht um ihre eigene Hand angehalten hatte. Es war die Zeit des Matriarchats und die Frauen konnten offen mit mehreren Männern ihre Sexualität ausleben. Sie stellte hohe, unerfüllbare Bedingungen, die dieser ablehnte. Aufgrund einer Intrige wurde er später von einem von Maeves Ungeheuern, über die sie befahl, schwer verletzt. Er überlebte nur, da ihm Maeves Tochter das Leben rettete. Dreimal fünfzig Frauen seines Volkes kamen ins Gebiet von Maeves Herrschaft, allesamt Priesterinnen und Heilerinnen, und innerhalb einer einzigen Nacht war er genesen.

Es war weiterhin nicht einfach in der Brautwerbung, Maeve blieb kalt und unerbitterlich. Sie zwang ihn – unter dem Vorwand, ihre Tochter zu beschützen – in die Kriegsvorbereitungen gegen das Volk von Ulster unter König Conchubar, da sie den „Braunen Stier von Cuilgne“ begehrte und gewaltsam in ihren Besitz bringen wollte. Dieser war der berühmteste Stier neben dem weißen Stier, den Maeve bereits besaß. Natürlich waren das mehr als gewöhnliche Stiere und sie stehen für die Erinnerung an das Zeitalter des großen Stierkultes. Königin Maeve und der König hatten das, was wir heute Gütertrennung nennen, und Maeves Besitz, die schon als Tochter des Großkönigs in die Ehe gegangen war, war dem ihres Gatten ebenbürtig. Die beiden Heere versammelten sich in der Nähe von Ulster und schon zu dieser Zeit waren die Krieger von Ulster geschwächt, da bereits der Fluch von Macha auf ihnen lag.

Über Macha gibt es zu viele Geschichten. Sie ist eine der großen Kriegsgöttinnen Irlands, die sich immer wieder inkarniert. Ihr besagter Fluch über Ulster geht auf folgende Begebenheit zurück: Müde von all ihrem bisherigen Wirken, ging sie unerkannt zu einem einfachen Mann aus Ulster, dessen Frau verstorben war und ihm die gemeinsamen Kinder zurückließ. Lange Jahre lebte sie im Verborgenen mit ihm und er erkannte mit der Zeit, wer sie wirklich war, schwor aber, es niemanden zu sagen. Eines Tages, als sie von ihm schwanger war und kurz vor der Entbindung stand, ging er alleine zu einem großen Fest des Königs von Ulster und trank zu viel Wein. In betrunkenem Zustand prahlte er, dass seine Frau schneller als alle Pferde Ulsters sei. Er wurde gefangen genommen und mit dem Leben bedroht, falls er nur geprahlt hätte. Macha wurde zum Königshof geschleppt. Sie wollte hochschwanger nichts unter Beweis stellen, aber der König von Ulster war unerbitterlich und forderte den Wettstreit. Macha beschwor das Volk, ihr beiseite zu stehen, aber es gab keinen, der Mitleid mit ihr gehabt hätte. So sagte sie zu, das Leben ihres Mannes zu retten, dafür aber niemals danach wieder zu ihm zurückzukehren. Das Rennen ging in die irische Folklore ein. Sie gewann unter Schweiß und Blut und gebar am Ziel einen Knaben und ein Mädchen – Machas Zwillinge. Sie verfluchte daraufhin alle Männer von Ulster bis in die kommenden Generationen.

Zurück zu den späteren Ereignissen: An der Seite der Männer von Ulster kämpfte gegen Maeve der größte Held der irischen Mythologie, Cuchulain, der kein Sterblicher, sondern der Sohn des Gottes Lugh war. Es war Machas Fluch, der ihn zwang, Ulster allein zu verteidigen.
Und es war ebenso ihr Fluch, der die Männer von Ulster später daran hinderte, ihm zu helfen, als er seinen einsamen Tod fand. Er allein verteidigte die Grenzen von Ulster und immer mehr von Maeves Kriegern wurden getötet. In letzter Auswegslosigkeit bot Maeve ihm die Tochter zum Lohn und diese willigte gegen ihre Herzensgefühle ein, um ihr eigenes Volk zu erretten. Dieser verschmähte sie, aber der Tauschhandel hatte sein Interesse geweckt. Er wollte nun an ihrer Stelle Maeve, die Mutter und Königin, selbst.

Allen möglichen Helden versprach daraufhin Maeve die Tochter zur Frau, wenn sie nur Cuchulain besiegen würden. Der Prinz der Sidhe, der um die Hand der Tochter angehalten hatte, war längst aufgrund all der Konflikte und des nicht endenden Blutvergießens spurlos verschwunden und hatte seine Liebespläne fallen gelassen. Maeves Tochter blieb begehrt, aber sie wollte niemanden und durfte auch nicht, denn sie war dem Willen ihrer Mutter ausgeliefert. Dann kam der Tag, an dem sie sich in einen Feldherrn aus dem feindlichen Ulsterland verliebte. Da kam Maeve ein neuer Schlachtplan in den Sinn. Sie redete ihrer Tochter zu, diesen Mann zu nehmen. Der Plan gelang und der Feldherr war der Tochter über alles ergeben. Er zog seine Heere ab und glaubte daran, wenn der Frieden danach käme, die Tochter heiraten zu können.
Insgeheim hatte aber Maeve auch schon zwölf Königen, die mit ihren Kriegern an ihrer Seite gekämpft hatten, die Tochter zur Frau versprochen, wenn der Sieg und Friede gekommen sei. Als sie das nun gegenseitig erfuhren, ging das Gemetzel um die Königstochter untereinander los. Als die Königstochter das fließende Blut und die Toten unter den Freunden sah und erkannte, dass sie der Grund dafür war, brachte sie sich aus Verzweiflung um.

Die Königin Maeve, heißt es, wurde später unter einer riesigen Steinpyramide auf dem Gipfel des Knocknarra begraben, der, in ganz Sligo sichtbar, bis heute nicht ausgegraben wurde. Die Königsburg von Ulster befand sich im Zentrum Nordirlands. Heute kann man in der Nähe von Armagh den mit Gras bewachsenen Ring einer großen Hügelfestung sehen. Diese wird Navan Fort genannt.

Politischer Abriss der Geschichte Irlands

Die einzige Art und Weise, den Konflikt um Nordirland heutzutage zu beschreiben, ist zu behaupten, es tobe ein Gotteskrieg zwischen Katholiken und Protestanten. Tatsächlich steht aber weder die Missionierung der jeweils anderen Gruppe im Vordergrund, noch streiten Protestanten in Nordirland um die Interpretationen von Enzykliken oder Glaubenssätzen. Obwohl der Konflikt die beiden Glaubensgruppen voneinander abgrenzt, hat er eigentlich keinen religiösen Charakter. Die Katholiken begreifen sich als Iren und wollen eine ganze Republik inklusive ihres Nordens, die Protestanten sehen sich als Briten und fühlen sich Großbritannien zugehörig.

