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Eichacker, Reinhold – Panik

_Astronomen zwischen Satan und Armageddon_

In der Michigan-Sternwarte bei New York City bricht Hektik aus, als ein gigantisches Objekt aus dem Weltraum sich in beängstigender Weise der Erde nähert. Ist das Weltende nahe? Als die Nachricht durchsickert, bricht in New York City Panik aus, die Börse wird manipuliert. Können Wissenschaftler die dunklen Machenschaften finsterer Hintermänner durchkreuzen? Wird der geniale Plan des Chemikers Werner Werndt die Welt retten können? Die Spannung steigt ins Unermessliche.

_Der Autor_

Reinhold Eichacker scheint ein technisch interessierter Schriftsteller gewesen zu sein, dem mit seiner Werner-Werndt-Trilogie ein bescheidener Erfolg beschieden war. Dieser begann mit dem für Science-Fiction-Leser uninteressanten (und zudem chauvinistischen) Roman „Kampf ums Gold“. „Panik“ folgte 1922 und wurde sogar ins Spanische übersetzt. Die Fortsetzung „Die Fahrt ins Nichts“ schloss die Trilogie 1923 (ebenfalls bei Celero neu aufgelegt) ab. Die Besonderheit der beiden Romane betrachte ich im Abschnitt „Mein Eindruck“.

_Handlung_

Im Jahre 1920: Professor Earthcliffe, ein genialischer Astronom von der Michigan-Sternwarte bei New York City, ist überrascht, als er selbst und eine Hand voll Astronomen einen kleinen schwarzen Punkt vor der Sonne vorbeihuschen sehen. Das war’s dann aber auch schon, trotz all seiner Nachforschungen. Hat man es mit einem Mond oder Planeten zu tun? Sein Assistent Dr. Wepp kann ihm nicht helfen und seine bildhübsche Tochter Mabel, die über überhaupt keine Ausbildung zu verfügen scheint, schon gleich gar nicht.

Da schneit einige Tage später ein gewisser Dr. Nagel mit seinem spanischen Assistenten Don Ebro ins Haus. Auch er hat den Punkt beobachtet, von Valparaiso/Chile aus. Er verspricht dem Professor, ihm sein Können zur Verfügung zu stellen. Was für ein lächerliches Angebot, denkt der Prof, nur um dann doch eines Besseren belehrt zu werden. Der fesche Deutsche hat bei Mabel natürlich gleich einen Stein im Brett und darf bleiben. Zum Glück! Denn zusammen beobachten die beiden den kleinen schwarzen Punkt, wie er mit einem Affenzahn vor der Riesenscheibe des Jupiters durchsaust.

Nun ist ziemlich klar, dass bei den Berechnungen Fehler unterlaufen sind und sich der unbekannte Himmelskörper bereits auf einer Umlaufbahn um die Erde befindet! Wenn ihn der Mond nicht als Sekundärmond einfängt, dann wird der Meteor, angezogen von der Erdschwerkraft, eines Tages auf die Erdoberfläche donnern. Bitte keine PANIK!, bittet der Professor, und natürlich völliges Stillschweigen. Nagel schwört, Wepp schweigt.

Denn Wepp hat eigene Pläne. Mit Panik, so wird er aller Welt demonstrieren, lassen sich ausgezeichnete Geschäfte machen. Klammheimlich kauft er Aktien von Versicherungsgesellschaften sowie von Zeitungsverlagen auf. Als die damit erzeugte Panik vor dem Weltuntergang so richtig am Kochen ist, verkauft Wepp für einen Milliardenbetrag. Aber das ist erst der Anfang: Er will die Welt beherrschen.

Inzwischen hat Nagel einen Chemiker namens Walter Werndt herbeigerufen, der sich den Meteor einmal ansehen soll. Werndt ist ein genialer Erfinder, und er findet das Ei des Kolumbus nach nur kurzem Nachdenken.

