David Mack – Star Trek Vanguard 1: Der Vorbote

Das geschieht:

Der gescheiterte Versuch, die energetische Barriere am Rand der Galaxis zu durchbrechen, hat das Föderationsraumschiff „Enterprise“ schwer beschädigt. Das Angebot der Raumstation „Vanguard“, sein Schiff reparieren und überholen zu lassen, ist für Captain James T. Kirk verlockend aber verdächtig: „Vanguard“ sollte in diesem Jahr 2265 eigentlich noch im Bau sein. Die Grenznähe zu den Reichen der nicht eben friedfertigen Tholianer und der jederzeit kriegerischen Klingonen stimmt Kirk nachdenklich. Was stellt die „Vanguard“ wirklich dar?

In der Tat dient die Raumstation der Föderation als Basis für die eine forcierte Erforschung des Taurus-Sektors, der sich wie ein Puffer zwischen das Territorium der Tholianischen Gemeinschaft und das klingonische Imperium legt. Zwar erhoben beide Mächte nie einen Anspruch auf diesen abgelegenen Winkel, doch die hektischen Aktivitäten der Föderation und die offensichtliche Geheimhaltung erregen Misstrauen.

„Vanguard“ ist ein denkbar ungeeigneter Ort für Geheimnisse. Die Station dient allen Völkern der Galaxis als Hafen, Reparaturdock und Warenumschlagplatz. An Bord wimmelt es von Fremdlingen, unter denen sich manche zwielichtige Existenz befindet. Spione unterwandern die Sicherheitsmaßnahmen. Die Spannung wächst, als die Tholianer ein Föderationsschiff attackieren und eine Planetenbasis zerstören.

Der neugierige Kirk erfährt, was er wissen möchte, doch die Erkenntnis macht ihn nicht glücklich. Womöglich haben die Föderationswissenschaftler etwas entdeckt, das eine Nummer zu groß ist für die Menschheit. Die Tholianer und die Klingonen lassen nicht nach in ihrem Bemühen, das Geheimnis zu lüften – ein Geheimnis, das sich plötzlich nicht als archäologisches Objekt, sondern als Relikt einer feindseligen und sehr lebendigen Vergangenheit entpuppt …

Ein Epos braucht seine Anlaufzeit

Bis die Gesamtvorstellung richtig in Gang kommt, vergeht freilich einige Zeit. „Vanguard: Der Vorbote“ ist die Ouvertüre. Autor Mack muss uns die Schauplätze und Figuren der Handlung erst einmal vorstehen. Zwar gelingt ihm das sehr unterhaltsam, dennoch wirkt „Der Vorbote“ vor allem im ersten Buchdrittel episodenhaft. Erst allmählich beginnen sich die Handlungsstränge zu verknüpfen, werden die Fragen beantwortet, die sich der Leser in den Auftaktkapiteln in reicher Zahl stellt.

„Star Trek“ war nie literarisch, sondern Science Fiction aus zweiter Hand. Unzählige Mythen und Klischees der Alltagskultur werden durch eine Kombination aus leistungsfähigen Mixern und Filtern gejagt, trivialisiert und zu massenkompatibler Unterhaltung verarbeitet. Das ist nicht abwertend gemeint, denn gelingt es, entsteht leichter, spannender Lesegenuss ohne Reue, wie ihn „Der Vorbote“ bietet.

Nichts geschieht, dass wir nicht schon in mehr als einer „Star-Trek“-TV-Episode oder einem Film gesehen haben. Die Verbindung zwischen „Vanguard“ und „Deep Space Nine“ liegt nicht grundlos nahe. Mack variiert, aber in erster Linie erweitert er den Rahmen, in den er seine Geschichte stellt. Er fokussiert die Handlung nicht auf die „Enterprise“-Crew, sondern lässt sie streckenweise in dem Gewusel seiner vielen – zu vielen? – Figuren aufgehen.

Behutsame Kurskorrektur: Der Mensch ist wieder Mensch

Mit Vorsicht ist deshalb das jubelpersische Interview mit Verfasser Mack zu genießen, der die Gelegenheit nutzt, kräftig (und unwidersprochen) die Werbetrommel für sein Werk zu rühren, das nicht so innovativ ist, wie er uns weismachen möchte. Beglückwünschen muss man ihn auf jeden Fall zum Verzicht auf den „UMUK“-Unfug, den Gene Roddenberry ‚seiner‘ Zukunft aufprägte. Die forcierte Harmonie einer ‚fortgeschrittenen‘ Menschheit wirkte nicht nur lächerlich unrealistisch, sondert nahm „Star Trek“ durch den Verzicht auf zwischenmenschliche Konflikte ein wichtiges Spannungsmoment. Die Föderation bietet in „Vanguard“ ein durchaus zwielichtiges Bild, und siehe da: Es funktioniert! Der Zweck heiligt auch in der Zukunft die Mittel. So funktioniert die Welt.

