Octavia Butler – Imago (Xenogenesis 3)

Im Alien-Genprogramm: Würdiger Abschluss der Xenogenesis-Trilogie

Die Oankali sind Genhändler. Sie finden die Reste der Menschheit auf der vergifteten und verseuchten Erde – weit in unserer Zukunft. Die Oankali erkennen, dass hier eine Fehlentwicklung des Lebens stattgefunden hat, die in einem Wesen gipfelt, das in seinen Genen ebenso verseucht ist wie die Welt, die es zugrunde gerichtet hat. Das Urteil: Die positiven menschlichen Erbanlagen werden in den galaktischen Genpool aufgenommen, doch als eigene Rasse darf sich der Mensch nicht länger fortpflanzen.

Die dreigeschlechtlichen Oankali haben die Menschen wieder auf der Erde angesiedelt, die nach dem Atomkrieg für Jahrhunderte unbewohnbar war. Jetzt leben Menschen und Aliens zusammen, doch nicht alles ist friedlich..

Jodahs ist ein Konstruierter, halb Mensch, halb Oankali. Er wurde von den Ooloi geschaffen, Angehörige des dritten Geschlechts der Oankali, die die Fähigkeit haben, genetische Veränderungen vorzunehmen. Nicht alle Menschen waren jedoch glücklich über das Eingreifen der fremdartigen Oankali, und die Vermischung der beiden Spezies verlief nicht unproblematisch. Jodahs ist ein Kind zweier Welten – und durch seine Augen könnten die Menschen endlich die Oankali besser verstehen lernen. Doch sind die Menschen wirklich bereit zu diesem Schritt? (Verlagsinfo)

Die Autorin

Octavia E. Butler hatte sich in den USA mit dem Patternist-/Seelenmeister-Zyklus schon Meriten erworben sowie einige Preise für ihre Stories bekommen, bevor ihr mit der Xenogenesis-Trilogie der internationale Durchbruch gelang. Zuletzt errang sie Auszeichnungen für ihre Romane „Parable of the Sower“ und „Parable of the Talents“. Die hochdekorierte Schriftstellerin starb 2005 überraschend bei einem Sturz. Ihr Tod ist ein großer Verlust für das Genre.

Die Autorin war bekannt für ihre unorthodoxe Sicht auf bekannte SF-Themen, etwa bei der Darstellung der Gentechnik in ihrer „Xenogenesis“-Trilogie. Auch die „Parabel vom Sämann“ konfrontiert uns mit der ungewöhnlichen Sichtweise eines fünfzehnjährigen Mädchens im Kalifornien des Jahres 2024.

Die Xenogenesis-Trilogie

1) Dämmerung (Dawn, 1987, dt. 1991)
2) Rituale (Adulthood Rites, 1988; dt. 1991)
3) Imago (Imago, 1989; dt. 1991)

Hintergrund

Die Oankali sind Genhändler. Seit Millionen von Jahren reisen sie mit ihren riesigen gezüchteten Raumschiffen durch die Galaxis, um interessante Lebensformen aufzuspüren. Sie bieten anderen Rassen Erbmaterial an, um sie zum Beispiel von Krankheiten zu heilen, sie zu vervollkommnen und vielgestaltiger zu machen. Als Gegenleistung fordern sie Genmaterial, um es selbst zu nutzen oder es zu ihren Züchtungen zu verwenden.

Sie finden die Reste der Menschheit auf der vergifteten und verseuchten Erde – weit in unserer Zukunft. Die Oankali erkennen, dass hier eine Fehlentwicklung des Lebens stattgefunden hat, die in einem Wesen gipfelt, das in seinen Genen ebenso verseucht ist wie die Welt, die es zugrunde gerichtet hat. Seine Machtgier, seine Neigung zu Hierarchie und Unterdrückung, sein Hass auf alles Fremde (territoriale Aggression) und jede Veränderung macht den Menschen zu einem Gefahrenherd für die Entwicklung des Lebens im Kosmos, der beseitigt werden muss. Das Urteil ist unerbittlich: Die positiven menschlichen Erbanlagen werden in den galaktischen Genpool aufgenommen, doch als eigene Rasse darf sich der Mensch nicht länger fortpflanzen.

Handlung

Der in Band 2 – „Rituale“ – aufgetretene „Konstruierte“ Jodahs, ein Mischling aus Mensch und Oankali, verfügt als Geschlechtsloser über die Gabe des Genheilens und des Gestaltwechsels. Durch seine Abstammung hat er ein menschenähnliches Aussehen, und es gelingt ihm eher als den Oankali, das Vertrauen der gefangen genommenen Erdlinge zu gewinnen und ihnen zu helfen, ihren Abscheu vor den Fremden zu überwinden. Und durch sein in Jahrmillionen biologisch trainiertes Oankali-Erbe setzt er die stärkste Waffe ein, die es gibt: die sexuelle Anziehungskraft…

Mein Eindruck

(Aus der „Wikipedia“) In seinem Essay über den soziobiologischen Hintergrund der Xenogenesis-Trilogie beschreibt J. Adam Johns, wie Butlers Geschichten gegen den Todestrieb ankämpfen, der hinter dem Impuls zur hierarchischen Unterwerfung steht. Das Gegenmittel ist eine inhärente Liebe zum Leben (Biophilie), isbesondere zu unterschiedlichem, fremdem Leben.