Doch der Tag des Meteorabsturzes rückt unausweichlich näher. Und wer ist laut Wepp schuld daran? Natürlich die Astronomen selbst – mit ihren teuflischen Fernrohren und Maschinen haben sie den Meteor erst zur Erde gelenkt. In einer Nacht des Grauens werden alle Observatorien von der aufgehetzten Menge blindwütig gestürmt, angegriffen und zerstört. Ob Professor Earthcliffe das wohl überleben wird?

_Mein Eindruck_

Die Weltsicht des Autors ist relativ einfach: Das Kapital beherrscht die Weltwirtschaft ebenso wie die volksverdummenden Massenmedien. Diese Masse ist deshalb so lenkbar, weil sie über keine Bildung verfügt und somit auch nicht beurteilen kann, wem sie was glauben soll. Dabei spielt noch nicht einmal wie im Dritten Reich der Rundfunk – Stichwort „Volksempfänger“ (schon das Wort ist der blanke Hohn) – die Hauptrolle, sondern noch die Zeitungen. Und wenn das nicht reicht, so stellen sich die Wortführer auf den Hauptplatz, wie in den schlechten alten Zeiten, als man die Republik noch vom Balkon ausrief.

Doch wo das Volk Verfügungsmasse ist, müssen die Wortführer ihre Botschaften auf den Punkt bringen. Jetzt erweist sich, was in Wepp und seinem Gegenspieler Nagel wirklich steckt: Wepp ist der Satan des Kapitals, der die Weltherrschaft an sich reißen will. Hieße dieses Buch „Metropolis“, so verbände er die Rollen des Wirtschaftsbosses Fredersen mit dem seines Wissenschaftsknechtes Rotwang (der dann den Roboter erschafft). Doch „Metropolis“ wurde erst 1926 veröffentlicht, vier Jahre nach „Panik“.

Doch Nagel, der noch zu Liebe fähig ist, steht für Wissenschaft und die Stimme der Vernunft. Dumm nur, dass er überhaupt nicht gehört wird: Seine Argumente sind zu kompliziert. Und so obsiegt Wepp – zunächst jedenfalls: Er befiehlt den Sturm auf die verteufelten Sternwarten. Das vom Demagogen verhetzte Dummvolk folgt dem Aufruf, offensichtlich auch in der Hoffnung auf zu plündernde Beute. Bilder von der Russischen Revolution werden wach.

Der Retter in der Not ist nun dringend gefragt. Es ist offenbar Werner Werndt. Der deutsche Chemiker stellt sich gleich einmal als Erfinder und zertifiziertes Genie vor. Er steht zwar ebenfalls auf der Seite der Wissenschaft, ist aber in der Lage, seine Erkenntnisse in handfeste Aktion umzusetzen: fortschrittliche Maschinen, wie etwa ein fast unsichtbares Flugzeug, das obendrein auf der Stelle verharren kann wie ein Helikopter. Am besten ist aber, dass es schneller als ein heutiger Passagierjet fliegt. Es saust dem einschlagenden Meteor einfach davon. In Sicherheit?

|Pulp Fiction|

„Panik“ ist ja nicht der erste Zukunftsroman, der eine einfach gestrickte Gesellschaftssicht kolportiert. Gerade in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts, als die Nationalstaaten sich vor Verdun in den Untergang kloppten und die Revolutionen die morschen anciens régimes hinwegfegten, wurden Zukunftsvisionen zum Groschenpreis unters Volk gebracht. Und was Eichacker in Leipzig unters Volk brachte, ist zwar weit einfallsreicher und sprachlich fortgeschrittener als die übliche Pulp Fiction, aber doch nicht sonderlich erhellend, was eine Lösung angeht.

|Pappkameraden|

Eichacker hantiert auch mit Pappfiguren, die kein eigenes Leben besitzen und einfach die Erwartungen des Publikums erfüllen sollen. So ist etwa der alte Professor Earthcliffe vor allem ein wunderlicher Kauz, der zwar mit Mathe umgehen kann, aber doch alle naslang einen stereotypen Mathefluch auf den Lippen führt: „Potz Wurzel aus dreizehn“ ist noch das komplizierteste Exemplar dieser Verwünschungen. Der alte Zausel ist ein Fossil aus den Karl-May-Romanen, in denen Sam Hawkins, Tante Droll und Hobble-Frank ihr sächsisches Unwesen am Rio Pecos treiben.

