Veit Etzold – Der Totenzeichner

Die Handlung:

Ein Leichenfund gibt der Berliner Polizei Rätsel auf. Dem Mordopfer wurden mysteriöse Zeichen in die Haut geritzt, die Clara Vidalis, Expertin für Pathopsychologie am LKA Berlin, bekannt vorkommen. Handelt es sich um kultische Symbole? Als die Obduktion der Leiche weitere grausame Details ans Licht bringt, wird klar, dass es einen ähnlichen Modus Operandi schon einmal gab: Vor zehn Jahren versetzte ein Serienkiller den Westen der USA in Angst und Schrecken.

Einen Sommer lang trieb er dort sein Unwesen, bevor er sich mit der blutigen Botschaft verabschiedete: „Its not over, til its over“ Ist der Totenzeichner zurückgekehrt? ( Verlagsinfo)

Mein Einruck:

Wer heutzutage durch die Krimiabteilung der Buchhandlungen stöbert, hat eindeutig die Qual der Wahl: neben Kriminalromanen aus nahezu allen europäischen Nachbarländern erwartet den Interessierten bereits auch ein breites Spektrum an Geschichten einheimischer Ermittler. Beinahe jede deutsche Stadt und Region wird dabei abgedeckt und macht es ehrlich gesagt nicht unbedingt leicht, den Überblick zu behalten. Veit Etzold hat sich inzwischen jedoch als Thrillerautor einen Namen gemacht und lässt seine Hauptfigur, die Kommissarin Clara Vidalis im Berliner Landeskriminalamt ermitteln. Für mich sollte „Der Totenzeichner“ also das erste Buch des Autors sein und bei der Lektüre wurde schnell klar, dass es nicht unbedingt (wie bei anderen Titeln) so wichtig ist, die Vorgängerromane zu kennen. „Der Totenzeichner“ ist also eine abgeschlossene Geschichte und Etzold lässt den Leser nicht lange auf blutige Geschehnisse warten: Die Ermittlerin Vidalis, soeben aus dem Urlaub zurückgekehrt, wird gleich an einen Tatort gerufen, der seinesgleichen sucht.

Das Oberhaupt einer Berliner Motorradgang wurde in seiner Wohnung ermordet. Der unbekannte Täter hat offenbar zunächst den Kampfhund des Opfers erledigt, um anschließend auch noch den Brustkorb des Herrchens zu öffnen und dessen Herz zu entnehmen. Grauenvoll und gruselig? Doch damit nicht genug: den Oberkörper des Toten hat der Mörder auch noch mit runenartigen Zeichen „dekoriert“! Für Clara und ihren Kollegen Hermann sicher kein gewöhnlicher Tatort. Zum Glück bekommen beide Unterstützung von Mediziner und Profilerkollege Martin, dem Clara offenbar in einer früheren Episode schon einmal näher gekommen ist und dessen Spitzname „Mac Death“ nicht zu viel verspricht. „Mac Death“ kennt sich aus mit Mord und Totschlag und hat einige Jahre zuvor sogar schon beim FBI gearbeitet. Und prompt erinnert er sich an eine zehn Jahre zurückliegende Mordserie in Los Angeles, die gleich mehrere Parallelen zum aktuellen Fall aufweist. Auch in den USA wurden den Opfern die Herzen entfernt und vom Täter mitgenommen, während den Getöteten merkwürdige Zeichen in die Haut geritzt wurden.

Ein Kontakt zu den ehemaligen Kollegen in den Vereinigten Staaten ist schnell hergestellt, als plötzlich wie ein Puzzleteil in einem Pharmakonzern ein einzelner Arm mit denselben Symbolen auftaucht. Dieser wird wiederum durch Mac Death entdeckt, der dort wie zufällig gerade an einem Seminar teilnimmt. Doch auch der Eigentümer des Armes kann von Clara und ihren Kollegen bald gefunden werden. Auch ihm fehlt neben den Gliedmaßen das Herz und obwohl erst unklar ist, um wen es sich bei dem Toten handelt, ist eines sonnenklar: es gibt einen Tatzusammenhang! Doch warum wurden hier neben dem Herzen auch Gliedmaße entfernt, noch dazu quasi fachgerecht?! Schon bald finden die Ermittler über das Pharmaunternehmen den „Lieferanten“ der Körperteile heraus und können einen Tatverdächtigen festnehmen. Der Rechtsmediziner von Weinstein liefert indessen mit seinen Obduktionsergebnissen immer wieder wertvolle Ermittlungshinweise, die zumindest Clara und ihre Kollegen daran zweifeln lassen, dass dieser für beide Morde oder gar die zurückliegende Mordserie in den USA verantwortlich sein kann.