Sie war eine recht hemdsärmelige Truppe, die Crew der ersten, der ‚echten‘ „Enterprise“, und das darf man sogar wörtlich verstehen, wenn man sich die nostalgischen, in der Rückschau schon wieder futuristischen Frottee-Uniformen vor Augen führt. Viel zu spät hat man im „Star-Trek“-Franchise erkannt, was man an Captain Kirk (den wir hier als Figur streng von seinem Alter Ego William Shatner trennen wollen) hatte: die ideale Spitze eines Dreiecks, dessen Gegenstücke vom besonnenen Spock und vom mahnenden Dr. McCoy (hier allerdings noch von seinem Vorgänger Dr. Piper vertreten) bilden.

Kirk verkörpert ein rohes, nicht in seiner komplexen verwickelten Chronologie verstricktes und nach vielen hundert TV-Abenteuern verkrustetes „Star Trek“. Als Captain ist er realistisch betrachtet unfähig, da er sich unbekümmert stets mitten ins Getümmel stürzt, statt picardmäßig aus der Kommandozentrale zu delegieren. Wer sich daran stört, gehört zu denen, die „Star Trek“ eine Bedeutung unterstellen, die diese Serie – und zwar in allen Inkarnationen – nicht besitzt. „Star Trek“ ist Unterhaltung mit einem moralisierenden Unterton, der in der Kirk-Ära erfreulich einfach auszublenden ist. Mack demonstriert uns das anhand der Einführung jener „Star-Trek“-Uniformen, die weibliche Crewmitglieder in Miniröcke und knapp geschnittene Oberteile zwingt. Logisch ist das nicht, würde Spock sagen, und es wurde im Namen von Gleichberechtigung und Fortschritt ab „Star Trek – The Next Generation“ gekippt. Im Fernsehen der 1960er Jahre ging man unbekümmert chauvinistisch und unter Berücksichtigung des kostengünstig zu erzielenden Schaueffekts zur Sache. Mack übernimmt dies einfach und sorgt für politisch unkorrektes Schmunzeln.

Neue Helden nach alten Mustern

Über den Daumen gepeilt bestreiten Kirk und seine Crew höchstens ein Fünftel der Handlung. Viele neue Gesichter tauchen mit eigenen Geschichten und persönlichen Schicksalen auf. Zum Teil sind sie in der ‚klassischen‘ „Star-Trek“-Serie von 1966-69 als Randfiguren aufgetaucht (und höchstens den Trekkie-Geeks bekannt), aber Mack kreiert darüber hinaus eine ganze Galerie eigener Charaktere. Sie sollen hier nicht vorgestellt werden, was den Rahmen dieser Rezension endgültig sprengen würde. Stattdessen hat sich Mack einmal mehr projektorientiert für Charaktere entschieden, die behutsam alte „Star-Trek“-Traditionen mit den Lesergewohnheiten des 21. Jahrhunderts kombinieren.

Ins „Star-Trek“-Universum sind nunmehr Realitäten wie Ehebruch, Militarismus oder lesbischer Vulkanier-Sex eingezogen. Die Helden zeigen Schwächen und Schrammen. Im letzen Moment wird dennoch die Notbremse gezogen: Der verkommene Schmuggler (eine Harry-Mudd-Kopie) hat Prinzipien, den harten Stationschef (einen Ben-Sisko-Klon) plagen Selbstzweifel und Gewissensbisse, Kirk schwenkt in letzter Sekunde wieder auf Föderationskurs ein. Weiterhin gibt es zu viel gefühlsduselige Seifenoper, die den Faktor „Menschlichkeit“ in die Zukunft tragen soll. Dass Mack dabei übertreibt, verdeutlicht die Erleichterung des Lesers in den Szenen, in denen die Handlung endlich auf Action umschaltet. Irgendwann reicht es wirklich mit dem Privatleben der Hauptfiguren. In dieser Hinsicht steht die eigentliche Renovatio des neuen-alten „Star Trek“ noch aus.

