Stephen Lawhead lässt in „Der Gast des Kalifen“, dem zweiten Band der „Celtic Crusades“-Trilogie, einen Sohn seines Helden Murdo eine Pilgerfahrt ins Heilige Land antreten.
Wie schon im Vorgänger „Das Kreuz und die Lanze“ ist das Ziel der Reise eine Reliquie von unschätzbarem Wert: Dieses Mal nicht die Heilige Lanze, sondern der Schwarze Stamm, Überrest des Wahren Kreuzes, an dem Jesus starb. Lawhead, der Theologie studierte, bietet auch diesmal wieder eine Melange aus mit Keltizismen vermischtem Christentum und katholischer Reliquienverehrung im Rahmen eines historischen Romans – garniert mit einem christlichen Geheimbund, der die Mission der frommen Männer aus dem Mittelalter auch in unserer Zeit fortsetzt.
Da alle drei Bände dieser Serie in etwa diesem Schema des braven Schotten, der zum Reliquiensammeln aufbricht, entsprechen, sind sie sich vom Stil und Inhalt sehr ähnlich, an dieser Stelle möchte ich zur besseren Orientierung eine Auflistung der Trilogie einfügen:
The Celtic Crusades
1. Das Kreuz und die Lanze (The Iron Lance)
2. Der Gast des Kalifen (The Black Rood)
3. The Mystic Rose (dt. Übersetzung Ende 2003 / 2004)
Achtung: Die Taschenbuchausgabe des ersten Bandes ist unter dem irreführend geänderten Titel „Der Sohn des Kreuzfahrers“ erschienen (siehe auch unsere Rezension dazu im Archiv).
Duncan’s Reise ins Heilige Land beginnt im schottischen Caithness. Murdo Ranulfson ist schon Jahre von seiner Kreuzfahrt zurückgekehrt, hat ein Stück Land erworben sowie die Eiserne Lanze, die den Leib Christi durchbohrte, der Obhut der Mönche der Célé Dé übergeben – und wurde selbst Mitglied des inneren Kreises dieser christlichen Sekte, die für das „wahre Christentum“ streitet, dem Papst und Kreuzfahrer nicht treu geblieben sind in ihren Augen.
Murdos Bruder Torf-Einar kehrt todkrank zurück, anstelle von Ruhm, Gold und Ehre fand er im Heiligen Land nur Habgier und Intrigen, er ist verarmt und körperlich am Ende. Bevor er stirbt, erzählt er Murdos Sohn Duncan vom Heiligen Land, auch vom Schwarzen Stamm, der vom Wahren Kreuz Christi stammt und in vier Teile getrennt wurde, da jedes Heer, das unter seinem Zeichen kämpfte, bisher den Sieg errang. Duncan ist fasziniert.
Torf stirbt, Duncans Frau kurze Zeit später im Kindbett. Duncan ist am Ende, er will Selbstmord begehen, wird aber von einem Freund, dem Mönch Padraig, daran gehindert. Mit neuem Lebensmut stellt sich Duncan eine Aufgabe: Er will ins Heilige Land und das Wahre Kreuz bergen. Murdo ist entsetzt, ihm selbst hat seine Kreuzfahrt während seiner Abwesenheit den Verlust seiner Ländereien durch skrupellose Kirchenmänner eingebracht, und sie verlief ganz anders als er sie sich vorgestellt hat. Duncan ahnt ein wenig von der Verbindung seines Vaters mit den Célé Dé, ist aber nicht eingeweiht.
Gegen den Widerstand seines Vaters bricht er mit dem Mönch Padraig auf. Sie nehmen in Frankreich den Sohn des armenischen Königs auf, den letzten Überlebenden einer Gesandtschaft zum Hofe König Ludwigs. Eine Krankheit und die ungewohnte Nahrung in Frankreich hat die Armenier das Leben gekostet. Roupen empfiehlt den beiden, über Flüsse quer durch Frankreich nach Marseille zu segeln, was sie auch tun. Auf dieser Fahrt erleben sie einige Abenteuer mit Räubern und Hass gegen den fremdländischen Roupen, obwohl er als Armenier auch ein Christ ist, wird er oft als Jude beschimpft.
In Marseille tun sie einem Komtur der Tempelritter einen Gefallen und segeln an Bord seines Schiffes nach Palästina. Dort erleben sie, wie wenig fromm die Mönchsritter sich mitunter benehmen können – saufen wie ein Templer war damals ein Sprichwort mit realem Hintergrund. Der Komtur Renaud de Bracineaux zieht schließlich Duncan ins Vertrauen: Bohemund II. plant von Antiochia aus einen Überfall auf das christliche Armenien. Er ist ehrgeizig und will seine Grenzen erweitern. Er bittet Duncan ihm zu helfen, Bohemund von diesem Unternehmen abzubringen. Roupen will er derweil schützen.