|Der Satan|

Der für uns interessanteste Protagonist ist vielleicht der zwielichtige Wepp. Der Wissenschaftler hat die Prinzipien des Kapitalismus kapiert und versucht nun, mit seiner Meteor-Geheiminformation die Weltwirtschaft aus den Angeln zu heben. Es klappt zunächst auch ganz hervorragend, denn auf einen wie ihn hat die Wall Street gerade gewartet. Doch dann geschieht etwas Seltsames: Der plötzliche Machtzuwachs scheint dem frischgebackenen Milliardär zu Kopf gestiegen zu sein: Er behandelt seine Handlanger wie Untermenschen und die kopflos gemachte Volksmasse als Machtinstrument, um seine Widersacher, die Astronomen, auszuschalten. Vergleiche mit Mussolini, Hitler und Stalin fallen leicht. Und was die Knete angeht: Die raubten diese drei Herrschaften einfach dem „Klassenfeind“.

|Warum also Science-Fiction?|

Was hat dies alles mit Science-Fiction zu tun? Handelt es nicht einfach um den 1001sten Katastrophenroman? Leider ist der Übergang zwischen diesem Genre und dem „Zukunftsroman“ absolut fließend und eine Abgrenzung eher von akademischem Interesse. Neben Werndts Wunderflugzeug gibt es noch hie und da ein paar nette Apparate wie etwa eine Handkamera, die einen wunderbar altertümlichen Namen hat, und gewisse astronomische Phänomene. Zu diesen zählt selbstredend der Meteor.

Es gibt auch einen mysteriösen „Welteiskörper“, über den ich mir den Kopf zerbrochen habe. Mit diesem Teil kollidiert der Meteor und ändert seine Bahn derart, dass er „senkrecht“ (!) zur Erde plumpst (das allein erscheint bereits absurd, dreht sich doch die Erdkugel mit affenartiger Geschwindigkeit). Da wir inzwischen wissen, wo sich Eis in herumsausenden Himmelskörpern befindet, dürfte es sich wohl um bei dem „Welteiskörper“ um einen schlichten Kometen handeln. Wie der Film „Armageddon“ eindrucksvoll belegt, können diese Brummer auch eine Menge Flurschaden anrichten.

|Mein Leseerlebnis|

Nach der ersten Hälfte habe ich eine längere Pause eingelegt, denn der fehlende Tiefgang verlockt nicht gerade zur faszinierten Lektüre. Da aber die zweite Hälfte nur so vor Action strotzt, ließ sich der Rest in Nullkommanix erledigen. Der Schreibstil Eichackers ist dabei ein großer Pluspunkt: Er schreibt sehr kurze Sätze und beschreibt seine Szenen sehr anschaulich. Die Lektüre kommt dadurch fast dem Anschauen eines Films gleich – und das ist nicht mal ein Stummfilm. Außerdem verzichtet Eichacker auf lange Tiraden, die damals durchaus üblich waren, sondern lässt vielmehr seine Figuren die Argumente und Erkenntnisse vortragen. Eine gute Methode, die auch heute Schule machen sollte.

_Unterm Strich_

Im Zuge der Literaturarchäologie und Traditionspflege ist auch dieser interessante Zukunftsroman ans Tageslicht gefördert worden: Er fand sich in der (in jeder Hinsicht) „Phantastischen Bibliothek Wetzlar“ und wurde, nach der sprachlichen Überarbeitung, von einem rührigen Verlag in Weilersbach veröffentlicht. Dort ist auch die Fortsetzung „Die Reise ins Nichts“ (siehe oben unter „Autor“) zu bekommen.

