Chad Oliver – Die Affenstation

Im afrikanischen Busch: Showdown mit den Aliens

Das Raumschiff der Fremden geht im ostafrikanischen Busch nieder, fernab der Zentren menschlicher Zivilisation. Sie können sich ungestört der Aufgabe widmen, die sie zur Erde geführt hat. Denn nur wenige Menschen leben rings um den Landeort. Doch für diese Handvoll Erdbewohner – unter ihnen der Amerikaner Royce Crawford, der Leiter einer Mesnchenaffenstation, seine Familie und seine Angestellten – beginnen Tage des Entsetzens.

Durch Unwetter von der übrigen Welt abgeschnitten, können sie keine Hilfe erwarten. Sie müssen sich selbst helfen, wenn sie überleben und die Absichten der Fremden durchkreuzen wollen. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Chad(wick) (Symmes) Oliver, geboren 1928 in Cincinnati, Ohio, studierte Englisch und Anthropologie in Texas und promovierte in Los Angeles mit einer Arbeit über Anthropologie. Er hielt sich danach zu Forschungsarbeiten in Kenia auf. Sein erster Roman war „Mists of Dawn“ (1952). Sein wohl bestes Werk ist „Brüder unter fremder Sonne“ („Unearthly Neighbors“, 1960).

„Shadows in the Sun“ (1971, dt. Titel: „Die vom anderen Stern“) und „The Shores of Another Sea“ (1971, dt. Titel: „Die Affenstation“) schildern ähnliche Schwierigkeiten beim Kontakt mit fremdartigen Kulturen: Im ersten erweist sich eine texanische Stadt als getarnte Kolonie von Aliens, im zweiten geht es um eine extraterrestrische Invasion in Afrika und anschließende Kommunikationsversuche.

Die deutschen Kritiker loben besonders Olivers Fähigkeit, anthropologische Theorien detailliert auszudenken und überzeugend in Literatur umzusetzen, auch wenn es ihm an thematischer Breite fehlen mag. Im angelsächsischen Raum, wo die naturwissenschaftliche SF dominiert, sehen ihn die Kritiker als stark unterbewertet an.

Handlung

Der Texaner Royce Crawford betreut für eine amerikanische Stiftung eine Station im kenianischen Busch, um männliche Paviane einzufangen und nach Übersee zu verschiffen. Für wissenschaftliche Versuche ist er als Journalist und Jäger nicht qualifiziert, also hält sich der Stress in Grenzen. Mit seiner Familie und dem einheimischen Personal hat er ein auskömmliches Leben geführt. Bis jetzt.

Als er auf der Jagd ist, um Frischfleisch zu besorgen, beobachtet er ein merkwürdiges Phänomen am Himmel. Ist es ein Meteorit, der zur Erde saust? Aber es gibt keinen Aufschlag. Und dann ist da dieses unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden. Am nächsten Morgen ist einer der Paviane verschwunden und ein zweiter praktisch entzweigerissen. Royce steht vor einem Rätsel. Keiner der Einheimischen würde so etwas tun, denn Paviane sind viel zu gefährliche Tiere – ein Biss der aggressiven Männchen kann einen Arm abtrennen. Sie nehmen es auch mit dem Leoparden auf.

Am zweiten Morgen ist nicht nur ein weiterer Pavian verschwunden, sondern auch der afrikanische Wächter. Er findet ihn erst wieder, als er dem Schwarm der kreisenden Aasvögel folgt: Der Afrikaner ist nur noch ein zerfetzter Kadaver. Royce sucht mit seinem afrikanischen Assistenten den Boden nach Spuren ab. Zwei Paviane – die gestohlenen? Aber was haben diese kantigen Abdrücke zu bedeuten? Diese Sache wird Royce allmählich unheimlich. Er bekommt Angst um Kathy und die Kinder. Nachdem die Polizisten aus dem nächsten Dorf die Leiche in Empfang genommen und alle Zeugen verhört haben, wird Royce entlastet – die Paviane waren die Mörder. Royce möchte am liebsten wild lachen. Zwei Paviane alleine würden niemals einen Menschen angreifen. Es sei denn, sie wurden fremdgesteuert …