Die Spuren Irlands reichen lange vor das Christentum zurück. Die gälischen Kelten eroberten Irland erst gegen 350 vor Christi. Die vermeintlichen Ureinwohner sind also die ersten bekannten Eroberer. Ab dem 5. Jahrhundert begann der Heilige Patrick das Christentum zu verbreiten und machte aus der Bevölkerung eines der strenggläubigsten Völker der Welt. Einen einheitlichen irisch-keltischen Staatsverband gab es zu keiner Zeit, mehrere Königsreiche bekriegten sich ständig untereinander. Im 12. Jahrhundert landeten die Normannen in Irland, besiegten die Kelten und brachten Irland unter die normannische Krone. Sie vermischten sich aber mit diesen und die keltische Kultur blieb erhalten. Im 16. Jahrhundert versuchte die englische Krone, Irland zu Großbritannien zurückzubringen. Die Kelten und Normannen akzeptierten das, wollten aber nicht die Weise des englischen Christentums übernehmen. Dadurch wurde Irland für Großbritannien zum Einfallstor der Gegenreformation und potenziellen Verbündeten für die Feinde Englands: Spanien und Frankreich. Ab diesen Zeitpunkt waren die Iren zum Spielball zwischen Anhängern und Gegnern der Reformation geworden. Königliche Truppen besiegten zusammen mit loyalen keltischen Stämmen 1601 das Königreich der O`Neills in Ulster, dem heutigen Nordirland. Das Königshaus floh nach Rom und König Elisabeth teilte Ulster unter Siedlern aus England und Schottland auf. Dies waren allesamt reformierte Protestanten. Diese Ansiedlung, die sich von 1608 bis 1610 vollzog, war der Ausgangspunkt der heutigen Auseinandersetzungen. 1641 nahmen die enteigneten (katholischen) Iren Rache an den protestantischen Siedlern und ermordeten mehr als 12.000 Protestanten in Ulster. In England herrschte gleichzeitig Krieg zwischen Krone und Parlament. Die Iren kämpften an der Seite der Krone gegen die protestantischen Siedler, die von Oliver Cromwells Parlamentsarmee unterstützt wurden. Zwischen 1689 und 1691 unternahm der abgesetzte englische König James II. von Irland aus den Versuch, die Macht in London zurückzuerobern. Die Truppen des katholischen James unterlagen in der Schlacht von Boyne 1690 dem protestantischen Wilhelm von Oranien.

Für Protestanten wie Katholiken in Irland ist diese Zeit ein Trauma. Die protestantischen Nachfahren feiern die Siege von Oliver Cromwell und Wilhelm von Oranien noch heute mit den jährlichen Paraden als Rettung vor dem katholischen Genozid; die Katholiken sehen den protestantischen Triumph im 17. Jahrhundert als Beleg für die britische Unterdrückung.

Geschichtlich gesehen, übte die protestantische Minderheit, die „gesiegt“ hatte, tatsächliche Willkür gegen die übrige irische Mehrheit. Diese wurde vom gesamten öffentlichen Leben ausgeschlossen. Die irischen Katholiken lebten fortan am Rande der Gesellschaft, verarmten, litten Hunger und arbeiteten als rechtlose Landarbeiter. Diese drakonische Bestrafung der Iren entfremdete sie dem englischen Königshaus, dem sie bislang loyal gewesen waren. Die englische Krone nahm ihnen 1728 das Wahlrecht. Der Kauf oder die Pacht von Farmland war ihnen verboten. Die Protestanten wurden immer mehr zur gehobenen Klasse, deren Leben sich nicht mehr von denen der Engländer unterschied. Die Katholiken bildeten Geheimbünde, die sich wie einst „Robin Hood“ zu wehren begannen.

1798 beginnt die Geschichte des irischen Republikanismus, als 30.000 Menschen ihr Leben verloren. Wohlhabende Presbyterianer hatten, begeistert von der Französischen Revolution, einige Jahre zuvor eine Bewegung für ein nationales, einiges Irland gegründet. Die Katholiken hatten zu dieser Zeit noch immer kaum Anteil am öffentlichen Leben. Und als England in den Krieg gegen Frankreich trat, sahen diese Iren ihre Chance und nahmen Kontakt zur französischen Revolutionsregierung auf und begannen den offenen Bürgerkrieg. Französische Flotten, die ihnen zu Hilfe kommen wollten, scheiterten wegen der Seestürme und kamen zu spät. Die Rebellion war bereits niedergeschlagen. Den damaligen Iren ging es gar nicht einmal um den Kampf gegen England, es war ein Armenaufstand ums nackte Überleben. Protestantische Iren standen wieder auf der Seite der englischen Armee gegen katholische Iren. Die erste Loge des protestantischen Oranierordens wurde gegründet, ganz Irland gehörte wieder zur britischen Krone. Zwischen 1845 und 1848 war das Elend so groß, dass es zur berüchtigten „Großen Hungersnot“ kam, die für die heutigen republikanischen Iren noch immer der endgültige Beweis englischer Unterdrückung darstellt. Ein Pilzvirus vernichtete den größten Teil der Kartoffeln und die gesunden Kartoffeln wurden allesamt nach England exportiert. Dieser versuchte Genozid brachte einer Million katholischer Iren den Hungerstod.

Zum Kämpfen waren die ausgehungerten Iren nicht mehr in der Lage. Aber in den Jahren danach begann immer wieder neu der Widerstand, der sich bis heute fortsetzt. Zwar errangen sie dadurch politisch auch immer wieder Zugeständnisse, doch diese mussten erkämpft werden. 1912 begannen die nordirischen Protestanten eine eigene Armee, die Unionisten, aufzustellen, die Englands Truppen zur Seite stand. Aber ihnen ging es nicht um die Unterstützung Englands, sondern in erster Linie um die Bekämpfung eines unabhängigen irischen Nationalstaates. Immerhin ging ihnen durch die sozialen Leistungen Englands weiterhin immer besser. 1913 gründeten daraufhin die Katholiken im Prinzip die heutige IRA.

1914 stand Irland erneut vor dem Bürgerkrieg. Der Kriegsausbruch zwischen England und Deutschland verhinderte dies. Beide irische Seiten stellten sich auf die Seite Englands. Die Katholiken erhofften dafür Belohnung und Autonomie. Als es klar wurde, dass das fruchtlose Phantasien bleiben, wechselten sie schnell das Lager und nahmen Kontakt zur deutschen Reichsregierung auf. Die Deutschen versprachen Waffenlieferungen. Die Iren begingen wieder offenen Aufstand und verloren erneut, die Waffen kamen nicht rechtzeitig an. 1916 wurden die Führer des Widerstandes in Dublin hingerichtet. Mittlerweile durfte aber wieder gewählt werden und die irischen Nationalparteien eroberten ihre demokratischen Sitze. Die Sinn Fein war auf Erfolgskurs. Die Mehrheit wählte sie, nur in Nordirland blieben sie natürlich in der Minderheit. Die nationale irische Republik wurde 1919 verkündet, aber auch diese musste gewaltsam erkämpft werden. England war zunehmend erstaunt über die plötzlichen militärischen Erfolge der Iren. 1921 konnten zwei unabhängige irische Parlamente gewählt werden. Das war die Geburtsstunde des heutigen Nordirlands. 1922 wurde der irische Staat gegründet, dessen Bevölkerung bis heute die Anerkennung einer wählenden Minderheit als eigenen Staat nicht verstehen kann. Um das Blutvergießen zu stoppen und die fortwährenden Kämpfe zu beenden, erkannte das irische Parlament schließlich die Zugehörigkeit Nordirlands zum Vereinigten Königreich auch im Rahmen des internationalen Rechts an. Diese offizielle Linie hält für die Republik zumindest seither den Frieden. Es ist aber klar, dass es genügend andere irische Parteien und Gruppierungen gibt, die seitdem immer wieder für einen gesamtirischen Nationalstaat eintreten. Die Gruppen, die gewaltsam dafür kämpfen, sind bis heute völlig uneinsichtig und äußerst kompliziert zu verstehen. Seit 1969 tobt der Bürgerkrieg der IRA gegen Nordirland und lodert selbst während des Friedensprozesses der jüngsten Jahre immer wieder gefährlich auf.