Im Unterschied zu so manchem gemütlichen Weltenreiseabenteuer aus Kaisers Zeiten (z. B. F. W. Maders Roman „Wunderwelten“ von 1911) befasst sich „Panik“ mit seiner eigenen turbulenten Zeit und den massiven gesellschaftlichen Umbrüchen, die damit einhergingen. Deutschland eine kommunistische Räterepublik? Warum nicht: Der Versuch wurde unternommen. Deutschland eine Fascho-Diktatur? Warum nicht gar: Auch dieser Versuch schlug fehl (1923) – und wurde zehn Jahre später erfolgreich wiederholt (1933).

Neben diesen Aspekten bietet „Panik“ aber auch eine packende Handlung, die in der zweiten Hälfte zu fesseln weiß. Da können selbst Katastrophenschmöker wie Niven/Pournelles „Luzifers Hammer“ mit ihren durchschnittlich rund 800 Seiten einpacken.

Mehr Infos: http://www.celero-verlag.com

Eichacker, Reinhold – Fahrt ins Nichts, Die

_Spannende deutsche Früh-Science-Fiction_

Ein geheimnisvoller Meteor, dessen Erscheinen die Welt in Panik versetzt hat (so lautet auch der Titel des ersten Bandes der Duologie), stürzt bei Japan in den Pazifik und löst sowohl Angst als auch Neugier aus. In Indien untersuchen Geologen Steinproben des Meteors. Der Chemiker Werner Werndt und seine genialen Ideen sind gefordert. Er muss das Rätsel lösen, es aber gleichzeitig auch mit der geheimnisvollen Herrscherin Indiens aufnehmen.

_Der Autor_

Reinhold Eichacker scheint ein technisch interessierter Schriftsteller gewesen zu sein, dem mit seiner Werner-Werndt-Trilogie ein bescheidener Erfolg beschieden war. Dieser begann mit dem für Science-Fiction-Leser uninteressanten (und zudem nationalistischen) Roman „Der Kampf ums Gold“. „Panik“ folgte 1922 und wurde sogar ins Spanische übersetzt. Die Fortsetzung „Die Fahrt ins Nichts“ schloss die Trilogie 1923 (ebenfalls bei |Celero| neu aufgelegt) ab. Die Besonderheit der beiden Romane betrachte ich im Abschnitt „Mein Eindruck“.

_Handlung_

Vorgeschichte aus „Panik“: Die Trümmer eines Meteor sind im Pazifik und an Japans Küste eingeschlagen, wobei es natürlich nicht ohne Katastrophe und Tote abging. Eines der Bruchstücke hat die japanische Regierung dem genialen deutschen Chemiker Walter Werndt überlassen, der sich Hoffnungen auf einen neuen Schatz an Wissen für die Menschheit macht. Doch die Konkurrenz schläft nicht …

In der Nähe von Benares hat Walter Werndt eine kleine Stadt, die nach ihm benannt ist, aus dem Boden stampfen lassen. Hier wohnen seine Arbeiter, die in seinem großen Laboratorium angestellt sind. Der Hauptturm des Labors ragt wie eine Kirche der Wissenschaft über den Chemiekomplex empor. Hier wird der Meteor regelmäßig aus dem Keller geholt und Tests ausgesetzt. Bei diesen gefährlichen Experimenten steht Werndt sein bewundernder Assistent Dr. Nagel zur Seite. Dessen hübsche Frau Mabel, die Tochter eines Wissenschaftlers, der in „Panik“ umkam, versteht ebenfalls etwas von Technik und kann Werndts Flugzeug, den „Falken“, steuern.