Die Station kommt nicht zur Ruhe. Erst bedroht sie ein Buschbrand, dann wird dieser vom ersehnten Monsunregen gelöscht. Doch dieser setzt wiederum alle Wege unter Wasser und unterbricht sämtliche Verkehrswege: Schon bald ist die Station isoliert. Wagemutige Paviane starren Royce aus intelligenten Augen an, andere stehlen Früchte aus der Küche. Auch sie erscheinen ihm fremdgesteuert, als wären sie besessen. Als Royce zu einem Nachbarn fährt, um mit dessen Telefon Hilfe herbeizurufen, muss er feststellen, dass auch in Bob Russell ein fremdes Bewusstsein steckt.

Als er zurückkehrt, ist der Generator zerstört worden: Sie haben keinen Strom mehr, und die Kühlgeräte fallen aus. Die Paviane haben eine zielgerichtete Aktion unternommen, berichtet Kathy, und den verwundbarsten Punkt der Station getroffen. Die Paviane lassen sich zwar leicht einfangen und wieder freilassen, aber diese noble Geste nützt Royce nichts: Seine kleine Tochter wird entführt.

Nun bleibt ihm nichts anderes übrig, als es selbst mit den Aliens aufzunehmen, um sie zurückzubekommen. Aber wie kommuniziert man mit Wesen, die man nie gesehen hat und die einen selbst übernehmen können?

_Mein Eindruck_

Die Geschichte nimmt den Leser mit auf eine Safari in den kenianischen Busch, wie er sich kurz nach der Unabhängigkeit Kenias um 1960 geboten haben muss. Der letzte britische Siedler ist noch im Lande, und schon suchen die ersten amerikanischen Forscher wie Richard Leakey nach dem Ursprung des Menschen. Telefone sind ebenso die Ausnahme wie LKWs und Straßen ohne Schlaglöcher. Man meint fast, selbst vor Ort zu sein, so lebhaft und authentisch sind die Schilderungen.

Die Natur und die sie bewohnenden Lebewesen tierischer wie menschlicher Art bestimmen jedoch das Ambiente dieser uralten Landschaft. Die Angehörigen des Kamba-Stammes jagen noch mit dem Bogen und vergifteten Pfeilen, auch auf Paviane. Nur der Amerikaner Royce Crawford verfügt über die mächtigste Waffe weit und breit, ein leistungsfähiges Jagdgewehr. Aber er weiß, dass er und seine Familie auf das Wohlwollen der Einheimischen angewiesen sind und behandelt die Kamba mit Respekt. Was keineswegs selbstverständlich war.

Als die Aliens landen, ändert sich diese ausgewogene auf eine unheimliche langsame Weise. Die Paviane erlangen auf rätselhafte Weise Intelligenz und können zu einer Bedrohung werden. Es ist, als wäre Arthur C. Clarkes schwarzer Monolith vom Himmel gefallen und hätte den Menschenaffen die Intelligenz gebracht. Die Paviane spielen nun die Rolle von „Mondschauer“ im Kubrick-Film und finden neue Wege, um sich ihrer Feinde zu erwehren.

Als der Dauerregen die Landschaft ringsum unter Wasser setzt, wird die Station quasi zu einer Insel und sieht sich prompt einer Belagerung ausgesetzt. Diese Situation ist raffiniert herbeigeführt und psychologisch überzeugend weiterentwickelt. Der psychische Druck steigt ebenso wie die Gefahr durch die Paviane. Royces Ausfall und Expedition zum Briten Russell bestätigt nur, was wir schon vorausgeahnt haben: Die Aliens können auch das Bewusstsein von Menschen übernehmen.

