Der Autor
Klaus Jürgen Schmidt, geboren 1944, lernte als Kind Junge-Pionier-Arbeit und „Völkerfreundschaft“ à la DDR kennen, später in der Bundesrepublik Deutschland „Straßenrevolution“ à la 1968 und das Ringen um Dritte-Welt-Solidarität beim Redakteursmarsch über Korridore öffentlich-rechtlicher Funkhäuser. Als Radio-Reporter sammelte er Erfahrungen in Indochina, der Pazifischen Inselwelt, Südostasien, Lateinamerika, Nordafrika und Arabien.
Anfang der Achtziger startete er ein Projekt, bei dem Menschen aus Nord und Süd per Satellitenübertragung miteinander ins Gespräch gebracht werden sollten, im Zuge öffentlicher Radiopräsenz. Seither ist es ihm ein besonderes Anliegen, den Menschen aus Afrika eine Stimme zu geben, was er schließlich in Form von „Radiobrücke Übersee“ in Deutschland und „Radio Bridge Overseas“ in Simbabwe, einer Multimedia-Initiative mit Trainingsofferten für junge Journalisten aus Nord und Süd, auch realisierte. Auf der EXPO 2000 in Hannover stellte er sein Projekt erstmals vor.
Klaus Jürgen Schmidt lebt und arbeitet in Harare (Simbabwe) bzw. im niedersächsischen Dolldorf.
Story
Als die dunkelhäutige Lainet zusammen mit ihrer deutschen Freundin mit einem Schlauchboot über den Sambesi paddelt, ahnen sie noch nicht, dass sie schon sehr bald aufgrund verschiedener Schicksalsfügungen auseinandergerissen werden. Beim Baden nahe ihres Ankerplatzes werden sie von einem Verbund von Rangern entdeckt, deren Anführer Lainet eröffnet, dass er sie gerne wiedersehen möchte. Nach einem Streit begibt sich Lainet für einige Zeit in die Wildnis und trifft dort tatsächlich diesen Ranger wieder. Eddington, so sein Name, hängt schwer verletzt an einem Baum und kann Lainet gerade noch mitteilen, dass sie beide von diesem Ort verschwinden müssen, weil Gefahr droht. Lainet schleppt den viel schwereren Ranger bis zum nächsten Dorf und lässt ihn dort in der Heimat ihres Vaters pflegen. Doch der Mann braucht professionelle Hilfe, und als schließlich ein Hubschrauber herbeigeschafft werden kann, um Eddington ins nächste Krankenhaus abzutransportieren, geraten die beiden in eine Falle …
Derweil ist Gertrud von Wilderern geschnappt worden, die ihr aber nicht feindlich gesinnt sind. Getrud bietet ihnen einen dicken Batzen Geld für ihre Lebensgeschichte und verspricht, diese in Deutschland zu publizieren. Bei ihrer Wanderung mit der zweiköpfigen Gruppe stößt sie jedoch auf ein bekanntes deutsches Gesicht, das anscheinend Mitglied einer Schmugglerbande ist. Zurück in Hamburg, berichtet die Journalistin ihrer Agentur von ihrer Entdeckung, woraufhin sie sich gemeinsam mit ihrem Kollegen Stefan Sager zurück nach Simbabwe begibt, um den anscheinend korrupten Intrigen auf die Spur zu kommen. Doch schon bald werden die beiden getrennt, und während Gertrud in Simbabwe nach ihrer Freundin und den Hintergründen für den groß angelegten Schmuggel sucht, forscht Sager auf verschiedenen Kontinenten nach den Machenschaften, die über die Landesgrenzen Simbabwes hinaus langsam das Rätsel zu einer politischen Verschwörung offenbaren …
Meine Meinung
Im begleitenden Info wird „Trommeln im Elfenbeinturm“ als interaktiver Thriller angepriesen und darauf verwiesen, dass man die verschiedenen Schauplätze der Handlung auch im Internet unter http://www.radiobridge.net verfolgen kann. Dort kann man dann auch näher in die Traditionen des simbabwischen Volkes eintauchen und generell das hier von Klaus Jürgen Schmidt dargestellte, fundierte Hintergrundwissen zur politischen Lage sowie zur Kultur im afrikanischen Staat noch einmal gebündelt überblicken.
Das soll aber nicht heißen, dass das Buch ausschließlich in dieser Form funktioniert – aber auch nicht, dass „Trommeln im Elfenbeinturm“ tatsächlich ein Thriller im klassischen Sinne ist. Vielmehr zeichnet der Autor hier ein Bild von fiktiven Einzelschicksalen in der Dritten Welt, die sich sehr gut in das realistische Geschehen der dortigen politischen Lage im Jahre 1989 – zu diesem Zeitpunkt spielt das Buch – einordnen lassen. Aber all das geschieht im Rahmen einer spannenden, stetig an Dramaturgie gewinnenden Handlung, die sich in viele verschiedene Unterpunkte gliedern lässt.