Die englandtreuen Nordiren sind selbst heute nicht davon zu überzeugen, dass für Irland eine eigene Gesamtnation das Vernünftigste und Naheliegendste sein könnte. 1921 wurde die Insel in sechsundzwanzig Grafschaften geteilt, die nicht mehr zum Vereinigten Königreich gehörten, und in sechs Grafschaften im Norden, die bis heute als Nordirland zu Großbritannien gehören. Daran hat sich nichts Wesentliches mehr geändert.

Dies war nun ein Überblick der politischen Entwicklung für das Verständnis der Grundsituation in Irland. Zuvor standen aber noch die mythologischen „Fakten“ aus der vorchristlichen Frühgeschichte. Es scheint, dass in Wahrheit Ulster bis heute einfach nur verflucht sein dürfte. Das Blutvergießen und Morden unter dem eigenen Volk reißt nicht mehr ab. Macha`s Fluch ist ungebrochen.

Um die Sichtweise eines Vertreters des gegenwärtigen Christentums zu diesen Konflikten betrachten zu können, entstand das folgende Interview.

Interview mit John Anderson (Priester der Church of Ireland)

Berthold & Katrin:
Dein Name ist John Anderson. Du bist Pfarrer der „Kirche von Irland“. Was für eine Kirche ist das? Hängt sie zusammen mit der „Kirche von England“?

John:
Die „Kirche von Irland“ ist Teil der anglikanischen Kirchengemeinschaft. Vor langer Zeit waren die „Kirche von Irland“ und die „Kirche von England“ eins, eine vereinte Kirche. Doch dann, im letzten Jahrhundert, wurde die „Kirche von Irland“ selbstständig. Der vorherige Zusammenschluss war dann nicht mehr Staatskirche von Irland und seitdem ist die „Kirche von Irland“ quasi die Schwesterkirche der „Kirche von England“, aber eine unabhängige Schwester.

Berthold & Katrin:
Mit 24 Jahren bist du der jüngste ordinierte Priester der „Kirche von Irland“. Schließt das auch die Republik Irland mit ein?

John:
Das tut es in der Tat, ja.

Berthold & Katrin:
Eure Kirche ist protestantisch, doch ihr habt das selbe Glaubensbekenntnis wie die katholische Kirche. Beide Kirchen beziehen sich in ihrem Glaubensbekenntnis auf die „heilige katholische Kirche“. Wo liegt der Unterschied?

John:
(lacht)… Hmm… das ist eine schwierige Frage.
Das Glaubensbekenntnis der Apostel wird von vielen Kirchen der Erde beibehalten und besonders hier in Irland. Doch wenn wir das Glaubensbekenntnis sprechen, sagen wir, dass wir an eine heilige katholische und apostolische Kirche glauben. Wir bestätigen damit unseren Glauben an ein ursprüngliches christliches Fundament, unabhängig von Raum und Zeit.
Und wirklich liegt der Unterschied zwischen katholischem und protestantischem Glauben mehr in den Strukturen und der Organisation der Kirchen als in irgendwelchen fundamentalen Glaubensunterschieden.

Berthold & Katrin:
Die katholische Kirche treibt einen großen Kult um die Person der Maria. Worauf begründet sich deiner Meinung nach diese Verehrung?

John:
Oh, die ganze Maria-Idee, ihre zentrale Funktion in der Kirche und ihre Verehrung wurde über die Jahre in der katholischen Tradition immer stärker. Auch die protestantische Tradition ignoriert Maria keineswegs. Sie hat eine sehr wichtige Rolle, welche von den ersten Kirchenvätern als Mutter Gottes definiert wurde, und daher darf sie nicht ignoriert werden. Aber nun ja, es ist schwierig zu erfassen, zumindest mir fällt es schwer zu verstehen, warum solch großer Nachdruck, solch eine Marienologie in der katholischen Kirche betrieben wird.

Berthold & Katrin:
Nur um es noch einmal deutlich zu machen. Die irischen Katholiken sind römisch-katholisch, sie betrachten den Papst als Kopf der Kirche?

John:
Ja, in Irland, denke ich, haben wir zwar die verschiedensten Namen, doch wenn wir von „katholisch“ sprechen, meinen auch wir in der Regel die römisch-katholische Kirche. Der Ausdruck „katholisch“ an sich hat aber auch die Bedeutung von „universal“ und „weltweit“. So könnte ich mich selbst genauso auch als anglikanisch-katholisch bezeichnen. Natürlich stelle ich mich als Anglikaner vor.

Berthold & Katrin:
Wie alt ist die Kirche von Irland? Sie geht ja zurück auf St. Patrick, der das Christentum nach Irland brachte. Wer war er und wann kam er nach Irland?

John:
St. Patrick kam im Jahre 430. Er war vom Papst und der englischen Kirche beauftragt. Er verbreitete das Evangelium zuerst an der irischen Westküste, reiste dann durchs ganze Land und gründete Kirchen und Konvente und immer mehr Menschen schlossen sich seinem Glauben an.

Berthold & Katrin:
Wie alt ist die irische Kirche selbst? Patrick kam also etwa 430 und begann mit der Missionierung. Aber ab wann kann man von einer wirklichen Kirche mit ihren Strukturen sprechen und war diese damals auch römisch-katholisch?

John:
Ja, die Strukturen der Kirchen entwickelten sich in der westlich-christlichen Welt allesamt erst, nachdem Jesus gekreuzigt wurde. Zu der Zeit, als St. Patrick nach Irland kam, wurde das ausschließlich von der päpstlichen Zentrale in Rom gesteuert. Sobald er missionierte, kann man auch von einer Kirche in Irland sprechen, auch wenn sich das alles erst über die kommenden Jahrhunderte hinweg klarer strukturierte. Alle Sukzessionslinien gehen auf die Arbeit von St. Patrick zurück.

Berthold & Katrin:
Es wird gesagt, dass Irland das einzige Land in der Welt sei, das friedlich missioniert wurde. Es gab keine Kriege, keine Märtyrer. Wir interpretieren das als ein freiwilliges positives Akzeptieren des christlichen Glaubens durch die heidnische Bevölkerung. In esoterischen Kreisen wird gesagt, dass auch die Druiden die neue Religion unterstützt hätten. Ist das wahr und in welcher Weise haben Elemente des keltisch-heidnischen Glaubens in der Kirche überlebt?

