Ellis, Bret Easton – Lunar Park

Bret Easton Ellis gehört mit Romanen wie „Unter Null“ und „American Psycho“ zu den bekanntesten Autoren Amerikas.

Mit „Lunar Park“ veröffentlicht er ein Buch, von dem man denken könnte, es wäre eine Autobiografie. Immerhin wird aus der Perspektive von Bret erzählt, aber nach den harten Fakten wie dem Geburtsort und dem Erfolg als Schriftsteller hört es bereits auf. Ellis dichtet sich selbst eine fiktive Frau, einen fiktiven Sohn und eine fiktive Stieftochter an. Sie wohnen in Lunar Park, einem beschaulichen Viertel, in das Bret mit seinem Hang zu Wodka und Kokain nicht wirklich passt.

Alles beginnt aus dem Ruder zu laufen, als das batteriebetriebene Spielzeug von Ellis‘ Stieftochter Sarah, ein Vogel namens Terby, plötzlich beginnt, ein Eigenleben zu entwickeln, und Eichhörnchen und Katzen in der Nachbarschaft niederschlachtet. Außerdem ist Bret der festen Überzeugung, dass sich in dem riesigen Haus, das er mit seiner Familie bewohnt, die Möbel ständig umstellen, und er glaubt, in einem Studenten die Verkörperung seines Romanhelden aus „American Psycho“, Patrick Bateman, wiederzuerkennen.

Sind es die Drogen oder ist Brets Angst real? So genau wissen weder er noch die Leser das, wenn sich sein Haus plötzlich zu seinem Geburtshaus zu verwandeln scheint und um ihn herum Menschen ermordet werden, die die gleichen Namen tragen wie die Opfer aus „American Psycho“.

„Lunar Park“ hört sich an wie harter Stoff und ist auch welcher. Die Handlung spielt mit dem Leser. Man kann sich nie sicher sein, inwiefern die Ereignisse eingebildet oder gerade noch real sind. Und trotz der leicht „übersinnlichen“ Geschehnisse schafft Ellis es, glaubhaft zu klingen, was ihm hoch anzurechnen ist.

Wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, dass die Geschichte ein wenig schräg ist, staunt man nur noch über den Erfindungsreichtum des Autors. Es ist wirklich unglaublich, wie er Paranoia in Köpfen in fiktionale Ereignisse verwandelt und dabei nicht nachlässt. Er zieht das die ganzen 893 Minuten der Lesung durch und schafft es, die Spannung, den Wahnsinn und die fiktionale Realität zu halten.

„Lunar Park“ wäre kein echter Ellis, wenn darin nicht auch kritische Stimmen laut werden würden. Die schräge Handlung und die teilweise übertriebenen Ereignisse haben nämlich zum Zweck, das Leben im Vorort oder den Medienhype, der um den Autor gemacht wurde, zu karrikieren. Nebenpersonen verkommen teilweise zu argen Klischees, aber nicht im negativen Sinne, denn sie werden dazu benutzt, die Klischeehaftigkeit im wirklichen Leben aufzuzeigen.

Die Lesung ist ungekürzt, was sicherlich nicht immer die richtige Entscheidung war. An und für sich ist „Lunar Park“ gut als Hörbuch geeignet, denn das Buch ist in der Ich-Perspektive geschrieben, so dass das Anhören des Hörbuchs zur Märchenstunde wird. Allerdings finden sich an einigen Stellen ellenlange Beschreibungen, zum Beispiel vom Haus, in dem Bret wohnt, die unnötig in die Länge ziehen. Hier hätte man vielleicht die Schere ansetzen müssen, um die Spannung erhalten zu können.

Der Erzählstil ist dank der Ich-Perspektive sehr angenehm. Ellis schreibt in leicht verständlicher Alltagssprache, die manchmal ein wenig härter wird. Er tendiert anfangs dazu, die Sätze zu stark zu verschachteln, aber das gibt sich glücklicherweise mit der Zeit. Insgesamt lässt sich „Lunar Park“ prima anhören und ist dank der Leistung von Sprecher Wolfram Koch sehr unterhaltsam.

Koch spricht ruhig und bedächtig, so dass man ihm gut folgen kann. Er verzichtet auf eine übertriebene Betonung, was wie die Faust aufs Auge zu Ellis‘ lässigem Erzählstil passt. Trotzdem spielt er an spannenden Stellen entsprechend mit seiner Stimme oder stellt Dialoge mit verschiedenen Stimmlagen dar, was sehr gut gelungen ist, denn oft wird am Ende eines gesprochenen Satzes nicht erwähnt, wer ihn überhaupt gesagt hat.

In der Summe ist „Lunar Park“ ein Hörbuch, in das man sich erst hineinhören muss und das ab und an ein paar Längen aufweist. Insgesamt hinterlassen aber sowohl die Fabulierkunst Ellis‘ als auch Kochs Erzähltalent einen positiven Eindruck.

http://www.argon-verlag.de
|893 Minuten auf 12 CDs|

|Siehe auch unsere Rezensionen zu:|
[„Lunar Park“ 2304 (Buchausgabe)
[„American Psycho“ 764
[„Unter Null“ 2026
[„Glamorama“ 2749

Schreibe einen Kommentar