In Kirgisien und Argentinien fällt die Ernte aus. Niemand weiß, warum. Eine private Eingreiftruppe schickt Alleskönner Seth Colton vor, um die Ursache herauszufinden und die Hintermänner auszuschalten. Morde, Atomschläge und ein ausgewachsenes Kommandounternehmen sind nötig, um die Welt zu retten. Kommt uns das nicht bekannt vor?
Der Autor
Eric Laurent ist ein in Frankreich sehr bekannter Journalist, der u. a. für das |Figaro Magazine| schreibt. Als Autor investigativer Sachbücher ([„Die Kriege der Familie Bush“,]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=37 „Die neue Welt des George W. Bush“) ist er auch in Deutschland vielen Lesern ein Begriff. Nach „Die Saat des Verderbens“ erschien von ihm bei |Lübbe| auch „Die Schrecken der Tiefe“ im März 2005.
Handlung
Bei den Kirgisen ist der Teufel los: Die Bauern rebellieren, und eine russische Eingreiftruppe schlägt den Aufstand blutig nieder. Was hat die sonst so friedlichen Farmer dazu getrieben? Die traurige Wahrheit ist, dass sie seit einem Jahr keine Ernte mehr hatten. Den Argentiniern ergeht es wenig später keinen Deut besser. Die Getreidepreise klettern ins Unermessliche: Welche ist die nächste betroffene Nation? Etwas stimmt mit der Natur ganz und gar nicht mehr. Aber was?
Höchste Zeit also, dass jemand nach dem Rechten sieht. Ein exklusiver Klub von Genies und Wirtschaftsmagnaten hat seine eigene Methode, mit solchen Krisen fertigzuwerden. Die Methode heißt Seth Colton und ist angeblich der James Bond des 21. Jahrhunderts. Seth, der sportliche Action-Man mit Gentleman-Bildung, lebt auf seinem schottischen Schloss, das komplett auch mit freundschaftlich verbundenem Butler ausgestattet ist. Zu seinen Einsätzen fliegt er mit dem Privatjet des Syndikats und wird an Bord daraufhin gebrieft, was Sache ist und was man von ihm erwartet.
Vor Ort ergibt sich nichts. Auch die Datenbanken von CIA und FBI, in die Informatikspezialist Seth eindringt, geben kaum etwas her. Nur so viel: Kirgistan und Argentinien hatten ihr Saatgut zehn Jahre lang von einem der größten Saatgutkonzerne bezogen: Grainill. Der Inhaber, ein Bush-freundlicher Texaner, aber arbeitet eng mit dem Biotechlabor Oxy-Tech zusammen. Hat Grainill also sein Saatgut gemanipuliert? Aber warum fällt die Ernte aus, nachdem der Kunde seinen Abnehmer gewechselt hat?
Szenenwechsel: Grainill macht dunkle Geschäfte mit einem ehemals sowjetischen Kampfstoffforscher, der unter dem Decknamen „Iwan“ operiert. Allerdings sind auch ultrakonservative Generäle des KGB und der Roten Armee hinter Iwan her: Er soll ihnen die endgültige Waffe liefern, mit der sie den Rest der Welt in die Knie zwingen können.
Wie Seth zu seinem Entsetzen herausfindet, sieht es so aus, als ob Iwan seit Kurzem dazu in der Lage sei. Die Zeit läuft ab.
Mein Eindruck
Wenn dies ein James-Bond-Roman wäre, so würde ihm jeder Humor fehlen und jeder Ehrgeiz, dem Leser die Lektüre angenehm zu machen. Seth erscheint zunächst als eine Randfigur in einem undurchsichtigen Geschehen, das sich um die KGB-Generäle, den US-Präsident, Seths Tochter und diverse Frauenzimmer dreht, mit denen Seth Geschäfte macht. Von Seth erfahren wir schon auf den ersten Seiten des zweiten Kapitels alles über seine Vergangenheit und seinen Werdegang. Das verblasst aber sofort vor dem Hintergrund der anderen Mitglieder des Komitees, dem er angehört: der privaten und transnationalen Eingreiftruppe, die sich solcher heimlichen Katastrophen wie etwa Ernteausfällen annimmt, für die sich die Geheimdienste zu schade sind.
Wofür ein Tom Clancy oder Frederick Forsyth mindestens 600 Seiten benötigen – Laurent schafft es mit der Hälfte des Umfangs, die Vorgänge darzustellen. Das legt die Vermutung nahe, es könne sich hier um einen aufgeplusterten Heftroman handeln, vielleicht eine Art „Pilotsendung“ für eine typisch Bastei’sche Heftchenserie. Romanserien wie „Malko“ aus dem Bahnhofskiosk lassen grüßen.
Im Grunde ist „Die Saat des Verderbens“ ein Comicbook in Romanform: Die Figuren werden kaum eingeführt, die Interaktion besteht hauptsächlich aus Dialogen und das Finale überlässt man den Spezialkommandos, die dabei halb Georgien platt machen. Es ist einfacher, sich manche Szenen gezeichnet vorzustellen, als sie zu lesen.
Dabei steht diese simple Form im Widerspruch zu den enorm komplexen Vorgängen, die das Thema bilden. Genmanipulation geht uns alle an, denn wir essen bereits Genmais und genverändertes Soja. Was aber, wenn ein marktbeherrschender Konzern wie etwa Nestlé seine Macht ausnutzen würde, um die Böden und Ernten der Welt in den Griff zu bekommen?
Das Buch ist ein in der zweiten Hälfte recht spannender Wissenschafts- und Wirtschaftsthriller, der in einer Actionorgie gipfelt. Leider schreckt Seth Colton, anders als Agent 007, vor keinem Todesschlag zurück, genauso wenig wie seine Gegner. Ich habe die Leichen nicht gezählt, aber es dürften kaum weniger sein als in Schwarzeneggers Schlachtplatte „Total Recall“. Die Atomexplosion in Sibirien ist dabei nicht berücksichtigt.
Unterm Strich
Was hätten Tom Clancy oder Fred Forsyth aus diesem dankbaren Stoff gemacht?! So aber liegt ein Comicbook in Romanform vor, das sich in wenigen Stunden weglesen lässt, ohne dass Risiken oder Nebenwirkungen auftreten – fragen Sie den Arzt von Ihrem Apotheker, pardon: Ihrem Buchhändler.
Originaltitel: Le troisième fléau, 2003
Aus dem Französischen übersetzt von Karin Meddekis
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