John:
Ja, ich stimme dem zu, dass die irische Missionierung friedlich verlief. St. Patrick hatte aber dennoch auch anfängliche Probleme. Er musste seine Position vertreten können. Es gibt die Legende von der Begebenheit am Shamrock, wo er geprüft wurde von den irischen Hochkönigen von Tara. Er musste den Glauben an den alleinigen Gott begründen. Wie lautete der Rest der Frage?

Berthold & Katrin:
Welche Elemente des Heidentums in der irischen Kirche bis heute überlebt haben. Vielleicht im Gegensatz zu anderen christlichen Kirchen.

John:
Vor allem im Namen. Wir sprechen von einem keltischen Christentum. Das weist auf eine Besonderheit des von St. Patrick begründeten Christentums hin und grenzt es ab von den Strukturen der zentralen römisch-katholischen Kirche, wie sie in anderen europäischen Ländern gegeben sind. Das entstand in dieser Form aber noch nicht zu der Zeit, in welcher St. Patrick gelebt hatte. Das passierte alles erst in der daraus entstehenden Kirche. Ich weiß nur sehr wenig darüber. Ich kann nicht sagen, was von einem heidnischen Glauben bis heute überlebt oder wo sich was vermischt hätte.

Berthold & Katrin:
Als Deutsche sind wir sehr überrascht darüber, dass es in Nordirland eine so große Vielzahl christlicher Kirchen gibt. Wir dachten, da gebe es auf der einen Seite die Protestanten und ihnen gegenüber die Katholiken und dass diese beiden im Gegensatz zu anderen Ländern Europas sehr getrennt voneinander bestünden. Aber wir sehen nun eine Aufsplitterung der Protestanten in Baptisten, Methodisten, Presbyterianer, freie Presbyterianer. Vergesse ich noch welche? Welche Positionen vertreten so viele verschiedene Kirchen gegeneinander?

John:
Die protestantischen Kirchen haben sich überall zersplittert. Das passiert seit Beginn der Reformation. In Irland, speziell in Nordirland, hat jede Zeit ihre Anzahl von neuen protestantischen Kirchen mit sich gebracht. Es sind viele sehr kleine Zusammenschlüsse, in kleinen Kirchenhäusern, organisiert wie kleine Geschäfte. Diese sind unbedeutend. Bedeutend sind nur die etablierten alten Kirchen wie die Presbyterianer, Methodisten, die Kirche von Irland, auch die Baptisten. Aber diese stehen alle unter dem universellen Glauben, der sie wieder vereint und nicht voneinander trennt. Nur die vielen kleinen sind sehr unabhängig und arbeiten auf nicht-universaler lokaler Ebene.

Berthold & Katrin:
Mit etwas besorgten Augen schaut das Ausland auf Nordirland und dessen politische Auseinandersetzungen. Sehr interessiert wird der gegenwärtige Friedensprozess beobachtet. Seit Jahren gibt es diesen Bürgerkrieg, in welchem die IRA die Katholiken repräsentiert und die Briten die protestantische Seite. Ist denn dieser Konflikt hier tatsächlich eine Frage verschiedener Glaubenssysteme oder Religionen? Oder gibt es da noch ein anderes Geheimnis? Könntest du den Hintergrund des Krieges aus deiner Sicht beschreiben, denn nach Gesprächen mit vielen verschiedenen Menschen in Irland haben wir den Eindruck, dass niemand in der Lage scheint, darauf eine wirkliche Antwort geben oder überhaupt den Konflikt verstehen zu können.

John:
Ja, es ist schon sehr emotionalisierend, überhaupt den Terminus „Krieg“ zu verwenden. Zu automatisch machen das die meisten. Es ist so, dass wir einen Konflikt haben, den man aber nicht Krieg nennen darf. Wir können auch nicht sagen, die IRA würde die Katholiken repräsentieren und die Loyalisten die Protestanten. Es ist stattdessen so, dass das Land verschiedene politische Identitäten hervorgebracht hat, die sich irgendwie mit den religiösen Identitäten vermischt haben. Dadurch kann das nicht mehr so einfach voneinander getrennt werden. Der Kampf, wie er sich in den letzten 30 Jahren entwickelt hat, ist aber mehr ein politischer Konflikt zwischen Republikanern, Nationalisten, Unionisten und Loyalisten. Die verschiedenen Kirchen werden einfach von diesen politischen Aktivisten benutzt.

Berthold & Katrin:
In welcher Weise beteiligen sich die Kirchen am Friedensprozess? Was macht deine Kirche?

John:
Die Kirche von Irland sieht sich selbst als britische Kirche mit sowohl protestantischer wie katholischer Reform und Apostolik. Die Kirche von Irland gibt, wie auch alle anderen christlichen Kirchen im Lande, ihr Bestes, um den Frieden zu unterstützen, die verschiedenen politischen Seiten miteinander ins Gespräch zu bringen. Das passiert auch auf sehr persönlicher Ebene. Es gehört zur Struktur der Kirchen, Menschen zusammenzubringen. Es gibt natürlich keine Garantie, dass man auch auf uns hört und dass es zu dem Punkt kommt, wo man sich respektiert.

Berthold & Katrin:
Kannst du irgendeine Initiative nennen, die deine Kirche unternahm, um Katholiken und Protestanten zusammenzubringen?

John:
In der Kirche von Irland überhaupt oder speziell in meiner eigenen Gemeinde?

Berthold & Katrin:
In der eigenen Gemeinde.

John:
Es ist nicht so, dass die Kirchen untereinander abgegrenzt wären. Es gibt jede Menge ökumenischer Dialoge und auch Zusammenarbeit. Um ein Beispiel zu nennen: Als meine Gemeinde Spenden zum Wiederaufbau des abgebrannten Glockenturms sammelte, kamen die meisten der Spenden von der lokalen katholischen Bevölkerung. Da ging es nicht mehr um religiöse Fragen, da ging es einfach ums Helfen. Eine Kirche brauchte Hilfe und man war füreinander da. Die ganze christliche Gemeinde hilft in solchen Fällen gemeinsam.

Berthold & Katrin:
Also half die römisch-katholische Bevölkerung der protestantischen Bevölkerung, die protestantische Kirche wieder aufzubauen?

John:
Genau. Das passiert ständig. Gerät eine der Kirchen in Not und benötigt Hilfe, helfen alle anderen Kirchen dabei.

Berthold & Katrin:
Erstaunlich. Siehst du als junger Pfarrer einen Unterschied zwischen der jüngeren und der älteren Kirchengemeinde-Generation? Bezüglich der Arbeit am Friedensprozess?

John:
Ich persönlich habe nichts dergleichen bemerkt. Der Friedensprozess, der in den letzten Jahren in Gang gekommen ist, ist noch für jeden viel zu neu. Man kann da noch nichts sagen betreffs der Generationen, auch wenn der Krieg nun 30 Jahre währt. Aber ich glaube, jeder will jetzt Frieden und setzt sich dafür ein. Die Alten wie die Jungen, alle gemeinsam.

Berthold & Katrin:
Sind die Jüngeren in deiner Gemeinde engagiert im Friedensprozess? Interessieren sie sich aktiv für diese Entwicklungen?

