Pat Frank – Adam und die Frauen (Zukunftsroman)

Staatskomödie um den letzten potenten Mann

“Mr. Adam” aus dem Jahr 1946 ist der erste Roman, den der Journalist Pat Frank veröffentlichte. Es geht darin um die Wirkungen eines Atomunglücks in den USA, das bei Männern zu Unfruchtbarkeit führt – mit der titelgebenden Ausnahme. Nachdem der Roman vom Verlag J. B. Lippincott Company veröffentlicht worden war, wurde er auch in einer Armed Services Edition der Streitkräfte publiziert, anschließend als Taschenbuch 1948 und erneut 1959 (bei Pocket Books). Insgesamt erreichte das Buch eine Auflage von zwei Millionen Exemplaren, ein Erfolg, der es seinem Autor erlaubte, sich bereits 1947 mit nur 39 Jahren in den Ruhestand zu begeben und ein Vollzeitschriftsteller zu werden.

Der Autor

Der US-amerikanische Autor Harry Hart „Pat“ Frank (5.5.1908 – 12.10.1964) was an American writer, newspaperman, and government consultant. Frank’s best known work is the 1959 „Alas, Babylon“ and Forbidden Area.

Laut Wikipedia war er ein Journalist, Infomakler für verschiedene Zeitungen, Agenturen und Regierungsbehörden. Während seiner frühen Karriere lebte er in New York City, Washington, D.C. und während des 2. Weltkriegs in Übersee. Er arbeitete für das „Büro für Kriegsinformationen“ und war als Korrespondent in Italien, Österreich, Deutschland und in der Türkei tätig. 1961 erhielt er die Auszeichnung der konservativen American Heritage Foundation. Er starb 1964 an akuter Entzündung der Bauchspeicheldrüse in Florida.

Werke (Auswahl)

• Mr. Adam (1946)
• An Affair of State (1948)
• Hold Back the Night (1951)
• The Long Way Round (1953)
• Forbidden Area (1956) (also published as “Seven Days to Never”)
• Alas, Babylon (1959)
• How to Survive the H-Bomb…and Why (1962)

Handlung

Das erste Anzeichen der nahenden Katastrophe erkennt Stadtreporter Stephen Decatur Smith durch reinen Zufall. Er sucht gerade im Madison Square Garden von New York City nach Themen für einen Artikel, als er sich den Fuß verstaucht und in die Klinik im oder am Gebäude einen Arzt konsultiert. Der plaudert ein wenig, weil er Steve kennt, dabei erwähnt er, dass er ab 22. Juni keinerlei Reservierungen für Entbindungen mehr hat. Ist das nicht sonderbar? Na, und ob es das ist!

Warum Frauen auf einmal aufhören, Kinder zu kriegen, fragt sich Steve, geht zu seinem abgebrühten Chef, und der setzt ihn auf die Sache an. Sie wird ein großes Ding, denn nicht nur in New York City, sondern quer durch die Staaten und schließlich auch im Rest der Welt enden alle Geburtstermine mehr oder weniger genau – es gibt auch überlange Schwangerschaften – am 22. Juni. Nur Moskau schweigt dazu eisern. Dabei bräuchte man so kurz nach dem verlustreichen Weltkrieg, an dem Steve in Italien teilgenommen hat, dringend Nachwuchs. Die Lage könnte ernst werden.

Die Ursache

Da fällt es Steve ein, dass ja eine Schwangerschaft in der Regel neun Monate dauert, und folglich die Zeugung im vorigen September erfolgt sein müsste beziehungsweise ausfiel. Genau in diesem Monat explodierte jedoch ein Atomtestlabor der Streitkräfte in Mississippi. Nicht dass man auf diesen Bundesstaat verzichten könnte, aber offenbar hat die radioaktive Strahlung eine Sterilisierung aller Männer und vieler Frauen herbeigeführt. Und zwar sogar von Jungen, die sich noch im Mutterleib befanden. Ein Atomwissenschaftler namens Pell, den Steve befragt, streitet einen kausalen Zusammenhang für diesen Übereinstimmung erst ab, dann muss er sich seiner Verantwortung stellen. Steve ist stinksauer, und seine Frau Marge nennt ihn einen Eunuchen. Kann es schlimmer kommen?

