Preethi Nair – Die Freischwimmerin

Bhanu ist 59 Jahre alt, hat zwei erwachsene Kinder, ein nettes Häuschen und blickt auf 40 Ehejahre zurück. Das soll gebührend gefeiert und auch das Ehegelübte mit ihren Mann Hiten erneuert werden. Da begegnet Bhanu plötzlich der großen Liebe ihrer Jugendjahre wieder. Deepak ist der Mann, der ihr als Heranwachsende das Gefühl gegeben hatte, ein wertvoller Mensch zu sein und sie als geliebte Erinnerung durch ihr ganzes Leben begleitet hat. Nun ist er endlich wieder da und Bhanu stellt ihre ganze Existenz in Frage.

In einem sarkastisch witzigen Plauderton erzählt Preethi Nair die Geschichte einer Frau, die zum Ende ihres Lebens hin feststellen muss, dass sie sich stets den Regeln der indischstämmigen Gesellschaft, die ihre Mitglieder in London ebenso beeinflusst wie in Indien selbst, gehalten hat. Außerdem ist sie Ratschlägen und Wünschen der Personen gefolgt, die glaubten, es gut mit ihr zu meinen. Angesichts ihrer traurigen Kindheit kein Wunder.

Nach und nach erfährt man die traumatischen Geschichten vom gewalttätigen Vater, der eines Tages einfach verschwindet, von der Mutter, die ihr Kind bei Verwandten zurücklässt und Selbstmord begeht und wie Bhanu sich ein Leben in London aufzubauen versucht. Spitzzüngig und ohne auf Mitleid aus zu sein, breitet die Frau ihr ungewöhnliches Leben vor den Lesenden aus, dass sie tief verstrickt in kulturelle Konventionen zeigt. Man versteht, dass sie in eine Mühle geraten ist, aus der sie bisher keinen Ausweg finden konnte, weil ihr nicht nur Selbstbewusstsein, sondern auch die Unterstützung einer Freundin aus einem anderen Kulturkreis fehlten. So hat sie sich mit dem gutbürgerlichen Leben in einem Londoner Vorort arrangiert, wenngleich es sie nicht glücklich macht. Ist Deep nach so vielen Jahren endlich der Anstoß dafür, einmal das zu tun, was sie wirklich möchte, einmal nur an sich zu denken und die Fesseln ihres festgefahrenen Lebens abzustreifen?

Der Roman liest sich so flüssig und unkompliziert, als würde eine gute Freundin aus dem Nähkästchen plaudern. Vieles, was ironisch erzählt wird, ist eigentlich tieftraurig und führt dazu, dass man Bewunderung dafür empfindet, wie Bhanu ihr Leben gemeistert hat, obwohl es nicht das war, was sie sich gewünscht hat. Am Ende ist es nicht sicher, wohin Bhanu aufbricht. Es ist nicht klar, ob Deepak das Ziel ihres neuen Weges ist oder nur der Anstoß bleibt, der sie losgehen lässt. Doch es ist auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass sie sich losreißt und endlich ihren eigenen Weg beschreitet. Nach 340 Seiten versteht man, dass diese Frau zu stark ist, als dass sie sich dauerhaft hinter ihrer Lebenslüge verstecken könnte. Ein wunderbar ehrliches Buch über Frauen, Ehe und Familie.

Gebundene Ausgabe: 340 Seiten
ISBN-13: ‎978-3426282694
https://www.droemer-knaur.de

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