Norbert Sternmut – Der Tote im Park

Ein sonnenklarer Fall, Herr Inspektor – oder?

Der Ich-Erzähler, ein erfolgloser Schriftsteller und Lyriker, hat eine Leiche beim Spazieren im Park gefunden. Helmut Schröder, so hieß der Ermordete (ob die Ähnlichkeit mit Politikernamen Zufall oder Absicht ist, bleibt offen), hatte ein beneidenswertes Leben als „gemachter Mann“ geführt, bevor ihn der Tod ereilte. Der Schriftsteller berichtet dem Polizeiinspektor genau, welche Gedanken ihn bei der Entdeckung des toten Schröder bewegten. Und diese Gedanken sind überhaupt nicht nett, wie sich generell der Schriftsteller beim Leser durch abfälligen Zynismus unbeliebt macht.

Im Laufe seiner Einlassungen erfährt der Leser, dass es sich bei Schröder um den Geliebten der Lebensgefährtin des Schriftstellers handelte. Das Motiv in dieser Dreiecksgeschichte erscheint sonnenklar. Zu allem Überfluss bekommt der Inspektor noch eine saftige Kriminalstory des Schriftstellers aufgetischt. Sie handelt ausgerechnet von einem Toten im Park. Wer braucht noch mehr Hinweise?

Die betrogene Ehefrau Schröders, eine Verlagslektorin, beschuldigt natürlich den Schriftsteller des Mordes, geht aber auch eine Beziehung zu ihm ein. Das Leben ist eben nicht schwarzweiß, wie man’s gerne hätte. Doch auch sie wird ermordet und im Park aufgefunden. Als jedoch schließlich die Lebensgefährtin auftaucht, scheint es der Hauptfigur, die über alles und jeden so souverän räsoniert hat, endgültig an den Kragen zu gehen. Hochmut kommt eben vor dem Fall, sagt sich da der Leser zufrieden. Aber ein leiser Zweifel bleibt.

_Mein Eindruck_

Der gebürtige Stuttgarter Schriftsteller und Lyriker Norbert Sternmut (siehe unten) lässt in seinem unkonventionellen Kriminalroman die Frage nach den üblichen Morddetails offen, stellt vielmehr implizit die Frage, ob es überhaupt einen Mord gegeben hat. Bildet sich der Ich-Erzähler den Inspektor, dem er die Geschehnisse beichtet, nur ein? Ist er vielleicht sogar schizophren? Der Leser kann nicht wissen, sondern nur vermuten: Das subjektive Zeugnis des Erzählers lässt einen stets an der Wahrheit, an der wiedergegebenen Wirklichkeit zweifeln.

Insofern ähnelt seine Tätigkeit jener der Medien in unserer modernen Welt: ein subjektiv gefärbter Filter, der sich je nach Interessenlage seine eigene Wahrheitsversion bastelt. Er kann sich sogar erlauben, den „Inspektor“ zu foppen und herauszufordern. Denn es gibt keine unwiderlegbaren, objektiven Beweise. Offenbar ist Wahrheit ebenso wie Realität relativ. Sternmuts Roman macht dies in jeder Zeile deutlich.

Norbert Sternmut
Norbert Sternmut

Norbert Sternmut (= Norbert Schmid), geboren 1958, lebt in Ludwigsburg und arbeitet als Sozialpädagoge. Der Theaterautor, Rezensent, Maler, Lyriker und Romanschreiber erhielt Stipendien vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Gerlingen. Er veröffentlichte zwanzig Einzeltitel seit 1980 und ist in über 50 Anthologien vertreten. Als Maler trat er mit 75 Ausstellungen an die Öffentlichkeit. Der gelernte Werkzeugmacher wurde nach einem Studium zwischen 1982 und 87 Sozialpädagoge und ist seit 1993 in der Bildungsarbeit im Bildungszentrum Stuttgart tätig. Mehr Infos gibt’s auf seiner Website www.sternmut.de.

Seit 1980 hat Sternmut eine ganze Reihe von Lyrikbänden veröffentlicht, darunter die von mir vorgestellten Bücher „Photofinish“, „Triebwerk“ und „Absolut, du“. In dem Band „88 Rätsel zur Unendlichkeit“ arbeitete er mit dem Grafiker Volker Funke zusammen: Die Rebus-artigen Rätselgrafiken harmonierten mit den frei assoziierenden Gedichttexten Sternmuts. Eine Webseite ergänzte das multimediale Werk auf der Zeit angemessene Weise.

Auf der Prosaseite ist seine Romantrilogie hervorzuheben, zu der „Der Tote im Park“ (1999), „Marlies“ (2003) und sein Roman mit dem Titel „Norm@n“ gehören. Eine Reihe von z.T. phantastischen Erzählungen erschienen in dem Band „Das Zeitmesser“ (Rainar Nitzsche Verlag, Kaiserslautern, 1997).

Broschiert: 270 Seiten
http://www.wiesenburg-verlag.de