Das Wunder

Die Regierung ruft ein Programm für die Wiederfruchtbarmachung ins Leben, aber das nützt natürlich wenig, und die Frauen beginnen zu rebellieren. Sie haben im wahrsten Sinne des Wortes ihr Geburts-Recht verloren. Erst einen Monat später ruft ein Dr. Blandy an: Er werde als Hebamme gleich ein Baby zur Welt bringen. Wo? In Tarrytown, Bundesstaat New York. Wann? Bald! Bei wem? Bei Mrs. Adam – Blandy nennt die Adresse. Sofort bricht Steve auf, und Marge will unbedingt mit, um dieses Wunder zu bestaunen.

Mr. Adam

Der mehr oder weniger glückliche Vater ist nicht nur schüchtern, sondern angesichts der anstehenden Geburt obendrein ein nervöses Wrack, und sie müssen ihn erst einmal beruhigen. Homer Adams Erklärung für das Baby ist einfach: Als Geologe befand er sich zu Zeit der Atomexplosion etwa eine Meile unter Tage in einem Bleibewergwerk in den Rocky Mountains. Diese Isolation hat ihn vor jeglicher Radioaktivität geschützt, und so konnte er mit seiner neuen Frau Mary Ellen erfolgreich ein Baby zeugen. Es wird ein Mädchen. Und da es wie sein Vater rothaarig ist, lassen sich all die zahlreichen, ziemlich ehrenrührigen Zweifel beseitigen.

Weit und breit ist der magere, rothaarige, schüchterne Homer Adam der einzige zeugungsfähige Mann. Erst reißen sich die Medien um ihn, dann die Regierung: Er wird quasi als Staatseigentum requiriert. Worauf das hinausläuft, steht bald in jeder Zeitung: Künstliche Befruchtung, abgekürzt KB. Die Frauen lassen für das Programm eintragen, und Adams Betreuung wird bald vom Nationalen Forschungsrat des Militärs auf das NWFP-Komitee übertragen. Zu diesem gehören einige Ärzte und Geburtshelfer, die Steve bereits bekannt sind. Sie und seine Frau Marge wenden sich an ihn mit einer Bitte: Er sollte quasi das „Kindermädchen für den einzigen potenten Vater der Welt“ spielen, wie Steve es so konzis zusammenfasst. Der Punkt ist nämlich, dass Homer Adam nur zu Steve als einzigem Menschen Vertrauen hat. Und nur das zählt. Dagegen lässt sich nur schwer etwas einwenden. Steve übernimmt den Job, denn außerdem ist das eine erstklassige Story.

Regierungseigentum

Derjenige Staat, das den einzigen potenten Mann beherbergt und in seine Obhut genommen hat, besitzt die Macht, die Zukunft der Menschheit zu kontrollieren. Das ist eine unglaubliche Macht, und jeder will sie haben. Deshalb muss eine Behörde von ausreichend großen Ausmaßen aus dem Boden gestampft werden, die die zahllosen Interessen abwägen und notfalls abwehren kann. Diese Behörde ist das NWFP, das Nationale Wiederfruchtbarmachungsprogramm. Diese Behörde fordert Steve an und sortiert ihn mit einiger Mühe an der Spitze des Organigramms ein: als Sonderassistent des Direktors. Also ganz weit weg von Homer Adam, der für die „Produktion“ und den „Betrieb“ zuständig ist, ganz unten am Fuß der Pyramide.

Die Rivalin

Doch Steve hat ein gutes Herz und steht auf der Seite dieses einsamen Produktionshelferleins namens Homer Adam: So nimmt das Verhängnis ganz langsam seinen Lauf. Um den inzwischen zum einsamen Hungerkünstler herabgesunkenen Homer aufzumuntern, schickt er die Soldaten weg und nimmt ihn mit ins öffentliche Leben. In einem High Society Klub wird Homer mit einer Tänzerin und (hoffentlich) baldigen Filmsternchen namens Kathy Riddell, geborene Kitty Ruppe, bekannt gemacht. Schon bald fachsimpelt die Archäologentochter bestens mit dem verhinderten Archäologen über Azteken und Tolteken. Im Handumdrehen ist der auf Liebesentzug stehende Homer in sie verliebt – und verbringt eine Nacht mit ihr. Ist was passiert? Als vorbeugende Maßnahme sorgt Steve dafür, dass Homers Frau Mary Ellen nach Washington, D.C. kommt. Dieser Schachzug wiederum bringt Homer in einen emotionalen Zwiespalt.