Des Kirks neue Kleider

Mit dem ersten Band der „Vanguard“-Serie kehrte „Star Trek“ 2008 nach längerer Pause auf den deutschen Buchmarkt zurück. Der Cross-Cult-Verlag wählte klug eine US-Vorlage, die aktuell war aber ihre Attraktivität bereits unter Beweis gestellt hatte. David Mack ist ein neuer Star im Buch-Bereich des „Star-Trek“-Franchises und liefert gut zu vermarktende Arbeit.

Der Gestaltung der deutschen „Vanguard“-Version wurde große Sorgfalt gewidmet. Das Cover ist keine Schema-F-Zeichnung, sondern eine sorgfältig komponierte und angefertigte Collage: Vor einem bunten Sternenhimmel – ein Foto der (echten) Raumstation „Hubble“ – schweben die „Enterprise“ im Vordergrund und dahinter „Vanguard“. Das Ergebnis wirkt angenehm ‚rau‘ und passt zu einer Zukunft, die eigentlich längst Vergangenheit – die der 1960er Jahre – ist.

Als besonderes Feature wurde dem Roman eine mehrteilige und ausklappbare Aufrisszeichnung der „Vanguard“ – geschaffen vom Künstler Masao Okazaki – beigeheftet, die diese Raumstation in verschiedenen Ansichten zeigt. Dem Leser hilft es, den Überblick zu behalten, wenn es an Bord wieder einmal hoch hergeht und man sich fragt, wo genau sich unsere Helden gerade aufhalten.

Darüber hinaus gibt es eine „Kartei der Hauptpersonen“. Macks tüchtig geschönten Erinnerungen an das „Vanguard“-Projekt und seine übertriebenen Danksagungen an Gott, Gene Roddenberry & die Welt sind eher komisch als informativ.

Autor

David Alan Mack, 1969 geboren in New York City, besuchte ab 1987 die NYU Film School der University of New York. Nach seinem Abschluss übernahm er die Herausgeberschaft diverser Magazine und schrieb selbst Artikel. Mitte der 1990er Jahre kam er in Kontakt mit John J. Ordover, der für das „Star-Trek“-Fanchise arbeitete. Das Duo schrieb ein Drehbuch („Starship Down“, dt. „Das Wagnis“, Staffel 4, Ep. 79) und lieferte eine Drehbuchvorlage („It’s Only a Papermoon“, dt. „Leben in der Holosuite“, Staffel 7, Ep. 160) zur TV-Serie „Deep Space Nine“. Mack hatte seinen Fuß in der Tür und dehnte seine Aktivitäten für das Franchise aus. Er stellte Datenblätter für die „Star-Trek“-Autoren zusammen, kreierte mit Ordover das Comic-Crossover DS9/Next Generation „Divided We Fall“ und arbeitete an „Star-Trek“-Computerspielen wie „Starship Creator“, „The Fallen“ und „Dominion Wars“ mit.

Auch für das Marvel-Franchise ist Mack tätig; er schrieb einen Roman zur „Wolverine“-Serie (scriptete aber weder für die „Kabuki“- noch die „Daredevil“-Comic-Reihe – für diese zeichnet der Zeichner David W. Mack verantwortlich, mit dem David A. ständig verwechselt wird). In den 1990er Jahren drehte Mack diverse Kurzfilme. Ab 2000 schrieb er selbst „Star-Trek“-Romane und ist inzwischen Vollzeit-Autor.

David Mack ist verheiratet; er lebt und arbeitet in New York City. Über sein Werk informiert er aktuell auf seiner Website.

Vanguard-Serie:

(2005) Der Vorbote (Harbinger) – von David Mack
(2006) Rufe den Donner (Summon the Thunder) – von Dayton Ward u. Kevin Dilmore
(2007) Reite den Sturm (Reap the Whirlwind) – von David Mack
(2009) Offene Geheimnisse (Open Secrets) – von Dayton Ward
(2009) Vor dem Fall (Precipice) – von David Mack
(2011) Enthüllungen (Declassified) – von Kevin Dilmore, David Mack, Marco Palmieri u. Dayton Ward
(2011) Das jüngste Gericht (What Judgments Come) – von Kevin Dilmore u. Dayton Ward
(2012) Sturm auf den Himmel (Storming Heaven) – von David Mack
(2012) Spuren des Sturms (In Tempest’s Wake) – von Dayton Ward [nur eBook]

Taschenbuch: 395 Seiten
Originaltitel: Star Trek – Vanguard: Harbinger (New York : Pocket Books/Simon & Schuster, Inc. 2005)
Übersetzung: Marc Hillenberg
http://www.cross-cult.de

eBook: 11 h 11 min. (ungekürzt, gesprochen von Dietmar Wunder)
ISBN-13: 978-3-942649-92-6
http://www.audible.de

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