John:
Was ich sagen kann, ist, dass die Jüngeren die alten Konflikte hinter sich gelassen haben. Vor allem verstehen sie nicht mehr, warum es Konflikte zwischen den Kirchen geben sollte. Sie nehmen auch einen anderen Standpunkt zum politischen Konflikt ein. Sie haben genug davon, aber sie wissen noch nicht, auf welche Weise das zu beenden ist. Nordirland verändert sich. Sie entwickeln ganz neue eigene politische Identitäten. Sie wollen etwas anderes und ändern sich in den Ansichten, die noch ihre Familien, die Eltern und Großeltern getragen haben. Es passiert etwas ganz Neues in diesem Land.

Berthold & Katrin:
Wie sehen sich die Leute in Nordirland: Britisch oder irisch?

John:
Kommt darauf an; die meisten sehen sich als Nordiren. Die meisten Unionisten sehen sich als Briten, wenn auch genauso als Iren. Die meisten der Nationalisten sehen sich als Iren, aber irgendwie dann doch auch britisch. Das bedeutet, es sind hier ganz einfach gleichzeitig zwei nationale Identitäten vorhanden. Es gibt zwei Pässe: den irischen und den britischen und vieles dergleichen mehr.

Berthold & Katrin:
Für uns als Deutsche ist es einfach so: Die Menschen, die in der Republik leben, sind die Iren. Diejenigen in Nordirland aber sind britisch, irisch oder britisch-irisch. Wir sehen ihre Suche nach einer Identität.

John:
Das könnte stimmen. Es ist hier nicht so, als würde man in der Republik leben und einfach wie die Leute dort Ire sein. Es herrscht ein sehr seltener Zustand, es gibt die Grenze im Land gegenüber dem Süden. Jeder sucht nach einer Lösung für dieses außergewöhnliche Identitätsproblem. Die einzige Hoffnung auf Frieden ist, dass dieses Identitätsproblem gelöst werden kann. Es ist notwendig, dass die Menschen ihre althergebrachten Konzepte hinter sich lassen. Und dass die sechs kleinen Länder Nordirlands gegenüber den sechsundzwanzig Ländern der Republik ein neues Verständnis ihrer selbst entwickeln.

Berthold & Katrin:
Mal etwas anderes. Wir sahen die Banner über den Straßen während des Monats Juli. Als Fremde konnten wir gar nicht glauben, was wir sahen. Sie sind voller Symbole der Freimaurerei: Hammer, Leiter, Schädel und Knochen und vieles dergleichen mehr. All das wird in den Städten präsentiert, während der Paraden zum 12. Juli. Wir empfanden das so, als würde das Land von den Freimaurern regiert, und kennen kein weiteres Land in der Welt, wo das so deutlich gezeigt würde. Kannst du uns dazu was sagen oder vielleicht die Symbolik der Zeichen erklären?

John:
Ich bin weder Freimaurer noch Mitglied des „Orange Order“ (Oranier). Deswegen kann ich diese Frage nicht wirklich beantworten. Soweit ich weiß, sind das die Objekte der Unionisten und Loyalisten, diese Sterne, Leitern… Aber auch christliche Symbole. Oder die Münze z.B. repräsentiert die britische Monarchie. Manche der Symbole glaube ich zu verstehen, viele Symbole kenne ich nicht und verstehe auch nicht ihren Sinn. Die einzigen, die wissen was das alles bedeutet, sind die Mitglieder des „Orange Order“.

Berthold & Katrin:
Du weißt also nichts über die Strukturen dieser Logen wie des „Orange Order“? Aber weißt du, ob es Katholiken, Protestanten oder Nicht-Religiöse sind?

John:
Der Orange Order ist eine protestantische christliche Organisation. Sie haben eine fundierte christliche Basis und weisen ihre Mitglieder ständig an, gottesgläubig zu leben. Sie sind Christen, die die britische Monarchie unterstützen. Deswegen sind diese Leute auch Mitglieder unserer Kirche und gehören den lokalen Gemeinden an.

Berthold & Katrin:
Gibt es neben dem Orange Order noch andere Logen?

John:
Ja. Neben den „Orange Lodges“ gibt es auch in der nationalen Gemeinschaft den „Ancient Order of Hibernians“ und der führt ebenso seine Märsche durch. Das Besondere dabei – was wohl niemand verstehen kann – ist die Tatsache, dass die beiden verfeindeten Organisationen dieselben Instrumente für die Aufmärsche benutzen. Sie tauschen sie je nach Bedarf gegenseitig aus. Ich persönlich finde das wundervoll und einen weiteren Beweis für die Kooperationsbereitschaft auf lokaler Ebene.

Berthold & Katrin:
Wer steht hinter den „Hibernians“?

John:
Da ich auch dort kein Mitglied bin, kann ich auch über diese Organisation wenig sagen. Jedenfalls repräsentieren die eher den katholischen Teil der Bevölkerung, die in der Mehrheit nationalistische Positionen vertreten.

Berthold & Katrin:
Wir würden gern noch von weiteren Beispielen für konkrete Zusammenarbeit zwischen Katholiken und Protestanten hören, nicht nur so absurd klingenden wie dem Austausch der Parade-Instrumente…

John:
Es geht ja über diesen Austausch hinaus. Was in den letzten zwei Jahren geschieht, gab es vorher nicht. Alle kommen zu den jeweiligen Paraden und diese haben jetzt den Charakter eines Karnevals angenommen. Jeder aus der Bevölkerung kommt und es spielt keine Rolle mehr, welche Gruppierung die Parade veranstaltet.

Berthold & Katrin:
Zurück zu religiöseren Dingen. In Deutschland wenden sich die Menschen von den Kirchen ab. Sie interessieren sich für andere Religionen. Dadurch beginnen die Kirchen mit den Religionen in Dialog zu treten und vermischen sogar die christliche Lehre mit östlicher Meditation und anderen Techniken. Das ist in Irland sicher nicht der Fall. Was denkst du über den Austausch von Gedanken und Methoden mit anderen Religionen, die nicht christlich sind?

John:
In Irland gibt es nur sehr begrenzt andere religiöse Richtungen und diese findet man auch nur in den großen Städten. Ich begrüße jeden Dialog, der dazu dient, die Gefühle und Gedanken unter den Mitmenschen zu verstehen. Aber hier gibt es zuerst mal viele verschiedene christliche Kirchen und das Vorrangige ist, dass diese miteinander reden, um sich selbst verstehen zu lernen und einig zu werden. Das ist die erste Priorität, bevor man mit denen reden kann, die von ganz außerhalb kommen.

Berthold & Katrin:
Also auch wieder ein Problem der Identität. Zusätzlich zur nordirischen Identität ist auch noch die gemeinsame Identität als Christen zu finden. Erst wenn ich weiß, wer ich bin, kann ich in die Welt hinausgehen, um andere Dinge zu finden?

John:
Ja. Unsere vorrangige Arbeit ist es, den Dialog mit den christlichen Kirchen zu führen, den Dialog mit jeder einzelnen Gemeinde. Für uns zum Beispiel ist das der Dialog mit den Presbyterianern und den Methodisten. Dies geschieht auf persönlicher Ebene, es ist nicht so, dass die ganze Kirche in einem offiziellen Dialog wäre.