Hahnrei

Steve schaltet den Geheimdienst ein, um Kathy Riddell alias Kitty Ruppe auf den Zahn zu fühlen. Was führt sie im Schilde? Offenbar nichts Gutes, denn sie ruft Homer laufend an. Schon bald kriegt das eine Senatorin der Opposition spitz, und Homers Intimleben wird zu einem nationalen Politikum. Das bekommt seinem Selbstbewusstsein nicht besonders. Als Steves Frau Marge mit anderen zu Besuch kommt, äußert sie wiederholt ihren Kinderwunsch.

Steve fühlt sich wie ein Hahnrei, doch als auch Homer nicht abgeneigt ist, per KB (Künstliche Befruchtung) Marge ein Kind zu schenken, muss er sich schwer am Riemen reißen. Aber hat sie überhaupt das politische, soziale und moralische Recht, als erste ein Kind von ihm zu bekommen? Wieder schlagen die Wellen hoch, und der einzige diplomatische Ausweg besteht in einer Lotterie. Die wird natürlich vom NWFP durchgeführt.

Noch eine Rivalin

Das Glückslos trifft ausgerechnet jene Senatorin der Opposition, die bisher so viel Ärger gemacht hat. Dass sie nach drei Ehen noch immer keine Kinder hat, gibt Steve zu denken und treibt Homer auf die Barrikaden. Muss er dieser reichen Schnepfe wirklich Kinder schenken? Es scheint ihm eine Vergeudung zu sein. Steve kann es ihm nachfühlen, doch das Heft des Handelns wird ihm aus der Hand genommen. Endlich trägt Kathy Riddells Intrige Früchte. Als Steve am nächsten Morgen aufwacht, bekommt er die Schreckensbotschaft zum Frühstück serviert: Homer Adam ist untergetaucht…

Mein Eindruck

Hier endet die Handlung noch längst nicht, und der Leser hat noch viele Gelegenheiten, sich über wunderliche Wendungen der Handlung zu freuen. Es bleibt spannend, denn nacheinander stellt Homer Adam nicht nur die Mitarbeit ein, wird von Kathys Hintermännern ausgetrickst und sterilisiert sich am Ende selbst. Ist dies das Ende der Menschheit? O nein, denn inzwischen hat Marge einen sehr seltsamen Appetit auf saure Gurken entwickelt…

Warnung

Ein aufmerksamer Leser könnte sich fragen, warum ausgerechnet dieses Buch eine Auflage von zwei Millionen Exemplaren erzielt hat. Sicher, die US Army kauft gleich in Bausch und Bogen, aber es muss auch eine Nachfrage gegeben haben, und die kam wohl nicht nur von der US Army. Der Leser wird mit den potentiell unvorhersehbaren Folgen einer radioaktiven Verstrahlung bekannt gemacht – eine Information, die ein Jahr nach den beiden Atombombenabwürfen auf Japan als ernstes Warnsignal verstanden worden sein dürfte.

Dass es diesmal Wissenschaftler sind, die die Explosion verursacht haben – womöglich sogar absichtlich -, zeigt den Scharfblick des Autors: Die Verantwortung für A-Bomben-Zeug erfordert eben auch eine entsprechende Ethik auf seiten der Wissenschaft, nicht nur bei den Militärs. Man sehe sich das traurige Schicksal Robert Oppenheimers an, dem „Vater der Atombombe“.

Groteske Dimensionen

Zweitens macht der Autor seine Leserschaft mit der grotesk aufgeblähten Regierungsbürokratie der US-amerikanischen Hauptstadt vertraut. Da die Handlung eh schon auf dem Niveau einer satirischen Posse angesiedelt ist, wirken die Pappnasen, die nun bei der neuen Behörde NWFP das Sagen haben, wie Mad Men, also Leute, die den Verstand verloren haben. Doch in ihrem Engagement für die neue Behörde entlarven sie sich selbst. Klutz beispielsweise, ein junger geschniegelter Karrierehengst, malt für sein Leben gern Organigramme auf Servietten, um dem Neuling Steve eine Vorstellung davon zu geben, wohin er, Steve, einsortiert werden könnte. Die Notlösung: Steve wird Sonderbeauftragter des Direktors, also ganz oben. Es spricht Bände, dass Homer Adam, der letzte fruchtbare Mann, ganz unten in dieser Hierarchie angesiedelt. Er ist ja bloß in der Produktion. Kafka lässt grüßen.

