Tome / Janry – Spirou & Fantasio: Abenteuer in Moskau (Band 40)

Lucky Luke und Asterix sind Klassiker der frankobelgischen Comickultur und hierzulande allseits bekannt. Aber wie sieht es mit ihren Kollegen Spirou und Fantasio aus? Wer die zwei Weltenbummler noch nicht kennen lernen konnte, hat jetzt die Gelegenheit dazu. Denn seit einigen Jahren legt der |Carlsen|-Verlag die Abenteuer der zwei Freunde neu auf. Jüngst erschien Band 40 der Reihe: „Abenteuer in Moskau“.

Eigentlich wollten Spirou und Fantasio Reportagen über Kokospalmen machen. Stattdessen sitzen sie auf der Rückbank einer muffigen Limousine, auf dem Vordersitz die beiden KGB-Agenten Wapatrowitsch und Schmonzejew. Letzterer dreht sich lässig um, blickt die beiden Abenteurer aus Frankreich trübe an und verdeutlicht ihnen mit wenigen Worten ihre Situation: „Jetzt ihrr arrbeitet fürr KGB!“

Nachdem der Page mit der roten Kappe und der rasende Reporter am Flughafen entführt und in ein Flugzeug nach Moskau verfrachtet wurden, nimmt die Geschichte schnell ihren Lauf. Spirou und Fantasio sind beim KGB für ihr Können bekannt und sollen dem russischen Geheimdienst dabei helfen, den Mafia-Boss Tanaziof aus dem Verkehr zu ziehen. Für die groben Methoden, mit denen die beiden Abenteurer nach Russland geholt wurden, entschuldigt man sich mit knappen Worten.

Obwohl Spirou und Fantasio lieber in den Süden möchten, anstatt sich in Moskau bei Minus 35 Grad die Ohren abzufrieren, interessiert sie die Angelegenheit. Spätestens als ein Attentäter auf sie schießt, die Limousine ins Schleudern gerät und auf der zugefrorenen Moskwa aufschlägt, nehmen sich die beiden Abenteurer des Falles an. Bald stellt sich heraus, dass der ominöse Prinz Tanaziof in Wirklichkeit Fantasios Vetter Zantafio ist. Dieser Erzrivale sollte regelmäßigen Spirou-und-Fantasio-Lesern ein Begriff sein, denn nicht nur einmal machte er den beiden Titelhelden in der Vergangenheit das Leben schwer (s. Bände 2, 5, 6, 14, 21). Nun gilt es, Zantafios Umtriebe wieder einmal zu stoppen und ihn und seinen Kumpanen Nikita Nikolajew aufzuhalten. Die beiden Bösewichter haben nicht weniger im Sinn, als ein nationales Desaster herbeizuführen. Sie wollen ein Relikt der russischen Revolutions-Ära stehlen, den Leichnam von Wladimir Iljitsch Uljanow, besser bekannt als Lenin.

Zur Vorbereitung der „Abenteuer in Moskau“ waren die beiden Autoren Tome und Janry selbst einige Wochen in der russischen Metropole unterwegs, um sich ein realistisches Bild von der Stadt zu machen. Die Handlung jagt die beiden Titelhelden kreuz und quer durch Moskaus Straßen und entpuppt sich bald als eine Art gezeichnete Action-Sight-Seeing-Tour. Der Rote Platz, das Moskauer Schwimmbad, das Lenin-Mausoleum, der Winterpalast des Zaren und das Bolschoi-Theater dürfen da nicht fehlen. Gewürzt ist die Geschichte mit Ausschnitten russischer Lebensart: Neben Wodka, Zobelmützen und Babuschkas begegnet der Leser Russischem Roulette, Eisbaden und dem heißblütigen männlichen Begrüßungskuss.

Wer Tim und Struppi, Lucky Luke und Asterix kennt, wird sich beim Durchblättern eines Spirou-und-Fantasio-Abenteuers an den Zeichenstil dieser Serien erinnert fühlen. Obwohl Spirou und Fantasio alles andere als ein Geheimtipp sind, stehen die frankobelgischen Comic-Helden hierzulande in Sachen Popularität weit hinter ihren Kollegen zurück. Spirou und Fantasio sind Galeonsfiguren der Comic-Stilrichtung école Marcinelle, benannt nach dem Sitz des Verlages Dupuis, der die Geschichten der beiden Weltenbummler seit ihrer Erfindung in den 1930er und 1940er Jahren herausbringt. Kräftige Farben und viel Liebe zum Detail zeichnen auch dieses Spirou-und-Fantasio-Abenteuer aus dem Jahr 1990 aus, dessen Helden sich in den letzten fünfzig Jahren kaum verändert haben. Geordnete Zeilen à drei, vier oder fünf Panels prägen den Gesamteindruck des Bandes. Interessant sind die Soundwords, die sich der russischen Schreibweise angepasst haben und ein umgekehrtes N und ein umgekehrtes R verwenden.

„Abenteuer in Moskau“ ist ein weiterer charmanter Band der Spirou-und-Fantasio-Reihe, die seit einigen Jahren vom |Carlsen|-Verlag als Neuauflage herausgegeben wird. Die bunte Mischung aus Abenteuer und Sight-Seeing wird verfeinert durch einen bissigen Unterton. Im Gegensatz zu diesem Plus an Realitätsnähe und guter Recherche steht ein Minus an Humor und Slapstick, die in diesem Band für meinen Geschmack etwas zu kurz kommen. Toll hingegen: Die Seite mit editorischen Anmerkungen am Ende des Bandes. Hier erfährt man Hintergründiges über die Autoren, das Werk und seine Entstehung.