Die Entführung des Mädchens bringt das Fass schließlich zum Überlaufen. Von friedlicher Koexistenz kann keiner mehr träumen. Die Szene vor dem Raumschiff hat nichts Idyllisches à la „E.T.“ oder „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ an sich. Royce muss befürchten, dass das Schiff jeden Moment mit seiner Tochter abfliegt oder diese, falls er sie wiedersehen sollte, kein menschliches Bewusstsein mehr besitzt. Und was soll er dann mit ihr machen?

Wie man sieht, spitzt der Autor die Handlung bis zu einem dramatischen Moment hin zu. Dennoch rastet Royce, der Mann mit dem Jagdgewehr, nicht aus und greift das Raumschiff an. Vielmehr hat er einen Weg gefunden, um etwas im Austausch für seine Tochter anzubieten …

Die Frage ist allerdings, ob sich der Kapitän der Aliens darauf einlässt.

_Die Übersetzung _

Was für eine Qualität der Übersetzung kann man denn für 2,80 Mark erwarten? Bestimmt kein Meisterwerk der Kunst, und diese Erwartung erfüllt sich denn auch. Taschenbücher waren anno 1973 nur eine winzige Stufe oberhalb eines Groschenhefts angesiedelt und wurden am Bahnsteig verscherbelt. Dementsprechend bescheiden waren Papier, Aufmachung und Textqualität.

Auf Seite 8 ist von texanischen Straßen als „Zementbändern“ die Rede. Entweder handelt sich dabei um Pisten aus Beton (= Zement) oder aus Asphalt. Mit „Zement“ wird eigentlich mehr der Rohstoff für den Beton bezeichnet.

Ansonsten fehlen solche Sprachfehler eigentlich, nicht so jedoch die allfälligen Druckfehler wie der auf Seite 17: „von den gefangen[en] Tieren wegzuscheuchen“.

_Unterm Strich_

In der britischen Tradition eines Arthur C. Clarke entwickelt der amerikanische Anthropologe nicht nur ein Szenario, das in einer authentisch geschilderten Landschaft spielt, sondern auch eine psychologisch spannende Situation. In dieser urtümlichen Landschaft stellt der Anthropologe nicht nur einen Erstkontakt dar, sondern sozusagen die Urszene, in der der Menschenaffe intelligent wurde. Es ist für die SF legitim, dass die Intelligenz quasi vom Himmel kommt – die Bibel weiß es ja auch nicht besser, wie Michelangelos Fresko in der Sixtinischen Kapelle veranschaulicht.

Die Frage, die der Autor aufwirft, ist noch perfider: Wäre es möglich, dass der ach so intelligente Homo sapiens auch heute noch eine Konkurrenz im eigenen Hause bekommen könnte? Dazu müsste nur eine der Menschenaffenarten einen Quantensprung an Intelligenz machen – nicht notwendigerweise durch den Einfluss von Aliens, sondern durch eine Mutation oder eine andere Laune der Natur. Was würde dann passieren?

Der Autor gibt selbst die Antwort: Es muss entweder Kampf geben oder Verständigung. Seine Figur Royce zieht die Kommunikation vor, und die Aliens verduften wieder. Aber die Sache hätte auch viel schlechter ausgehen können. Andersherum gesagt: Die Begegnung mit der neuen Art – Aliens wie intelligenten Pavianen – ist ein Test für die Intelligenz des Homo sapiens. Sollte er schon bei der Begegnung mit extraterrestrischen Rivalen versagen, so sieht es für eine Begegnung mit terrestrischen Gegnern umso düsterer aus, was die Überlebenschancen beider Seiten anbelangt. Arthur C. Clarke hätte an dieser Story seine helle Freude gehabt, doch seine Reaktion ist leider nicht überliefert, soweit ich weiß.

Taschenbuch: 128 Seiten
Originaltitel: The Shores of Another Sea (1971)
Aus dem US-Englischen von Fritz Steinberg
ASIN: B0027TX3X8
www.heyne.de