Die Frauen, die Liebe

Der deutsche Buchtitel bezieht sich schon 1953 auf diejenigen, die am meisten von Mr. Adams Zeugungsfähigkeit profitieren: auf die Frauen. Wieder zeigt sich in der konturenreichen Zeichnung dieser zahlreichen Frauenfiguren das scharfe Auge, aber auch die Lebenserfahrung des Autors – er hatte sich ja schon in Europa umgesehen und mit 38 Jahren auch in Ehedingen erfahren. Wovor Autoren, die für zwölfjährige Jungs und Mädchen schreiben, die Augen verschließen (sie gehorchten der Zensur), da richtet er sein Augenmerk auf die zahlreichen Spielarten der zwischenmenschlichen Beziehungen.

Es gibt kaum eine weibliche Figur, die keine eigennützigen Absichten oder zumindest Hintergedanken und Wünsche aufweist. Es ist ein Gradmesser auf der Skala zwischen Egoismus und Altruismus, wenn eine Frauenfigur ihre Wünsche anmeldet. Marge will beispielsweise, was alle Frauen wollen: ein Kind, und zwar möglichst bald, denn ihre biologische Zeitbombe tickt immer lauter. Ihrem persönliches Interesse steht das nationale Interesse gegenüber: Es sollen möglichst viele Frauen befruchtet werden.

Die größten Rechte auf Homer Adam kann natürlich seine Frau anmelden, aber sie ist in dramaturgischer Hinsicht die am wenigsten interessante Figur. Sie muss es mit Senatorinnen und Filmsternchen aufnehmen, die sich Homer gerne unter den Nagel reißen würden. Ihre Leidenschaft erscheint umso gieriger und grotesker, je unansehnlicher das Objekt ihrer Begierde geschildert wird. Homer ist eine zwei Meter große Bohnenstange, die noch dazu abstehendes rotes Haar aufweist.

Missbrauch

Homer selbst ein gebildeter Mann mit einer Persönlichkeit. Sein größter Wunsch: normal und gewöhnlich zu sein; ein verständlicher Wunsch, wenn man seine Physis bedenkt. Als ihn das NWFP unter seine Fittiche nimmt, also rekrutiert, und mit Wohltaten überschüttet, ist er an die mittelamerikanische Legende von Tezcatlipoca: ((https://de.wikipedia.org/wiki/Tezcatlipoca)) erinnert. Der Titelheld der Legende wird für ein Jahr verwöhnt und bekommt jede Frau, die er beglücken will. Doch nach Ablauf dieses Jahres wird er den Göttern geopfert und durch einen anderen Jüngling ersetzt.

Dass Homer ausgerechnet diese Legende einfällt, verrät dem Leser viel über sein Bewusstsein: Homer Adam ahnt, dass ihm nichts Gutes zuteilwerden wird, sobald er seine Schuldigkeit als Nationaleigentum getan haben wird. Deshalb erscheint ihm auch das Bruchbrennen mit Kitty Ruppe auch so verlockend. Er ahnt nicht, dass er vom Regen in die Traufe gelangt: Kittys Hintermänner sind genau jene Wissenschaftler, die Mississippi in die Luft gejagt haben. Nun wollen sie ihn als Versuchskaninchen benutzen. Die Skala für Egoismus schlägt ganz nach rechts aus.

Internationale Interessen

Dass der Autor einige andere Völker als die heimatlichen Amis kennengelernt hat, zeigt sich schon rasch, als nach Homers „Entdeckung“ (als wäre sein Entdecker eine Art Kolumbus) ein Staat nach dem anderen seine Interessen anmeldet. Sie wollen von dieser „nationalen Ressource“ ihren „angemessen“ Anteil erhalten. Dabei legt jedes Land bei der Offenlegung seiner Wünsche seinen Nationalcharakter an den Tag.