Berthold & Katrin:
Es kommt auch nicht vor, dass andere Religionen von sich aus mit euch in den Dialog treten? Angenommen, der Dalai Lama würde Nordirland besuchen… ?

John:
Nein, wir haben keinerlei Erfahrung mit anderen Religionen. Dadurch wissen wir nur sehr wenig über sie.

Berthold & Katrin:
In Irland sind also keine anderen Religionen vorhanden und keine schaut nach Irland, um hier missionierend zu arbeiten. Buddhismus und New Age wäre hier wahrscheinlich etwas sehr Exotisches. Aber was ist mit der Alten Religion? Irland ist berühmt für seine Mythen und Feengeschichten und überall in der Welt bekannt als Insel des Heidentums. Von England ausgehend, findet eine große Renaissance des Druidentums und der Hexenreligion, „Wicca“ genannt, statt, die sich über die ganze Welt verbreitet. Hat die Alte Religion für irische Menschen von heute noch eine Bedeutung? Gibt es noch Menschen, die irgendeine Form des Heidentums praktizieren?

John:
Ich habe noch keine kennen gelernt. Aber dadurch, dass die Missionierung hier so friedlich verlief, könnte ich mir denken, dass keine alten Glaubenssysteme überlebt haben. Die christlichen Ideen wurden freiwillig anerkannt und als besser erachtet. Dadurch sind die meisten dieser alten Glaubensideen einfach ausgestorben. Es blieb nichts über die Jahrhunderte erhalten. Das Heidentum in Irland ist tot.

Berthold & Katrin:
Könnte es sein, dass die Marienverehrung für die Iren eine Fortsetzung der früheren Göttinnenverehrung darstellt? Es war ja für die frühen Christen sehr einfach, eine jungfräuliche Maria einer göttinnenorientierten Bevölkerung anzubieten. So bekamen sie zwar einen jungen Gott namens Jesus, aber hinter diesem stand weiterhin die Mutter Gottes.

John:
Ja, das weiß ich nicht. Da wäre ich auch vorsichtig. Die Mutter Gottes gibt es in allen christlichen Ländern der Welt. Aber wenn ich mir die Geschichte von St. Patrick und seinem keltischen Christentum anschaue, hatte darin die Mutter Gottes keinen bevorzugten Platz. Sie kann kein besonderer Grund für die Übernahme des christlichen Glaubens gewesen sein.

Berthold & Katrin:
Kennst du keinerlei Mitglieder in deiner Kirche, die in irgendeiner Form an Naturkräfte glauben, z.B., dass sie besondere Kraftplätze besuchen wie die Steinkreise und Gräber etc.? Welche die Ansicht vertreten, es wäre gut, sich dort aufzuhalten oder zumindest, dass man keinen Supermarkt daneben bauen dürfe?

John:
Natürlich gibt es ein Interesse, die historischen Denkmäler zu schützen. Das ist schon aus touristischen Aspekten notwendig. Aber das geschieht nicht aus religiösen Gründen.

Berthold & Katrin:
Die alte heidnische Geschichte ist aber gerade für Touristen ein wichtiger Grund, Irland zu besuchen. Vielleicht ist das in Nordirland nicht so der Fall, aber in der Republik sicherlich. Dort hören sie begeistert den mündlichen Überlieferungen zu, die von Feen, Geistern, Lapricorns und Banshees handeln. Dann besuchen sie gern all die Steinkreise.

John:
Irland ist ein rein christliches Land. Die Iren wissen, wie sie ihr Land touristisch verkaufen können und das ist der einzige Grund, warum sie den Fremden solche Geschichten aus alter Zeit erzählen. So einfach ist das. Wir wollen, dass die Menschen kommen, und wenn sie das brauchen, um zu kommen, geben wir es ihnen. (lacht).

Berthold & Katrin:
Wir sehen in Nordirland fast überall den Union Jack, die britische Flagge, hängen. Sobald wir aber selbst hier in Nordirland in Gegenden kommen, in denen sich wichtige alte Denkmäler und Steinkreise befinden, hängt stattdessen dort plötzlich die Fahne der irischen Republik. Es ist nicht zu übersehen, dass überall an solchen Plätzen keine protestantische, sondern eine durchweg katholische Bevölkerung lebt.

John:
Das ist mir noch nicht aufgefallen. Das kann auch nicht tatsächlich überall so sein. Mir ist das wirklich nicht aufgefallen.

Berthold & Katrin:
Jetzt interessiert uns eigentlich auch, ob unsere Fragen für dich neu und ungewöhnlich sind oder ob du mit solchen Fragen auch in deiner alltäglichen seelsorgerischen Arbeit konfrontiert wirst. Auch falls das nicht so sein sollte, ob du dir vorstellen kannst, dass dir in Zukunft vermehrt solche Fragen gestellt werden könnten.

John:
Ja, es gibt vieler Art Fragen, welche die guten Menschen in Nordirland sich stellen, um ein tieferes und besseres Verständnis zu erlangen. Aber das sind mehr solche Fragen, wie man sich lokal organisiert, wie man zusammenlebt. Sie fragen nicht nach der Bedeutung von Symbolen auf Bannern. Sie wissen einfach, dass das Banner der Orange Lodge sind und das genügt ihnen. Solche Fragen können nur von Fremden gestellt werden. Hier ist das alles so normal, dass niemand danach fragt.

Berthold & Katrin:
Was war deine persönliche Motivation, Pfarrer zu werden?

John:
Ich empfand den starken Ruf Gottes und fühlte mich berufen, Pfarrer zu werden. Es bedurfte vieler Jahre, in welchen ich an mir arbeiten musste. Ich musste in mir prüfen, was Gott von mir wollte und ich musste die Kirche prüfen. Als ich die Schule verließ, war ich motiviert Theologie zu studieren. Ich ging zur Universität in Belfast und studierte zusammen mit Presbyterianern und Methodisten. Nach diesem wissenschaftlichen Studium wandte ich mich an die Kirche von Irland und fragte an, ob die mich darüber hinaus ausbilden würden. Als sie das akzeptierten, wechselte ich nach Dublin zum Trinity College.

Berthold & Katrin:
In deinem Studium wurdest du in vielen verschiedenen christlichen Glaubensanschauungen unterrichtet?

John:
Ja.

Berthold & Katrin:
Welche waren das?

John:
Oh… ja… da waren viele Richtungen und Traditionen. Ich studierte sie eigentlich ziemlich allgemein. Vor allem die Kirchen der Reformation. Warum sie sich abspalteten und wie sie heute beschaffen sind. Ich studierte Ökumene im Allgemeinen. Die ökumenische Bewegung innerhalb des Christentums. Es war nicht der Fall, dass wir tief in verschiedene Richtungen des Christentums eindrangen. Wichtiger war, dass wir alle gemeinsam in einem Klassenzimmer saßen, so vermischt in unseren christlichen Traditionen. Wir spiegelten uns in unseren Reaktionen auf Dinge, wir stellten uns Fragen zu diesen Dingen. Und aus diesen Fragen heraus lernten wir sehr viel. Es war eine wunderbare Gemeinschaft.