Claras Chef, der Leiter des Morddezernates im Berliner LKA, Winterfeld ist zwar im Bilde und mit seinen Ermittlern einer Meinung. Doch die aufsehenerregenden Morde und nicht zuletzt das Auftauchen zweier Polizisten aus Amerika rufen auch den Chef des LKA auf den Plan. Dem es natürlich am liebsten wäre, könnte der Tatverdächtige auch zum Mörder erklärt werden. Erst ein DNA- Abgleich lässt selbst den Behördenleiter zweifeln und während sich Clara und die Anderen mit den Kollegen vom FBI den Kopf zerbrechen, schlägt der Täter erneut zu…

Ein Katz-und-Maus-Spiel beginnt und den Berliner Polizeibeamten gelingt es, zusammen mit ihren amerikanischen Kollegen Unerhörtes aufzudecken! Geraten sie dabei möglicherweise schon bald an die Grenzen ihrer dienstlichen Möglichkeiten?

Mein Fazit:

Dass sich hinter diesem Thriller ein derart brutales Buch verbirgt, hätte ich so keinesfalls vermutet! Laut Amazon wird das Buch für Leser ab 16 Jahren empfohlen, aber ich würde tatsächlich noch einen Schritt weiter gehen und es ab 18 Jahren empfehlen. Detail – und bildreiche Schilderungen der Morde mit splitternden (Schädel)Knochen und spritzender Hirnmasse, genaue Beschreibungen von skurrilen Körperverstümmelungen wie einer Harnröhrendehnung – mehr als einmal war es selbst mir als medizinisch vorgebildetem Menschen und hartgesottenem Krimileser eindeutig eine Spur Zuviel des Guten! Etzold nimmt kein Blatt vor den Mund und schockt mit Brutalitäten. Allerdings ist alles exzellent recherchiert und ich war erstaunt über so viel Fachkundiges und Fundiertes in einem Roman.

Was zumindest die (rechts)medizinischen Hintergründe angeht, ist Etzold durch seine Ehefrau bestens beraten, wie mir der zufällig auf der Frankfurter Buchmesse getroffene Autor auf Nachfrage selbst verraten hat. Saskia Etzold ist Rechtsmedizinerin in Berlin und zählt genauso wie ihr Chef und ebenfalls Thrillerautor Michael Tsokos zu Veit Etzolds liebsten „Informanten“ bei rechtsmedizinischen Fragestellungen. Aber der Roman hat noch eine ganze Menge weiterer ungewöhnlicher Themen zu bieten: von Kannibalismus über Body Modifications bis hin zu Terrorismusbekämpfung in den USA – Etzold lässt keinen Zweifel daran, dass er für diesen Thriller einiges an Recherchearbeit auf sich genommen hat. Leider sind diese Abschnitte aber nicht alle gleichermaßen spannend und so wird es zeitweise auch etwas langatmig. Gut gefallen hat mir unterdessen, dass das Privatleben der Protagonistin Clara keinen zu hohen Stellenwert in dem Thriller einnimmt und die Brisanz und Wichtigkeit der Ermittlungen im Vordergrund stehen. Für meinen Geschmack hätten aber die Charaktere der Hauptfiguren dennoch etwas intensiver ausgearbeitet sein dürfen. Trotz kleinerer Logikfehler im Plot und langatmiger Abschnitte konnte „Der Totenzeichner“ mich insgesamt fesseln und dank kurzer Kapitel und klarer Sprache zügig durchgelesen werden. Das für mich überraschende Ende ist clever gemacht und lässt mich sicher auch einen weiteren Band von Veit Etzold lesen.

Taschenbuch: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3404172290

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