Die Briten sind die lautesten und drängeln am meisten, denn schließlich gibt es ja „eine besondere Beziehung“ zwischen Briten und Amis. Die Russen sind die merkwürdigsten Ausländer, denn nicht nur sind sie Kommunisten, sondern schon 1946 im „Kalten Krieg“. Sie halten die Information über den Ausfall ihrer Männer ebenso zurück wie die Nachricht, es gebe zwei zeugungsfähige Mongolen in der Äußeren Mongolei. Dabei fragt sich unser Chronist Steve allerdings, ob für die Äußere Mongolei nicht viel mehr die Chinesen zuständig seien – China war 1946 noch nicht von der KP Maos erobert worden und somit ein Zweifelsfall.

Der Knackpunkt

Überhaupt operiert der Autor mit zahlreichen solchen Unwägbarkeiten. Das macht sein Garn unvorhersehbar und spannend. Und weil es sich um eine quasi-erotische Posse handelt, wird die ganze politische Ebene stark relativiert. Der Leser muss sich entscheiden: Hält er die Liebe und Fortpflanzung einzelner Menschen („the pursuit of happiness“ wird von der US-Verfassung garantiert) wichtiger als solche politischen Ränke, oder sollte das Wohl der Allgemeinheit bzw. der größeren Zahl über das Wohl von Individuen gestellt werden?

Die Übersetzung

S. 37: Der Musterbescheid Homers wird als FV und AV zitiert. Damit können heutige Leser nichts mehr anfangen. Das V steht für „verwendungsfähig“. AV steht für „arbeitsverwendungsfähig“. FV könnte für „garnisonverwendungsfähig“ bzw. „festungsverwendungsfähig“ stehen.

S. 50: “doppen”: Fachausdruck aus der Buchmacherei zu Pferderennen. Der Kunde setzt doppelt. Sinn und Zweck wird im Buch geschildert.

S. 64: “ein Gentleman von fraglicher Hautfarbe“: Die Hautfarbe ist nicht „fraglich“, sondern „fragwürdig“ (und höchstwahrscheinlich sehr dunkel, aber das durften 1946 nur die wenigsten Autoren schreiben).

S. 102: “Toltecs” = “die Tolteken” ((https://de.wikipedia.org/wiki/Tolteken)) waren ein Volk in Mittelamerika.

S. 108: “Ich kenne nur wenige Frauen, die auch mit einer blanken Nase gut aussehen.“ Vielleicht ist mit der „blanken Nase“ einfach Ungeschminktheit gemeint.

S. 123: “Drogen oder Kurzwaren“: Mit „Drogen“ bzw. „drugs“ meinen die Amerikaner nicht etwa Rauschdrogen, sondern simple Medikamente. Ahnungslose Übersetzer fallen auf diesen feinen Unterschied immer noch herein.

S. 132: „als[o] indem man Mr. Adam sabotiere“: Das O scheint mir hier sehr nötig zu sein.

Zudem ist immer noch von „Negern“ die Rede, aber das war 1953 die übliche Bezeichnung für Afroamerikaner.

Unterm Strich

Ich habe den Roman in wenigen Tagen gelesen, denn der Text besteht fast nur aus Dialogen. Deren Witz erinnert an Sittenkomödien von Georges Feydeau und spiegeln die jeweilige Situation wider. Die Situation ändert sich allerdings in regelmäßigen Abständen, so dass an keinem Punkt Langeweile aufkommen kann. So etwas wie einen roten Faden kann der Leser ebenfalls erkennen, denn der dreht sich einerseits um das Schicksal des bedauernswerten Homer Adam, andererseits um die diversen Frauen, die sich darum bemühen, seine Gunst zu gewinnen – dabei ist Homer bereits in festen Händen.

Jeder Leser seiner Zeit erkannte den Roman als „Komödie“, die unterhalten will, und als „Scherz“. Aber keine Geringere als die Präsidentengattin Eleanor Roosevelt schrieb in ihrer Kolumne vom September 1946, dass das Werk zwar „pure Einbildung“ sei, „aber gerade genug Möglichkeit bestehe, dass diese Phantasie Wirklichkeit werden könnte, um sie einen mit Interesse lesen zu lassen“. „The New York Times” beurteilte das Buch als teils “Phantasie, teils Satire“ (lampoon), doch es sei mit „Klarheit, Gewandtheit und Sinn für Humor“ geschrieben.“ Es bringe einen zum Schmunzeln, doch liefere es auch genügend „Futter“ für Gedanken, das viele Leser „gut verdaulich“ finden sollten und dürften.