Doch die geheimnisvolle „Herrin von Indien“ ist neidisch auf Werndts Erfolg in Sachen Meteor. Sie will für ihren Geheimbund die Macht über die neuen Eigenschaften des Meteors erlangen und hypnotisiert u. a. einen belgischen Chemiker namens Dumascu. Dieser assistiert Werndt bei seinen Experimenten, hinterträgt aber seiner „Herrin“ jedes kleinste Fitzelchen Information, das er finden kann. Und es gibt noch weitere Spione …

Im Meteor findet Werndt nicht nur Nickel, Platin, Gold usw., sondern auch ein mysteriöses Element, das sich sehr seltsam verhält. Er nennt es Nihilium, das Nichts, den Grundstoff aller Elemente. Das Verhalten ist sowohl ansaugend als auch abstoßend, wenn aus Nihilium I die zweite Variante Nihilium II wird. Erst nach zwei verhängnisvoll verlaufenden Experimenten wird Werndt klar, was Nihilium kann: ein Element in ein anderes umwandeln! Es ist praktisch der von den mittelalterlichen Alchemisten gesuchte „Stein der Weisen“. Damit könnte sich der Mensch zum absoluten Herrscher der Welt, wenn nicht des Universums aufschwingen!

Doch da schlägt die „Herrin von Indien“ zu. Sie entführt Mabel, Dr. Nagel und Werndt, will die beiden Männer sogar den Geiern zum Fraß vorwerfen, wenn sie nicht kooperieren. Unterdessen unternimmt ihr Scherge ein Experiment mit dem Meteor, dessen Verlauf nicht nur das Labor, sondern auch die benachbarte Stadt in Schutt und Asche zu legen droht. Denn mit Nihilium ist nicht zu spaßen. Kann Werndt die drohende Katastrophe verhindern?

_Mein Eindruck_

Der Roman ist in zwei Teile aufgegliedert. Der erste Teil endet mit der oben erwähnten Katastrophe und der Enthüllung der phänomenalen Eigenschaften des Nihiliums. Der zweite Teil dreht sich lediglich darum, zum großen Bruchstück des Meteors hinabzutauchen – ein Wettlauf mit der „Herrin von Indien“. Weil das Stück aber in zehntausend Metern Tiefe liegt, muss man neue Tauchboote bauen, die einem Druck von tausend Atmosphären standhalten.

Dieser zweite Teil erinnerte mich an Jules Vernes Erfindung des U-Bootes „Nautilus“, aber Walter Werndt ist zwar ein Genie wie Kapitän Nemo, doch weit entfernt davon, ein ebensolcher Misanthrop zu sein. Er ist immer wieder auf die moralische Unterstützung durch Dr. Nagel und dessen Mabel angewiesen, die mit ihm zusammen in die tödliche Tiefe tauchen. Dort bekommen sie es mit einem Riesenkraken zu tun, der sie angreift, sowie mit dem gewaltigen vertikalen Strudel, den das Nihilium erzeugt.

Das wäre für die Welt nicht weiter relevant, wenn es nicht eine neue Erfindung gäbe: den Bildtelegrafen bzw. Kinographen. Dieser liefert den Zuschauern in Kinosälen rund um die Welt eine Live-Übertragung aus dem Inneren von Werndts Tauchboot, dem „Krakon“. Und da das Publikum des Jahres 1923 nicht an Live-TV gewöhnt ist, nimmt es direkten und emotionalen Anteil an Werndts Begegnung mit dem Riesenkraken, dem Strudel und dem Tauchboot der „Herrin von Indien“.

Hier führt der Autor quasi die vielen Erfindungen fort, die Jules Verne schon in seinem Roman „Paris im 20. Jahrhundert“ vorausgesagt hatte, so etwa das Faxgerät und das Telefon. Doch wer Sprache und Texte übertragen kann, der wird sicher auch irgendwann Bilder übertragen können, und zwar über Relaisstationen, die Funk empfangen und die Signale in alle Welt weiterleiten können.

Der spannendste Teil des Romans ist sicherlich die erste Hälfte, die sich hinsichtlich Spannung und Anschaulichkeit mit Verne und Karl May messen kann. Hier führt der Autor die deutlich ausgeprägte deutsche Science-Fiction-Tradition im besten Sinne fort, die mit Pionieren wie Kurd Laßwitz, Otto Gail, F. W. Mader und Thea von Harbou („Metropolis“, „Die Frau im Mond“) damals die Gazetten und Bibliotheken beherrschte, Jahre bevor in den USA ein gewisser Hugo Gernsbach, ein Einwanderer aus Luxemburg, das Genre „Scientifiction“ erfand.