Berthold & Katrin:
Ihr habt euch nicht im Detail mit der Verschiedenheit der christlichen Traditionen auseinandergesetzt?

John:
Es wäre zu systematisch zu sagen, wir hätten das getan. Wir hatten eine Sicht auf die Entwicklung des Christentums von seinen Anfängen bis zur Gegenwart und einen kurzen Blick auf die vielen Sekten. Damit meine ich keine Häresie. Ich meine die Kirchengeschichte und ihre politischen Dimensionen. Ihr seht, ich weiß ein wenig über diese Dinge, aber nicht sehr viel über spezifische Kirchen.

Berthold & Katrin:
Beschreib mal einen alltäglichen Arbeitstag.

John:
Jeder Tag ist verschieden. An einem normalen Tag gehe ich morgens ins Krankenhaus, verbringe bis mittags mit Patienten. Am Nachmittag gehe ich in Privathäuser, in welchen ebenso Angehörige der Gemeinden krank sind. Ich schaue, wie es ihnen geht. Abends habe ich viel zu organisieren, manchmal gehe ich auch ins Pub, um zu sehen, wer da ist, oder zu einem Treffen. Als Kirche haben wir viele soziale Organisationen und ich treffe mich mit den verantwortlichen Leitern und unterstütze sie. Dazu gehören auch so Dinge wie die Bowling-Gruppe oder die Badminton-Gruppe. Einfach auch nur Hallo sagen.

Berthold & Katrin:
Was sind die wichtigsten Probleme der Menschen in Nordirland?

John:
Eines ihrer Hauptprobleme ist, dass sie sich abgeschnitten vom Rest der Welt fühlen. Nordirland wird gemieden, weil hier Krieg sei. Dabei sehnen sich alle hier nach wirklichem Frieden. Das ist gleichermaßen bei den Loyalisten auf der einen Seite wie bei den Republikanern auf der anderen Seite der Fall. Und natürlich die schon erwähnte religiöse Identität. Ich als Protestant habe keinerlei Angst vor den Katholiken. Aber ich könnte Angst vor einem Katholiken bekommen, der seine Religion nicht mehr praktiziert. Die gewalttätigen Republikaner und gewalttätigen Katholiken sind keine Katholiken, wie auch die gewalttätigen Loyalisten keine Protestanten sind. Diese sind in keiner Weise Christen. Das sind totalitäre politische Tiere. Sie benutzen das christliche Mäntelchen, um sich Solidarität zu verschaffen. Ich möchte, dass diese im Land isoliert werden. Christen achten das Leben und schätzen ihre Nachbarn.

Berthold & Katrin:
Gibt es etwas, das wir vergaßen zu fragen und was du den deutschen Lesern mitteilen möchtest?

John:
Ja, wenn ihr die Bilder der Gewalt, der Dunkelheit und der Brände in den Medien seht, kommt dennoch hierher. Damit ihr die Menschen seht, die hier leben. Denn die haben ihre Heimat, ihre Familie, sie gehen zur Schule und zur Arbeit. Ihr werdet sehen, ihr seid sehr willkommen. Die Menschen werden freundlich zu euch sein. Es wird euch hier alles sehr normal vorkommen. Seit vier Jahren geht von uns der Ruf nach Frieden zu euch hinaus. In Belfast herrscht der selbe Frieden wie in Dublin. Die Straßen sind abends voll, die Cafés sind auf. Das ist ein Zustand, den wir seit Jahren nicht mehr hatten. Ich bin darüber sehr glücklich. Die Angst ist verschwunden. Es hat sich viel verändert. Kommt bitte und schaut es euch an.

Berthold & Katrin:
Danke für das Gespräch.

Epilog

Der Krieg der IRA ist vorbei, aber die Diskussion und Aufarbeitung dessen, was seit 1969 geschehen ist, noch lange nicht. Die Gründung der provisorischen IRA in Nordirland vollzog sich aus denselben Gründen, die eigentlich auch heute unverändert bestehen. Die katholische Minderheit wird von gewalttätigen Unionisten brutal angegriffen, Kinder sind gefährdet, die Schulen zu besuchen und benötigen massiven Polizeischutz. Solch brutale Gewalt und deren militärische Unterstützung Britanniens machten damals den organisierten bewaffneten Widerstand unvermeidlich. Den Aktivisten, die in Widerstand traten, ging es nicht um historische irische Begebenheiten oder republikanische Ideen. Ihnen ging es einzig und allein darum, sich zur Wehr setzen zu müssen. Es gab keinen wirklichen Einfluss der republikanischen Bewegung auf die entstandene Bürgerrechtsbewegung. Diese radikalisierte sich ab dem berüchtigten „Bloody Sunday“, wo gezielt vom Militär eine der Bürgerrechtsdemonstrationen angegriffen wurde und vierzehn Zivilisten ums Leben kamen. Erst heute zeigt das Beweismaterial der Untersuchungskommission, dass das Töten auf höchster Ebene im britischen Parlament vorbereitet wurde. Der lange Krieg hatte begonnen, die Spirale drehte sich in einem fort. Auf Tote der einen Seite folgten Tote auf der anderen Seite. Ein harter Guerillakrieg wurde geführt, der von der Bevölkerung unterstützt wurde. Die IRA wurde in einen sektiererischen Kampf verwickelt, in dem sie dummerweise Protestantenbars in die Luft jagten. Eine Reaktion auf die vielen Katholiken, die von Protestanten getötet wurden. Jedoch entsprach das auch dem Plan des britischen Geheimdienstes. Nach diesem Muster gingen die Briten in all ihren kolonisierten Ländern vor. Das Morden unschuldiger Katholiken entsprach einem Plan der Einschüchterung, damit sich die Bevölkerung aus Angst heraus von der IRA distanzierte. Es war konterrevolutionärer Terror.

Eine Veränderung in der Gewaltakzeptanz innerhalb der IRA erfolgte mit dem Hungerstreik inhaftierter IRA-Mitglieder. Bobby Sands und acht weitere wurden einfach sterben gelassen, ohne auf irgendwelche ihrer Forderungen einzugehen. Die IRA ging daraufhin nicht in gewohnter Weise in den Krieg, sondern verstand, dass der bewaffnete Kampf erfolglos bleibt. Die neue Strategie war Stärkung einer parlamentarischen Bewegung. Gerade weil die Briten sofort den Krieg erklärt hätten, wenn die Teilung Irlands von 1921 aufgehoben würde, und weil die Briten für ihre Brutalität bekannt sind, mit welcher sie in China wegen der Kontrolle des Opium-Krieges ganze Städte bombardierten oder in Indien wegen den Kronjuwelen massenweise Inder abschlachteten, lag die neue Strategie darin, das Bewusstsein der englandtreuen nordirischen Bevölkerungsanteile verändern zu wollen. Dies scheint dennoch fast aussichtslos, denn diese sehen sich ja nicht als Iren, sondern als Briten. Nordirland ist ein undemokratischer Staat, der mit harten Gesetzen radikal seine katholische Minderheit unterdrückt. Den Briten gelang es sehr geschickt, in der Weltöffentlichkeit diese Realität als Religionskrieg zu verkaufen. Das ist falsch und stimmt genauso wenig wie anzunehmen, in Palästina würde wegen des Talmud oder Koran gekämpft. Es geht stattdessen immer um wirtschaftliche Interessen und Ausbeutung. Allerdings sehen sich die presbyterianischen Unionisten durchaus als auserwähltes Volk, sympathisieren deswegen mit Israel und finden ihre Machtherrschaft als göttlich vorherbestimmt.