Die Zukunft ist strahlend

Diese intellektuelle Gehalt, also das „Futter für Gedanken“, ist bis heute noch gültig. Denn weder die Atomraketen sind abgeschafft worden noch die Forschungslabore, in denen neue Methoden entwickelt werden, Atomraketen möglichst tödlich zu machen. Ja, manche Staaten brüsten sich damit, die tödlichsten Atomraketen überhaupt zu besitzen. Sie machen sich damit lediglich zu vorrangigen Zielen.

Dass die Atomforschung und die damit verbundenen Tests bereits Tausende, wenn nicht sogar Millionen Opfer gefordert haben, wird in den Schlagzeilen nie erwähnt. Von der Atomkatastrophe im südlichen Ural haben nur die Geheimdienste erfahren, und von den Atomtests, die die VR China in der entlegenen Provinz Sinkiang alias Xinjiang durchführt bzw. durchgeführt hat, erfahren nur die Geheimdienste. Welche Auswirkungen die Ausbreitung der radioaktiven Substanzen wie etwa der Isotope von Cäsium und Strontium gehabt hat, wird strikt unter Verschluss gehalten. Die Weltbevölkerung würde sonst in Panik ausbrechen. Sie würde die Fortpflanzung als sinnlos einstellen.

Zwei Fragen

In Pat Franks Buch haben die Frauen diese Hoffnung noch nicht verloren. Ganz im Gegenteil: Sie wollen unbedingt schwanger werden, um die verstrahlte Erde erneut bevölkern zu können, als gälte es, ein altes biblisches Gebot zu erfüllen. Wieviel Sinn das ergibt, mag sich jeder Leser selbst fragen. Aber die Frage ist ein Hinweis darauf, dass der Autor mit seinem aktuellen Wissensstand die Folgen des Fall-outs massiv unterschätzte. (Er veröffentlichte 1962 auch ein Buch darüber, wie man die H-Bombe „überleben“ könnte). Damit war er 1946 keineswegs allein, denn die Verstrahlung war bis dato kaum erforscht. Genauso wenig wie die Folgen des Zigarettenkonsums.

Eine zweite Frage lautet natürlich von Anfang: Warum sind nur die Männer impotent geworden, die Frauen aber weiterhin fruchtbar geblieben? Das ist die Prämisse, auf deren Grundlage der ganze Plot funktioniert. Wer diese Prämisse nicht als dichterische Freit für das anschließende Gedankenspiel akzeptieren kann, sollte dieses Buch weiträumig umfahren.

Andererseits ist heutzutage gar keine Verstrahlung mehr nötig, um Männer ihrer Zeugungsfähigkeit zu berauben: Die Umweltverschmutzung auf chemischer Ebene hat inzwischen dafür gesorgt, dass die Spermienzahl pro Mann drastisch zurückgeht; die Fruchtbarkeitskliniken werden überrannt. Wir sind inzwischen, dort Pat Franks Szenario ansetzt: Jede Frau kann sich glücklich schätzen, wenn sie ein Kind erwarten kann.

Lesetipp

Nun könnte man annehmen, dass der Autor wenigstens in seiner fiktionalen Schilderung der Post-Apokalypse in seinem populärsten Roman „Alas Babylon“ halbwegs realistisch geblieben wäre. Weit gefehlt. Selbst noch 1959 unterschätzt er die Folgender Verstrahlung, sondern fasst die Lage, in der sich die Erde nach dem Atomkrieg befindet, als Chance für die Bewährung junger Menschen auf. Jetzt heißt nicht mehr „Go West, young man!“, sondern wieder mal „Geht hin und mehret euch!“ – zumindest in jenem idyllischen Ort in Florida, der den Schauplatz liefert.

Für die vielen Fehler in der Übersetzung gibt es Punktabzug.

Hardcover: 250 Seiten
O-Titel: Mr. Adam, 1946;
Kurt Desch Verlag, München, 1952
Aus dem US-Englischen von Sam und Tandi Shulits.

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