Robert R. McCammon – Tauchstation

McCammon Tauchstation Cover kleinDas geschieht:

Seit er vor sieben Jahren seine Familie bei einem tragischen Unfall verlor, lebt der ehemalige Bank-Hai David Moore zurückgezogen auf der kleinen Karibik-Insel Coquino, wo er ein Hotel – das „Indigo Inn“ führt. In seiner reichlichen Freizeit unternimmt Moore Tauchfahrten in die Gewässer um die Insel, die reich an Schiffswracks aus vielen turbulenten Jahrhunderten sind.

Ein paar Andenken aus einem im II. Weltkrieg versenkten Frachter möchte Moore bergen, als er aus dem Grund des Meeres etwas Überraschendes entdeckt: Im Sand steckt das nazideutsche U-Boot Nr. 198 – und eine Wasserbombe, deren verspätete Detonation Moore beinahe ins Jenseits und das Tauchgefährt an die Oberfläche befördert. Dort treibt es die Strömung genau in den Hafen von Coquina.

Die kleine Schar der Inselbürger ist teils fasziniert, teils entsetzt. Die Jüngeren vermuten Schätze in dem fest verschlossenen Wrack. Moore und sein Freund, Constable Steve Kip, möchten es einem Museum stiften. Doch die Älteren erinnern sich noch gut eines sorgfältig verschwiegenen Dramas, das sich 1942 auf offener See, aber in Sichtweite von Coquina ereignete. U-198 unter seinem erbarmungslosen Kapitän Wilhelm Korrin jagte damals alliierte Schiffe. Die Strafe war furchtbar, als man es endlich stellte: Ein Voodoo-Fluch verurteilte die Besatzung zu einem schrecklichen Dasein als Untote.

Dieser Teil der Geschichte ist allerdings in Vergessenheit geraten, was das Schicksal seinen Lauf nehmen lässt. Das U-Boot wird in eine alte Werft geschleppt. Ein gieriger Schätzjäger schweißt es nachts heimlich auf. Damit öffnet er buchstäblich die Pforten der Hölle, durch die rachelüstern Hitlers klapperknochige Seeleute stürmen, um einen Krieg fortzusetzen, der für sie niemals enden wird …

Modriges Gruselgarn federleicht gesponnen

Die Inhaltsangabe macht es sicherlich bereits deutlich: Hier gibt es kein literarisches Horror-Gold zu heben. Stattdessen geht es hart und blutig zur Sache. Das Böse kommt sehr handfest daher. Da wird verflucht, umgegangen, in liebevoller Ausführlichkeit gemetzelt. Das furiose Geschehen schreitet flott voran, was klug ist, da auf diese Weise die ozeantiefen logischen Lücken nicht gar zu deutlich werden. (Wie kann sich eine ausgedörrte Mumie in ein sprintstarkes Mordmonster verwandeln? Aber das Problem kennen wir Gruselfreunde ja und ignorieren es seit jeher um der Erhaltung des Spaßes willen …)

Ein ganz einfaches Garn spinnt der frühverrentete (s. u.) Horrormeister Robert R. McCammon hier. „Tauchstation“ ist die x-te Version des „Fliegenden Holländers“ (obwohl es sich hier ja eher um „Fliegende Moffen“ handelt), kombiniert mit der besonders im angelsächsischen Raum sehr beliebten Nazi-Theatralik, die um des Effektes willen banale Zahnrädern des wohl organisierten Bösen gern zu Handlangern dämonisch-übernatürlicher Mächte ‚aufwertet‘.

Interessant ist die Entstehungsgeschichte des Romans, der im Original sehr viel treffender den Titel „Nachtboot“ trägt. Autor McCammon nennt als Auslöser ein Gemälde, das ihn als Kind fasziniert und erschreckt hatte: eine Riesenechse schnellt aus einem düsteren Meer und schnappt sich einen völlig überraschten Flugsaurier. David Moore bemüht gleich mehrfach dieses archaische Bild des Räubers als Mordmaschine, die aus dem Hinterhalt zuschlägt. Das ist auch U-198.

Kaltes Grauen in warmer Südsee

McCammons Interesse an Maschinen führte zur Beschäftigung mit Unterseebooten, eine an sich bemerkenswerte technische Glanzleistung, die als Waffe perfektioniert und pervertiert wurde. Gleichzeitig wurden vor allem die deutschen U-Boote des II. Weltkriegs für die meisten Besatzungen zu „eisernen Särgen“, in denen sich unter Wasserbombenbeschuss unbeschreibliche Szenen abspielten: Stoff genug für Horrorromane.

Der Autor bezeichnet sein Werk selbst als „Mischung zwischen Traum und Albtraum“. Die Kulisse ist idyllisch, eine Karibikinsel, Sandstrände, Palmen, von der Sonne verwöhnt, gelegen in smaragdgrüner See. Aber die ist tückisch; in ihren Tiefen beherbergt sie auch das „Nachtboot“ U-198, das aus dem Wasser auftaucht, um das Paradies zu zerstören. Dieses wird besonders in den einleitenden Kapiteln außerordentlich gelungen und stimmungsvoll beschrieben, was umso bemerkenswerter ist, weil McCammon nie in der Karibik war, als er sie verfasste.

Leider hält McCammon diese anfänglichen Qualitäten nicht lange durch. Je weiter wir uns dem Finale nähern, desto tiefer sinkt nicht nur U-198, sondern auch das Niveau, bis „Tauchstation“ zur reinen Kolportage auf Heftroman-Level verkommt. Schade, Chance letztlich vertan, kann man da nur sagen. So fährt man sicherlich am besten, liest man „Tauchstation“ als trivialen, aber unterhaltsamen Brachial-Horror.