In Butlers Geschichten kommen Genmanipulation vor, Rassenvermischung, Symbiose, Mutation, Fremdkontakt, nicht-einvernehmlicher Sex, Verseuchung und andere Formen der Hybridmischung – alles als Mittel, um die soziobiologischen Ursachen der hierarchischen Gewaltanwendung zu korrigieren.

„In Butlers Geschichten findet die Auflösung des menschlichen Körpers sowohl wortwörtlich als auch im übertragenen Sinne statt“, so Jones. „Denn diese Auflösung bezeichnet die grundlegenden Veränderungen, die nötig sind, um eine Welt zu formen, die nicht von hierarchischer Gewaltanwendung organisiert wird.“ Die evolutionäre Reife, die vom gentechnisch veränderten Hybrid-Protagonisten am Schluss erzielt wird, signalisiert daher die mögliche Evolution der dominanten Gemeinschaft hinsichtlich Toleranz, Akzeptanz von Unterschieden einem Verlangen danach, Macht verantwortungsvoll zu gebrauchen.

Alternative Gemeinschaften

Vielfach kommen gemischte Gemeinschaften oder Gemeinden vor. Ihre Mitglieder können Menschen von afrikanischer, europäischer oder asiatischer Herkunft, aber auch Außerirdische sein (wie etwa die N’Tlic in „Bloodchild“). Sie können von einer anderen Rasse wie etwa Vampiren stammen oder aus einer Kreuzung wie in der Xenogenesis-Trilogie (Akin und Jodahs).

In manchen Erzählungen führt die Hybridität der Gemeinschaft zu einer eher flexiblen Sichtweise auf Sexualität und Geschlechtszugehörigkeit. Auf dieser toleranten Grundlage erschafft Butler Bindungen zwischen Gruppen, die im allgemeinen eher als getrennt und unverbunden betrachtet werden. Und sie schlägt Hybridität als „die potenzielle Wurzel eines guten Familien- und gesegneten Gemeindelebens“ vor.

Der/die Überlebende als Held/in

Eine Reihe von Butlers Protagonisten – etwa Lilith in „Xenogenesis 1“ oder Lauren Olamina in „Die Parabel vom Sämann“ – sind quasi enteignete Individuen, die radikale Veränderungen erst erleiden, dann sich damit abfinden und schließlich vollen Herzens akzeptieren, um überleben zu können. Meist handelt es sich um Angehörige von Minderheiten, deren jeweiliger geschichtlicher Hintergrund sie bereits eng mit brutaler Gewaltanwendung und Ausbeutung vertraut gemacht hat. Sie sind schon daran gewöhnt, Kompromisse einzugehen, um zu überleben. Selbst wenn sie – wie etwa Lauren Olamina – mit überragenden Fähigkeiten ausgestattet sind, sehen sich diese Figuren doch dazu gezwungen, unvorstellbares körperliches, geistiges und emotionales Leid sowie Ausgestoßensein zu erfahren. Nur so bewahren sie ein Mindestmaß an Handlungsfähigkeit, um die Menschheit von der Selbstzerstörung abhalten zu können.

Wandel und das Individuum

In vielen Geschichten Butlers werden aus den mutigen Handlungen dieser Einzelnen häufig Handlungen des Verständnisses und mitunter der Liebe, weil sie einen entscheidenden Kompromiss mit den Machthabern erzielen (etwa mit den Oankali). Letzten Endes dient der Fokus, den Butler in ihren Erzählungen auf entrechtete Figuren richtet, sowohl dazu, die geschichtliche Ausbeutung von Minderheiten (Afroamerikaner etc.) zu unterstreichen, als auch dazu auszudrücken, wie die Entschlossenheit eines solchen ausgebeuteten Individuums eine entscheidende Veränderung herbeiführen kann. (Quelle: en.Wikipedia.org; siehe die dortigen Referenzen)

Unterm Strich

Die Oankali werden sehr überzeugend als absolut fremdartige Spezies dargestellt. Dennoch muss die Protagonistin Lilith die abstoßenden Fremden ernstnehmen und sich mit ihnen arrangieren, sonst kostet es ihr Leben. Die pessimistische Autorin sieht nur einen Ausweg für das Überleben der Menschheit – die Gentechnologie.

Die Autorin ist Afroamerikanerin, ihre Vorfahren verschleppten die weißen Sklavenhändler in die Neue Welt – das war bereits die Begegnung mit einer fremden Spezies. In der Sklaverei zwang man sie zur Fortpflanzung und in die Unterdrückung, Opfer der Aggression des weißen Mannes. Die Genhändler-Trilogie ist insofern eine alternative, eventuell utopische Weiterführung des Schicksals von Butlers afrikanischen Vorfahren. Die Wikipedia argumentiert dagegen, dass Butler hierdurch eine Vertreterin des „Afro-Futurismus“ gewesen sei.

Die Handlung von „Imago“ ist sehr lebendig und anrührend erzählt, so dass der Schock der Begegnung mit den Aliens den Leser ebenso direkt trifft wie der Verlauf von Jodahs Leben. Der dritte Band ist ein würdiger Abschluss einer großartigen Trilogie mit wirklich bemerkenswerten Ideen.

Hinweis

Die Trilogie wurde in einem Band 1999 bei Heyne neu aufgelegt und ist seit 2015 auch als Kindle E-Book erhältlich.

Taschenbuch & E-Book: 264/302 Seiten
Originaltitel: Imago, Xenogenesis: 3, 1989.
Aus dem Englischen von Barbara Heidkamp
ISBN-13: 9783453044807

www.heyne.de

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)