Bohemund ist jedoch nicht geneigt, dem Templer und seinen Begleitern zuzuhören. Bracineaux wird festgesetzt, Duncan flieht mit Roupen nach Famagusta auf Zypern. Dort soll laut Bracineaux ein Kopte namens Jordanus ihnen helfen, dieser unangenehmen Situation zu entfliehen. Jordanus bringt sie schließlich nach Anavarza, wo sich bald zeigt, dass ihre Warnung nicht unbedingt nötig ist: Die Armenier haben sich mit den Seldschuken verbündet, und das Heer Bohemunds rennt ins Verderben. Bei der Abreise wird Duncan von seinen Gefährten getrennt und von Emir Ghazi gefangen genommen. Unter der Beute befindet sich auch der Schwarze Stamm, was die Moslems jedoch nicht erkennen. Ghazi verschenkt ihn über Umwege an den Kalifen von Kairo. Dieser beschließt schließlich Duncans Hinrichtung. In den wenigen Tagen davor schreibt er seine Geschichte auf, wird jedoch bei einem Aufstand befreit und kann mit dem Wahren Kreuz fliehen.
Doch auch die Templer und Haschischin [= „Assassinen“, Anm. d. Lektors] suchen das Wahre Kreuz und arbeiten Hand in Hand, und so werden Duncan und seine Freunde von Attentätern verfolgt…
Vieles wird geboten – Templer, Haschischin, quer durch Frankreich und von Zypern ins Heilige Land nach Ägypten und wieder zurück geht Duncans Reise. Leider fehlen so auch deutliche Schwerpunkte, kein einziger Aspekt wird wirklich zufrieden stellend in Szene gesetzt. Die interessante Verbindung zwischen den Templern und den Haschischin ist in wenigen Sätzen aufgebaut, und das war es dann auch schon. An keinem der zahlreichen Handlungsorte wird näher ins Detail gegangen, die Reise wird im Buch sehr zügig vorangetrieben. So wurde mir zwar nicht langweilig, aber es blieb leider bei oberflächlichen Betrachtungen.
Größter Kritikpunkt ist die Ähnlichkeit zu vorherigen Romanen Lawheads: Dieses Schema wurde schon in „Das Kreuz und die Lanze“ verwendet, welches wiederum in dem abenteuerlicheren „Byzantium“ abgehandelt wurde, welches in der deutschen Version in zwei Teile aufgeteilt wurde, die vielsagende Titel haben: „Aidan – Die Reise nach Byzanz“ und „Aidan in der Hand des Kalifen“. Eine Reise die in der Gefangenschaft eines Kalifen endet… Lawhead käut hier denselben Gedanken wieder wie eine Kuh das Futter – leider ist das nicht gerade Appetit anregend… zudem war „Byzantium“ detaillierter, abwechslungsreicher und spannender.
So wirken die Celtic Crusades wie eine schwächere Neuauflage dieses Buches, nicht zuletzt bedingt durch eine Erzählweise Lawheads, die in meinen Augen schon immer seine Schwäche war: Der ominöse Geheimbund der Célé Dé lässt einen Nachfahren Murdos und Duncans in unserer Zeit die Reisemanuskripte ihrer Vorfahren lesen und… ja was und? Welche Ziele die Célé Dé haben, ist nie klar definiert, auch weiß ich selbst nach zwei Bänden nicht, was sie überhaupt tun. Reliquien sammeln? Besser wird die Geschichte durch die oftmals ins teils Sentimentale rutschenden Gedanken von Duncans Nachfahren nicht. Hier wird nur offenbar, dass Lawhead selbst als ehemaliger Theologiestudent offensichtlich seine Vorliebe für keltische Kultur und Lebensweise in den Célé Dé mit dem Christentum, wie er es sich vorstellt mixt – für die katholische Kirche und den Papst hatte er im Vorläufer sehr wenig übrig, dieses Mal ist diese Kritik nicht so ersichtlich, aber die einzig richtig frommen Christen sind wieder einmal die Célé Dé.
Ein Eigenplagiat mit einer wenig gelungenen übergestülpten Handlung in der Jetztzeit präsentiert erneut Lawheads Liebe zu den Kelten in einer rasanten Rundfahrt durch weite Teile der damaligen Welt. Da die Hauptfiguren recht sympathisch sind und das Ganze sehr gut lesbar ist, die Übersetzung hervorragend, man könnte meinen sie wäre das Original, kann man „Der Gast des Kalifen“ dennoch genießen. Große Höhepunkte sollte man jedoch nicht erwarten. Vielleicht schließt ja der dritte Band die unbefriedigende Geheimnistuerei in der Gegenwart zufrieden stellend ab, allen anderen empfehle ich als ähnliche Lektüre das wesentlich spannendere „Byzantium“, in der dt. Übersetzung als „Aidan – Die Reise nach Byzanz“ und „Aidan in der Hand des Kalifen“ erschienen.
Homepage des Autors: http://www.stephenlawhead.com/