Zunächst einmal wären da die beiden Hauptakteure Lainet Musora und Gertrud Steiner, die mitten in einen Konflikt geraten und im Laufe der Handlung unbewusst Eigenschaften annehmen, die für die jeweils andere Kultur typisch sind. Gertrud denkt immer mehr im ‚afrikanischen‘ Sinne, während Lainet sich gerade im Hinblick auf ihr Schamgefühl und in ihrer generellen Rolle als Frau westlich orientiert. Im Verlaufe der Geschichte entwickelt sich zwischen ihnen eine sehr warme Beziehung, die den beiden Karrierefrauen gerade in den Momenten bewusst wird, in denen sie von der jeweils anderen Part befürchten, dass sie während der nach einem Zwist entstandenen Trennung umgekommen sei.
Der Plot wechselt daher auch von Kapitel zu Kapitel die Schauplätze und beschreibt einerseits Lainets schier hoffnungslose Suche nach entsprechender Versorgung für den Ranger Eddington, bei der es zu einer sehr speziellen Begegnung kommt, als Lainet ihre Vergangenheit vergisst und ihr Schamgefühl besiegt und mit dem bewusstlosen Ranger Geschlechtsverkehr hat. Dass die Frau auf diese Art und Weise schwanger wird, ist zwar etwas abgehoben dargestellt, erweitert aber das Drama, das sich um den schwer verletzten Ranger und die mit sich selbst ringende Lainet entwickelt hat. Hinzu kommen schließlich das gespaltene Verhältnis zu ihrem Vater und die verschollenen Erinnerungen aus ihrer Kindheit, die Lainet langsam wieder aufzuarbeiten beginnt, und die sie im Nachhinein auch seelisch schwer belasten.
Auf der anderen Seite wittert Gertrud den beruflichen Durchbruch mit einer sensationellen Story und kehrt mit Unterstützung der Redaktion ihres Magazins zurück nach Simbabwe. Auf der Suche nach Lainet entdeckt sie immer mehr Fakten, die darauf schließen lassen, dass höchste Institutionen und Politiker in eine internationale Konspiration verwickelt sind, und beginnt schließlich, auf eigene Faust zu ermitteln. Doch sie gerät selber in die Schusslinie und wird von der Jägerin zur Gejagten, aber wie der Zufall es so will, trifft sie schließlich wieder auf ihre alte Freundin, mit der sie schließlich die noch fehlenden Zusammenhänge erkundet – stets verfolgt von unbekannten Mächten, denen bekannt ist, dass Gertrud bereits mehr weiß, als sie wissen sollte.
Die Entwicklung der beiden Damen ist im Laufe des Buches jedoch unterschiedlich. Lainet ist sehr mit ihrem Seelenleben beschäftigt und setzt sich mit ihren Verlusten auseinander, während es Gertrud vornehmlich darum geht, Korruption aufzudecken und mit einer Sensationsstory die Verantwortlichen zu entlarven. Doch gerade diese Mischung funktioniert im Endeffekt sehr gut und kombiniert schließlich innerliche Zerrissenheit und Emotionalität mit einer spannungsvollen, aber auch ziemlich komplexen Handlung, bei der es sich letztendlich sicher lohnt, die auf der Homepage vorgestellten Informationen zu verarbeiten, weil es speziell im zweiten Teil des Buches zunehmend schwerer wird, das gesammelte politische Wissen adäquat zu überschauen.
Dies ist nämlich auch der einzige Punkt, an dem „Trommeln im Elfenbeinturm“ Probleme bereitet; Klaus Jürgen Schmidt führt sehr oft verschiedene Ereignise, die mit diversen politischen Begebenheiten in Zusammenhang stehen, ziemlich ausfühlich aus und schmeißt dabei mit Spezialwissen um sich, die man, ohne mit der Materie vertraut zu sein, nicht direkt wird einordnen können. Zwar bemüht er sich merklich um Transparenz, doch gerade wenn er auf Geschehnise aus der afrikanischen Politik zu sprechen kommt, gerät die Geschichte bisweilen schon mal aus den Fugen. Darunter leidet schließlich auch die eigentliche Story, sprich die große Verschwörung, denn zum Ende hin wird die Handlung vor Ort in Afrika dermaßen komplex, dass der Autor versäumt, den Punkt zu treffen, oder besser gesagt den Aufbau eines endgültigen Höhepunkts verpasst.
Deshalb muss man nun auch sehen, aus welcher Perspektive man das Buch betrachtet: Möchte man einen echten Thriller mit logischem Aufbau und klarer Struktur, wird man in „Trommeln im Elfenbeinturm“ kein geeignetes Objekt finden; möchte man aber ein Stück Zeitgeschichte aufsaugen, einen sehr tiefgängigen Blick in die afrikanische (und speziell in die simbabwische) Kultur erhaschen, tolle Beziehungsgeflechte entdecken und realitätsnahe Schicksale erleben, dann ist dieses Buch eine echter Schatz.
386 Seiten
ISBN-13: 978-3833429606