Der zweite Teil hat mich dadurch gelangweilt, dass der Autor seinen Helden die Vorzüge des Tauchbootes bis ins kleinste technische Details vorstellen und erklären lässt. Das ist für einen Nichttechniker extrem öde, zumal sich der Sermon über Seiten hinzieht. Am Schluss gibt es keinen Showdown – mit wem auch? – sondern eine Art Non-Event, bei dem Werndt verschwindet – für immer? Jedenfalls gab es keine Fortsetzung.

|Schwächen dieser Ausgabe|

Wie der Autor des Nachworts, Michael Gallmeister, angibt, handelt es sich bei der vorliegenden Ausgabe um die bearbeitete Fassung einer Originalausgabe aus dem Jahr 1923, die sich in der Phantastischen Bibliothek Wetzlar befindet. (Diese ehrwürdige Institution verleiht jedes Jahr einen wichtigen Preis für phantastische Literatur aus deutschen Landen.) Die gekürzte Fassung ist also schon von störenden Elementen bereinigt, doch die Bearbeiterin Dr. Sandra Schlee hätte vielleicht doch einen Korrektor zu Rate ziehen sollen, um wenigstens die gröbsten orthographischen und Druckfehler auszubügeln.

Doch ich will nicht mit einer Liste von Fehlern langweilen, die von hier bis zum Nordpol reichen würde. Es soll genügen zu erwähnen, dass mich das an der Lektüre recht gestört hat.

Merkwürdig ist auch die Handhabung des Englischen, das besonders im zweiten Teil stark in den Vordergrund tritt. Eine amerikanische Künstlerin ruft ständig „Oah!“ aus. Das habe ich noch keinen Amerikaner sagen hören. Deshalb kann ich nur annehmen, dass es die lautmalerische Annäherung ist, die sich der Autor für das englische „Oh!“ ausgedacht hat. Andernfalls würde „Oah!“ einfach zu lächerlich klingen.

_Unterm Strich_

Im Zuge der Literaturarchäologie und Traditionspflege ist auch dieser interessante Zukunftsroman ans Tageslicht gefördert worden: Er fand sich in der (in jeder Hinsicht) „Phantastischen Bibliothek Wetzlar“ und wurde, nach der sprachlichen Überarbeitung, von einem rührigen Verlag in Weilersbach veröffentlicht. Dort ist auch der Vorgängerband „Panik““ (siehe oben unter „Autor“) zu bekommen. Der vorliegende Band wurde mit einem sehr ansprechenden, modern aussehenden und zum Thema passenden Titelbild versehen.

Die erste Hälfte des Romans fand ich sehr gelungen und erinnerte mich in Spannung, Einfallsreichtum und Lokalkolorit an die besten Arbeiten von Jules Verne und Karl May. Die zweite Hälfte fällt dagegen etwas ab, doch auch hier erregte die Erfindung des Live-Fernsehens mein Interesse. Leider bleibt der Schluss offen – ein Kniff des Autors, um eine Fortsetzung der Trilogie nicht auszuschließen, aber den vorliegenden Roman doch mit einem Ausklang zu versehen, der hoffen lässt – z. B. auf Abenteuer im Weltraum.

Wenn ich als Korrektor für diese Ausgabe verantwortlich wäre, müsste ich mich erschießen. Der Text wimmelt nur so von haarsträubenden Fehlern, unter denen falsch geschriebene Wörter noch die harmlosesten sind. Es gibt auch falsch eingesetzte Wörter, wie etwa „um“ statt „und“. Manche Wörter sehen aus wie frisch aus dem Scannerprogramm (mit „rn“ statt „m“). Von einer professionellen Bearbeitung wage ich kaum zu sprechen. Unter diesem Aspekt ist der Ladenpreis für das Buch zu hoch angesetzt.

http://www.celero-verlag.com/
[Unsere Rezensionen zu „Panik“ 1107 (Michael Matzer & Dr. Michael Drewniok)