Philip Steele – City of Light. Die Letzten Tage von Jim Morrison

Jim Morrison ist eine Legende, und das liegt unter anderem auch an seinem frühen Dahinscheiden. Der Lyriker und Frontmann der |Doors| starb 1971, mit nur 27 Jahren, unter mysteriösen Umständen in Paris. Seither ranken sich allerlei Theorien um sein Ableben – wenn man denn tatsächlich an seinen Tod glaubt. In regelmäßigen Abständen kursieren nämlich auch angebliche Morrison-Sichtungen. Er soll gar nicht tot sein, sondern auf einer Karibikinsel faul in der Sonne liegen. Wer’s glaubt …

Der Mythos Morrison ist natürlich kein Selbstläufer. Er wird auch dadurch am Leben erhalten, dass immer neue Best-of-CDs auf den Markt kommen, dass Oliver Stone ein Biopic über Morrison dreht und dass jeder, dem Jim Morrison mal die Hand geschüttelt hat, ein Buch über dieses Ereignis schreibt. Philip Steele gehört in die letztgenannte Kategorie – er hatte einmal das zweifelhafte Glück, auf einen schon ziemlich heruntergekommenen Morrison zu treffen und mit ihm eine Nacht durchzuzechen. Dieses Erlebnis hat er, ausgeschmückt mit allerlei Drumherum, zu einem Buch ausgebaut. Sein biographischer Roman „City of Light“ beschreibt die letzten Tage von Jim Morrison und platziert sich irgendwo zwischen reiner Erfindung und Wiedergabe überlieferter Fakten. Leider ist sein schriftstellerisches Können nicht groß genug, um sich in die Herzen seiner Leser zu schreiben. Auch seine Interpretation der Dinge ist nicht spektakulär (oder neuartig) genug, um Fans bei der Stange zu halten.

Das Buch startet mit Jims und Pams Beschluss, Los Angeles hinter sich zu lassen und nach Paris zu gehen. Jim hofft, dort neue Inspiration zu finden und endlich wieder schreiben zu können. Pam dagegen hat sich einen französischen Adligen angelacht und ist eigentlich ständig high. Die Beziehung der beiden ist eindeutig auf dem absteigenden Ast. Pam, die Hauptfrau, hält Jim an der kurzen Kandare und benimmt sich wie seine Mutter. Sie sagt ihm, wann er zu duschen hat, dass er weniger rauchen soll und um welche geschäftlichen Belange er sich zu kümmern hat. Jim erträgt diese Bevormundung mit einer Mischung aus beißendem Sarkasmus und einer gewissen Schicksalsergebenheit. Irgendwann beschließen die beiden, mit ihrem alten Renault nach Spanien und von dort nach Marokko zu fahren. Der Road Trip tut ihrer Beziehung zwar gut – dafür sorgen vermutlich die neuen Eindrücke und der Sex an exotischen Orten. Doch wieder zu Hause, verfallen beide schnell in den alten Trott. Bevor es allerdings zur Trennung kommen kann, stirbt Jim an einer Überdosis.

Klingt nicht besonders spannend? Ist es auch nicht. Falls es Steeles Plan war, der Welt zu zeigen, wie banal und langweilig die letzten Wochen von Jim Morrison waren, dann ist ihm das mit „City of Light“ hervorragend gelungen. Viel mehr als Beziehungsprobleme zeigt er nämlich nicht. Offensichtlich hat Steele einen unglaublichen Hass auf Pamela Courson, und so kommt sie in dem Roman so schlecht weg, dass man geradezu Mitleid mit ihr bekommt. Sie ist herrschsüchtig, egozentrisch, zickig und behandelt den großen Jim Morrison wie ein unzurechnungsfähiges Kleinkind. Während einer Sexszene lässt Steele Pam denken, „das Wissen, Jim Morrison in sich zu haben, treibt sie an“. Und später, wieder beim Sex, sieht sie sich selbst als Python, die sich immer fester um ihr Opfer (Jim) wickelt.

Jim hat im Netz dieser Spinne kaum etwas zu melden. Er ist ausgebrannt und scheint seine ganze verbliebene Kraft darauf zu verwenden, beißend auf Pams Kommentare zu reagieren. Und so erfährt man eigentlich auch viel mehr über Pam als über Jim, wobei nicht anzunehmen ist, dass dies tatsächlich Steeles Absicht war.

Nein, Steele ist wirklich kein großer Erzähler. Er legt seinen Protagonisten Seifenopern-Dialoge in den Mund, die er – das muss schließlich auch mal sein – hin und wieder mit bösen Vorahnungen würzt. So sagt Pam zu Jim, während beide in den amerikanischen Sonnenuntergang blicken: „Ich bin müde. Wir sind beide müde. Lass uns nach Paris gehen.“ Und immer wieder werden Sätze wie „Niemand wird sterben“ eingeworfen, um auch dem letzten Leser klarzumachen, dass es Tote geben wird. Zu allem Überfluss rezitieren alle agierenden Charaktere ständig Jim Morrison Poeme oder |Doors|-Songs, was unglaublich gestellt herüberkommt. Und dass Pam beim Sex nun gerade an die Inzest-Zeile aus „The End“ denkt, ist ebenfalls relativ unwahrscheinlich.

Auch das bei der |Deutschen Grammophon| erschienene Hörbuch mit Ben Becker als Sprecher kann über die Schwächen des Romans nicht hinwegtäuschen. Dabei macht Becker aber durchaus das Beste aus dem ihm zur Verfügung stehenden Material. Sein Jim Morrison klingt wie ein alternder, saufender, kettenrauchender und vom Leben enttäuschter Blues-Sänger, und genauso mag sich Morrison am Ende seines Lebens wohl auch gefühlt haben. Becker in die Psyche des abgehalfterten Rockstars eindringen zu hören, ist ein Erlebnis. Doch leider kann auch er keinen Spannungsbogen herbeireden, wo der Autor einfach keinen zuwege gebracht hat. Und so mäandert das Hörbuch drei CDs lang so vor sich hin, bis Morrison sich im Trip aller Trips verfängt und nicht zurückkehrt. Zugegeben – ein bisschen Wehmut stellt sich dann doch ein, aber das liegt wohl in der Natur der Sache.

Philip Steeles „City of Light“ ist ein seltsamer Hybrid zwischen Biographie und freier Erfindung. Seine offensichtliche Voreingenommenheit in Bezug auf Pamela Courson wirkt übertrieben und ist unnötig. Seine Vision von den letzten Tagen Morrisons bleibt ohne Höhepunkte und bietet keine neuen Einsichten. So ist „City of Light“ noch nicht mal für Hardcore-Fans ein Schmankerl.

3 CDs mit 235 Minuten Gesamspieldauer
www.dg-literatur.de
www2.deutschegrammophon.com