Clive Cussler – Die Troja-Mission [Dirk Pitt 17]

Das Karibische Meer wird von Wirbelstürmen und Giftschlamm heimgesucht. Ermittlungen deuten darauf hin, dass ein Geheimbund aus uralten Zeiten nach der Weltherrschaft greift … – Troja ist eigentlich in England untergegangen, Odysseus kam immerhin bis Amerika, und die keltischen Druiden haben den Römern eine Nase gedreht – Dies sind nur einige der spektakulären Details, aus denen Clive Cussler 17. Dirk-Pitt-Garn spinnt. Einmal mehr bietet dieses fröhlichen Abenteuer-Unfug mit Hightech-Thriller-Elementen, der sich flott liest und gelesen werden muss, damit die holprige Handlung gähnende Logikschluchten überwindet.

Das geschieht:

In der Karibik meuchelt giftiger Schlamm das Meeresgetier, was umgehend die „National Underwater & Marine Agency“ (NUMA) auf den Plan ruft. Dirk Pitt der Ältere, Direktor für Spezialprojekte ebendort, stößt auf den Großkonzern „Odyssey“, dessen stets anonymes Oberhaupt. Der mysteriöse „Specter“ ist in allerlei zweifelhafte Machenschaften verwickelt; man munkelt von üblen Verstößen gegen Gesetz und Glauben. Ganz oben auf der Liste steht womöglich terroristischer Verrat am Fackelträger der freien Welt, die Vereinigten Staaten von Amerika!

Was diese sich selbstverständlich nicht gefallen lassen. NUMA-Admiral Sandecker, der noch stets auf die ‚Rechte‘ ausländischer Strolchstaaten gepfiffen hat, setzt Pitt und seinen alter Kumpel Al Giordano in Marsch – gut so, denn die entdecken deutliche Hinweise darauf, dass sich „Odyssey“ mit Unterstützung rotchinesisch-kommunistischer Arbeitsameisen unter dem Dschungel von Nicaragua quer durch Mittelamerika gräbt. Es ist der heimlich entsorgte Aushub, der Wale & Thunfische mit dem Bauch nach oben treiben lässt, aber schlimmer ist das eigentliche Anliegen dieses Projekts (das den Lesern dieser Zeilen selbstverständlich verschwiegen werden soll). Hier darf also nicht gefackelt werden! Zwar sind den US-Streitkräften oder der CIA leider die Hände gebunden und die Nicaraguaner notorisch ahnungslos oder korrupt, aber ohnehin braucht es nur zwei richtige Kerls wie Dirk & Al, um das Lumpennest auszuheben.

Derweil haben Dirk der Jüngere und Schwester Summer vor der Küste der Dominikanischen Republik ein versunkenes Grabmal entdeckt. Es ist angefüllt mit Schätzen und Artefakten, die vor mehr als drei Jahrtausenden im keltischen Europa entstanden. Offenbar waren weder die Wikinger noch Kolumbus die Ersten, die den Atlantik überquerten. Mit Hilfe von NUMA-Hightech lässt sich der Verdacht erhärten, dass eigentlich dem legendären Griechen Odysseus dieser Lorbeer gebührt! Wieso auch nicht, stellt sich doch weiterhin heraus, dass Troja beileibe nicht in Kleinasien, sondern im grünen England gelegen hat!

Während Dirk jr. und Summer der archäologischen Sensation nachspüren, machen Dirk sr. und Al „Spector“ und seinen Spießgesellen die Hölle heiß. Da es zwischen Odysseus und der „Odyssey“-Organisation eine Verbindung gibt, treffen sich Vater und Kinder im finalen Kampf gegen unwetterhexende Druiden und menschenopfernde Amazonen, während die Welt vor dem ökologischen Kollaps steht …

Die Welt als Abenteuerspielplatz

Eine ideale Welt ist nach Clive Cussler zwar nicht ohne Strolche, Dummköpfe oder Anwälte. Trotzdem ist es eine bessere, denn sie belohnt die Klugen, Unerschrockenen, Neugierigen, welche weder nur Geld scheffeln noch auf der faulen Haut liegen wollen, sondern forschen, sammeln, schützen oder anderweitig positiv zum Wohle der Menschheit aktiv sind. Wer sich diesem hehren Ziel widmet, der kommt vielleicht sogar in den Himmel, der hier NUMA heißt: eine stets mit den modernsten Geräten ausgestattete, von Fördergeldsorgen freie, weil durch die Regierung klaglos mit Mitteln überschüttete, nur der reinen Wissenschaft verpflichtete Einrichtung. Wenn irgendwo in den Weltmeeren ein Tintenfisch hustet, springen Männer wie Dirk Pitt umgehend in ein Flugzeug oder Wunderschiff, um sich vor Ort umzusehen. Über staatliche Kontrollen und Sparschweinereien sind sie gänzlich erhaben; notfalls lässt Admiral Sandecker die Rubel rollen – seine Schatulle scheint unerschöpflich zu sein.