Seit dem Friedensprozess akzeptieren die Republikaner auch die Realität des geteilten Irlands. Sogar Dublin hat im Karfreitagsabkommen Irlands in der Verfassung festgelegten Anspruch auf Nordirland aufgegeben. Aber ohne den bewaffneten Kampf wäre nie etwas erreicht worden. Die IRA hat gegenwärtig allen Grund misstrauisch zu sein. Im Grunde hat sie tatsächlich verloren; seit 1921 hatten sie keine solche Niederlage mehr erlitten. Die Sinn Fein hat sich dazu verpflichtet, britische Herrschaft zu verwalten, und die Briten demonstrieren diese Herrschaft eindrucksvoll, indem sie immer mal wieder kurzfristig die Exekutive des nordirischen Parlaments einfach außer Kraft setzen. Was der Sinn Fein zugestanden wird, hängt von der Laune der Briten ab. Alles verläuft nach britischem Plan und leider berichten die internationalen Medien über Nordirland nur, wenn es eine größere Operation der IRA gab. Was dort jetzt geschieht, wird ignoriert. Es hat sich in dreizig Jahren nichts verändert, die Oranier marschieren und schlagen ihre Trommeln, stellen ihren bewaffneten Oranier-Staat groß heraus. Die IRA gab ihre Waffen ab, ohne militärisch besiegt zu sein, was es in der 200-jährigen Geschichte des militanten irischen Republikanismus noch nie gegeben hatte. Das Ziel bleibt nach zweiundzwanzig Jahren bewaffneten Kampfes so unerreichbar wie je. Die Entwaffnung geschah auf Druck internationaler Ereignisse.

Im August 2001 wurden drei ehemalige IRA-Mitglieder, die wohl einfach nur Urlaub in Kolumbien machten, wegen angeblicher Unterstützung der dortigen Guerilla-Bewegung verhaftet. US-Präsident Bush schickte verärgert einen Sondergesandten zur Sinn Fein nach Nordirland, um Druck auszuüben, und mitten in den ersten Gesprächen fanden zum 11. September 2001 die Anschläge von New York und Washington statt. Der internationale Kampf von Bush gegen den Terrorismus drohte sich auch auf Nordirland auszudehnen. Um das zu verhindern, gab es keine Alternative mehr zur Entwaffnung. Immerhin brachte das wahlpolitische Veränderungen. Die Sinn Fein ist bereits seit Juni 2001 die stärkste politische Kraft im Norden und seit Mai 2002 errang sie auch den wahlpolitischen Durchbruch im Süden Irlands. Sobald sie parlamentarisch beide „Länder“ führte, gäbe es die Hoffnung auf ein vereintes Irland. Seit Juni 2002 ist erstmals auch ein Republikaner Bürgermeister von Belfast. Ebenso ist seit Juni 2002 offiziell bestätigt worden, dass es eine jahrelange Zusammenarbeit zwischen der Polizei und loyalistischen Paramilitärs gab, mit dem Ziel, politisch missliebige Personen auszuschalten. Aber dennoch werden heutzutage Katholiken und ihre Kinder von den radikalen Unionisten gewalttätig angegriffen.

Es herrscht kein wahrer Frieden in Nordirland, die Iren galten in der Geschichte schon immer als besiegt und sind doch wieder aufgestanden. Noch gibt es die Real IRA, die aber immer isoliert war, weil sie gegen alles kämpfte – nur nicht gegen den Feind, die Briten. Seit ihrem Anschlag auf das Einkaufszentrum in Omagh, wobei zu viele unschuldige Menschen starben, gibt es keinerlei Sympathie für sie. Die Republikaner sind müde geworden. Die gleichen alten Lügen Woche für Woche. Die Briten aus Nordirland zu verdrängen, war nicht das eigentliche Ziel, sondern, ein gerechtes sozio-ökonomisches System zu errichten. Seit dem Friedensprozess hat sich der Graben zwischen Arm und Reich um das Fünfzehnfache vergrößert. [Die Parallelen zum Palästinakonflikt sind frappierend. Anm. d. Lektors] Die Ungleichheit ist größer denn je. Gerechtigkeit lässt sich nicht unterdrücken, der Kampf um die Freiheit wird eines Tages wieder von Neuem beginnen.

Literaturempfehlungen

Peter Neumann
IRA – Langer Weg zum Frieden
240 S., Pb., Rotbuch 1999
ISBN 3-454-53043-6

Dieses Buch informiert über die Gründung, die Hintergründe, Ziele und möglichen Perspektiven der Irisch-Republikanischen Befreiungsarmee. Die politische Geschichte des unterdrückten Volkes wird historisch ausführlich aufgeführt und es wird gezeigt, warum auch in Zeiten des Friedensprozesses die Aussöhnung verhindert bleibt. Es ist die erste Monografie über die IRA in deutscher Sprache.

Kevin Bean / Mark Hayes (Hg.)
„Republican Voices“
Stimmen aus der Irisch-Republikanischen Bewegung
152 S., Pb., UNRAST 2002
ISBN 3-89771-011-0

Das Buch erzählt die Geschichte der IRA von innen. Mitglieder der IRA, die 30 Jahre lang aktiv mit der Waffe kämpften, beschreiben den Konflikt. Aus ihren Erzählungen wird deutlich, dass es sich nicht um einen mythologisch hergeleiteten nationalen Instinkt handelte und dass die IRA schon gar keine kriminelle Vereinigung war.

Andreas Kloevekorn
„Die irische Verfassung von 1937“

Entstehung und Rezeption
199 S., Pb., Franz Steiner 2002
ISBN 3-515-07708-1

Die Reaktionen auf die Einführung der irischen Verfassung von 1937 schwankten zwischen begeisterter Zustimmung und radikaler Ablehnung. Der Grund: Katholische, nationale und gälische Elemente dominierten auf symbolischer Ebene, und Dublin erhob ausdrücklich territoriale Ansprüche auf Nordirland. Der Autor untersucht die Entstehung der Verfassung vor dem Hintergrund der irischen Teilung, der komplexen Beziehungen zu Großbritannien und der innenpolitischen Polarisierung seit dem Bürgerkrieg von 1922/23. Er betont die Bedeutung von Regierungschef Eamon de Valera, der diesen Prozess weitgehend kontrollierte. Die Verfassung reflektiert die Werte ihrer Entstehungszeit, einer der Gründe, warum sie in den folgenden Jahrzehnten zunehmend kontrovers diskutiert wurde.

Weiterführende Informationen

Portal Irland: http://de.wikipedia.org/wiki/PortalIrland (wikipedia)
Hier findet man ausführliche Artikel zu allem, was zum Verständnis benötigt wird, einschließlich einer Darstellung der Geschichte, der Konfliktsituation sowie weiterer Linkempfehlungen zur Thematik.