Tragik ohne Berührungspunkte

Eindeutig der Schwachpunkt des Romans ist die Figurenzeichnung. Während Umgebung und Handlung wenig Grund zur Klage geben, lassen uns die Protagonisten des Gruseldramas denkbar kalt. Dabei hat sich der Verfasser durchaus etwas bei ihnen gedacht. David Moore ist zum Beispiel ein vom Schicksal hart geprüfter Mann, der seinem persönlichen Unglück davonlief und von einem Neubeginn auf einer einsamen Insel träumte. Nun holt ihn das Pech mit Zinsen wieder ein.

Nur dass diese Vergangenheit nie wirklich eine Rolle spielt. Moore könnte auch der glücklichste Mensch der Welt sein, als die Nazi-Zombies über Coquina herfallen. Seine Reaktion wäre identisch. So ist Moores Trauma nur ein Trick, dieser Figur Charakter und Tiefe zu verleihen.

Auch Steve Kip hat dunkle Punkte in seinem Lebenslauf. Weil er ein ‚Ureinwohner‘ der Karibik ist, ernennt ihn McCammon flugs zum (unwilligen) Nachfolger eines mächtigen Voodoo-Hexers, der in der Krise die verleugneten Kräfte neu in sich entdecken und gegen Korrins Kreaturen einsetzen muss. Weil Voodoo inzwischen zum lächerlichen Hollywood-Klischee verkommen ist, erregt dieser Aspekt nicht den Beifall des Lesers. McCammon fällt nichts ein außer fiebrigen Trommeln, geköpften Hühnern und Augen verdrehenden Heiden.

Erst spät und dann deutlich als Alibi-Frau gerät Jana Thornton in die Handlung. Gruseliges Geschehen erfordert in der Unterhaltung nun einmal eine Schöne in Gefahr, aus der sie der männliche Held retten und in ruhigen Momenten anbalzen muss. Daher entpuppt sich „Professor Dr.“ Thorntons auf Ausbildung gegründete Überlegenheit als dünne Tünche, die sogleich abgewaschen wird, als der erste Zombie aus dem Gebüsch springt.

Braune Horde aus tiefer See

Tragik und ein Moment der Vorbestimmung soll Fritz Schiller, der letzte (menschliche) Überlebende von U-198, in die Handlung bringen. An seiner Person arbeitet McCammon gleichzeitig seine Sicht der Nazizeit ab: Schiller ist ein ‚guter Deutscher‘, der während des Krieges nur seine Pflicht tat, sein Unrecht später einsah und bereute, aber ansonsten immer noch ein Soldat ist, der zu seinen Kameraden hält.

Eigentlich ist nur Kapitän Korrin ein ‚böser Nazi‘, d. h. eine seelenlose, „Heil Hitler“ skandierende, immer in feinstes Nazi-Schwarz gewandete, kaltherzig mordende, notfalls über die Leichen der eigenen Leute gehende Mordmaschine. Derartige Klischees, die von McCammons absoluter Unkenntnis der historischen Realitäten künden, werden von einer peinlichen Rückblende gekrönt, welche die Männer von U-198 als Bier trinkende & Sauerkraut fressende ‚typische Deutsche‘ zeigt.

Autor

Robert R. McCammon wurde am 17. Juli 1952 in Birmingham geboren – nicht in der englischen, sondern in der US-amerikanischen Stadt dieses Namens. Die hat er niemals verlassen, sondern lebt noch heute dort mit Gattin Sally und Tochter Skye.

Schon in jungen Jahren veröffentlichte McCammon Unterhaltungsromanen. 1978 veröffentlichte er „Baal“. In schneller Folge erschienen weitere Werke (u. a. 1981 der Vampir-Roman „They Thirst“, dt. „Blutdurstig“, oder 1984 eine ‚Fortsetzung‘ des Edgar-Allan-Poe-Klassikers „Der Untergang des Hauses Usher“ mit dem Titel „Usher’s Passing“, dt. „Das Haus Usher“), die ebenfalls dem Horror zuzurechnen waren. Sie erklommen zwar nie die Bestsellerlisten, aber sie wurden gelesen, was McCammon erkleckliche Honorareinkünfte bescherte.

Mit dem Erfolg wuchs der schriftstellerische Ehrgeiz. „Swan Song“ (1987, dt. „Nach dem Ende der Welt“) oder „Stinger“ (1988, dt. „Die schwarze Pyramide“) waren eher Science Fiction als Horror oder apokalyptische Kämpfe zwischen Gut und Böse im Stil von Stephen Kings „The Stand“ (dt. „Das letzte Gefecht“).

Auch als Verfasser von Krimis („Boy’s Life“, 1991; dt. „Unschuld und Unheil“) und historischen Romanen versuchte McCammon sich – und geriet in die Mühlen der modernen Verlagsindustrie, die ein Buch primär als Ware und seinen Verfasser als Zulieferer sieht: McCammons sollte Horror schreiben.

Der unwillige Autor wurde kaltgestellt, seine neuen Werke nicht veröffentlicht. McCammon erkrankte an einer Depression, von der er sich nur mühsam erholte. 1999 zog er einen Schlussstrich und zog sich offiziell von der Schriftstellerei zurück. Er lebt die geruhsame Existenz eines wohlhabenden Frührentners und bastelt an Fantasy-Rollenspielen. 2002 erschien „Speaks the Nightbird“, eines jener Werke, die zuvor boykottiert wurden – und seit 2007 veröffentlicht McCammon wieder neue Romane.

Robert R. McCammon unterhält eine Website, die solche und viele andere interessante Informationen vermittelt.

Taschenbuch: 400 Seiten
Originaltitel: The Night Boat (New York: Avon Books 1980)
Übersetzung: Stefan Troßbach
http://www.knaur.de

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