Ein Traum für kleine und große Jungs also, der dadurch komplettiert wird, dass NUMA-Mitarbeiter nicht nur forschen, sondern auch Schätzen und Ganoven jagen, von denen es über und unter Wasser mehr als genug gibt. Was hat Mr. Pitt auf dieser und für diese Erde nicht schon alles geleistet! Die „Titanic“ hat er gehoben, dazu diverse andere prominente Wracks, die Bibliothek von Alexandria und sogar Atlantis entdeckt. Nun komplettiert das antike Troja die Liste seiner Erfolge, obwohl er als wahrer Mann stets bescheiden abwinkt. Dirk Pitt kann ja nichts dafür, dass er immer wieder in grandiose Abenteuer verwickelt wird; das brockt ihm sein geistiger Vater Clive Cussler ein.

Der scheint seine Dirk-Pitt-Serie inzwischen vor allem deshalb fortzusetzen, weil er Geld für sein Lieblingsspielzeug benötigt: die echte NUMA, eine Kreation Cusslers, dem der Erfolg die Möglichkeit bot, sein eigener Admiral Sandecker zu sein. Zwar erreicht die reale NUMA nicht einmal annähernd die Dimension des fiktiven Vorbilds, aber sie ist sehr aktiv – und teuer im Unterhalt.

Einer für bzw. wie alle

Schaumschlägerei nach Schema F bestimmt jedenfalls schon lange die Handlung eines typischen Cussler-Romans. Die Logik schlägt erst Purzelbäume und verabschiedet sich bald gänzlich aus dem Geschehen. Was sich „Specter“ da ausgedacht hat, um die Welt unter die postkeltische Knute zu zwingen, muss man mit viel Humor nehmen; man wünscht sich, die wirklichen Möchtegern-Diktatoren dieser Erde würden sich so dämlich aufführen  Kann man die fast schon genial absurde Story akzeptieren, stellt sich schnell der Spaß an dieser Abenteuerpistole ein.

Wobei es dauert, bis sich der eigentliche Plot herausschält. Cussler reiht zunächst spannende Episoden aneinander, mit denen sich zudem wunderbar Seiten schinden lassen. Technobabbel à la James Bond und größenwahnsinnige, aber letztlich völlig sinnfreie Gaunertücken werden durch wüste Actionszenen ergänzt. Dazwischen halten die Protagonisten gern gelehrte Vorträge zu mancherlei naturwissenschaftlichen und historischen Modethemen, wie wir sie aus „Galileo“ und anderen TV-Sendungen kennen.

Aus Thesen, die Cussler ganz besonders gut gefallen, schmiedet er im NUMAversum Realitäten. So ist Iman Jacob Wilkens mit seiner ab 1991 in „Where Troy Once Stood“ beschriebenen ‚Entdeckung‘ Trojas im vorzeitlichen England keineswegs jene archäologische Sensation geglückt, die Cussler offenbar darin sieht. Dies liegt nicht am kryptohistorisch gern geäußerten Vorwurf, das etablierte wissenschaftliche Establishment unterdrücke – verkrustet und eifersüchtig, wie es angeblich ist – geniale Querdenker, sondern am gesunden Menschenverstand, der auf mehrfach überprüften Fakten (so rudimentär sie denn auch sind) besteht. Als Grundlage eines Romans ist solcher Unfug aber legitim. Cussler meint es indessen Ernst wie seine Interpretation des Trojanischen ‚Pferdes‘, das er uns sogar in einer Rekonstruktionszeichnung präsentiert. Einfach als weiteres Element der Unterhaltung goutiert, tragen solche Spekulationen indessen zum Lektürespaß bei.

Pitt as Pitt can

Dirk Pitt = James Bond: Die Gleichung stimmt, und dies nicht nur, weil beide Supermänner rastlos im Dienst des Guten über den Globus gaukeln. Das ist ihr Leben, mehr benötigen sie nicht. Wein, Weib & manchmal Gesang bekommen sie ohnehin gratis dazu; es steht ihnen als Helden quasi zu und wird freigiebig gewährt.

Leider wird Clive Cussler vom unpassenden Drang getrieben, seinem Dirk Pitt Charakter und Tiefe zu verleihen. Deshalb hat er ihm (wie Donald Duck) zwei bereits erwachsene Nachkommen auf die Türschwelle gelegt. Dirk jr. und Summer sind selbstverständlich ebenso ansehnlich und mutig wie ihr Erzeuger. Damit steht notfalls eine neue Generation von Pitt-Bulls bereit, die über die Weltmeere wachen.

Denn Papa Dirk knacken angeblich plötzlich die Knochen. Erstaunlich zwar, weil er dennoch weiterhin Übermenschliches leistet (und erst hinterher stöhnt), doch der beinharte Abenteurer wird weicher, denkt sogar über Heirat und Rückzug an den Schreibtisch nach. (Keine Sorge, das meint er nicht wirklich so, und zu guter Letzt besucht ihn Clive Cussler höchstpersönlich und geht einen mit ihm heben …)

Amazonen und Hexen

Wie angestaubt die Pitt-Romane tatsächlich sind, verraten Cusslers Frauenfiguren. Möchte man boshaft sein und dem Feminismus einen echten Bärendienst erweisen, so beauftrage man Männer wie Clive Cussler, einen Roman mit Frauen in vielen Hauptrollen zu verfassen. Das Ergebnis geht entweder durch Mark & Bein oder erschüttert nachhaltig das Zwerchfell – es kommt darauf an, wie man zum Thema steht.

Womöglich ist Cussler davon überzeugt, mit seinen postmodernen Druidenhexen faszinierende Übertäterinnen erschaffen zu haben. In der Tat morden und tücken sie, dass ein eine wahre Wonne ist. Das macht ihr Treiben freilich nicht weniger rätsel- und lachhaft. Und was es mit „Specter“ wirklich auf sich hat, das merkt noch der dümmste Leser beinahe auf Anhieb.

Es ist wie schon erwähnt die unbekümmerte Naivität, die Cusslers Story über solche Dümmlichkeiten trägt. Ein Pitt-Roman ist im Grunde wie der andere, und genau wünscht das Stammpublikum. So kann – und wird – es noch lange weitergehen, zumal Cussler daran gedacht hat, seinen Sohn Dirk als Nachfolger auszubilden: Dirk Pitt wird seinen Schöpfer definitiv überleben!

Autor

Geboren 1931 in Alhambra, US-Staat Kalifornien, zog Clive Eric Cussler mit der Airforce in den Koreakrieg (wenn auch als Mechaniker und Bordingenieur, nicht als Kampfpilot, wie uns mancher Klappentext weismachen möchte …). Seinen Hang zur biografischen Ausschmückung sowie die Entwicklung eines lukrativen Franchises konnte Clive Cussler in den Jahrzehnten entwickeln, die er an der Spitze zweier Werbeagenturen verbrachte.

1973 versuchte er sich als Schriftsteller. Fast unbemerkt erlebte Dirk Pitt in „The Mediterranean Caper“ (dt. „Der Todesflieger“) sein erstes Abenteuer. Doch erst Opus Nr. 3 brachte den eigentlichen Durchbruch, nachdem Cussler sich seiner Erfahrungen aus der Werbebranche bediente und Hightech mit Spektakel zum Hochgeschwindigkeits-Thriller mischte: „Hebt die Titanic!“ war 1976 ein Bestseller (der 1980 sogar verfilmt wurde, aber zu Cusslers Kummer einen oberen Rang auf der Liste der schlechtesten Filme aller Zeiten belegt; seit 2005 macht ihm „Sahara“, ebenfalls nach einer Vorlage Cusslers entstanden, diesen Rang streitig); Cussler wurde zum reichen Mann.

Die Dirk-Pitt-Serie baute er zum Franchise aus. Inzwischen liefert Cussler primär ‚Ideen‘ für Thriller-Klone, die von anderen Autoren umgesetzt werden. In der Hauptserie geht ihm Sohn Dirk zur Hand. Die „Numa-Akten“ verfasst (seit 1999) Paul Kemprecos, für die „Oregon-Chroniken“ zeichnen seit 2003 Craig Dirgo bzw. Jack Du Brul. Um die Fans bei der Stange zu halten, gibt es Gastauftritte der jeweiligen Helden in den Serien der ‚Kollegen‘. 2007 gesellte sich Isaac Bell zu den genannten Haudegen; seine Abenteuer finden im frühen 20. Jahrhundert statt und werden seit Band 2 von Justin Scott geschrieben. 2009 ging das Schatzsucher-Paar Sam und Remi Fargo in den Einsatz.

Taschenbuch: 511 Seiten
Originaltitel: Trojan Odyssey (New York : G. P. Putnam’s Sons 2003)
Übersetzung: Oswald Olms
http://www.randomhouse.de/blanvalet

eBook: 4257 KB
ISBN-13: 978-3-6411-5221-5
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