W. E. B. Griffin – Geheimauftrag „Roter Drache“

Das geschieht:

Es brennt auf der Welt in diesem Winter 1964. Die Kommunistenteufel aus der UdSSR planen einen weiteren Schurkenstreich gegen die guten Mächte des Westens. In Afrika machen sie sich diverse Wirren zu Nutze, die ausbrachen, weil wirrköpfige Neger-Cäsaren das Joch weiser Kolonialherren abwarfen und sich planlos an der Selbstständigkeit versuchten. Das Ergebnis – die kluge Weltpolizei USA hatte noch gewarnt – sind erwartungsgemäß Chaos und Bürgerkrieg.

Im ehemals belgischen Kongo revoltiert die „Simba-Befreiungsarmee“ unter ihrem Führer Joseph Olenga. Die Simbas halten die Hauptstadt Stanleyville besetzt und haben etwa 1600 europäische Weiße als Geiseln gefangengesetzt. So geht das natürlich nicht, weshalb die Regierungen der USA und Belgiens die Geheimoperation „Dragon Rouge“ ausgeheckt haben: Eine gemischte Truppe aus amerikanischen und belgischen Elitesoldaten soll die Gefangenen befreien.

Der Coup gelingt, aber der Kampf geht weiter. Aus Südamerika macht sich der Idealist Ernesto Guevara, genannt „Che“ nach Afrika auf, um dort den Freiheitskampf zu organisieren. Er ahnt freilich nicht, dass er verraten wurde: Der fidele Dr. Castro hat seit dem Staatsstreich, der ihn 1959 zum Herrn der Insel Kuba machte, wenig übrig für Che, den alten Freund und Streitgenossen, der noch immer den reinen Marxismus predigt. Che stört und soll ins Ausland abgeschoben werden, um dort möglichst einem der vielen Arbeitsunfälle zum Opfer zu fallen, die einem Guerillakämpfer in Ausübung seiner Tätigkeit zustoßen können.

Glücklicherweise lassen sich die Vereinigten Staaten von Amerika nicht auf der Nase herumtanzen. Operation „Dragon Rouge“ wird ausgeweitet. Die „Bruderschaft des Krieges“ soll den Genossen kräftig in die blutrote Suppe spucken …

Die Reaktion der Reaktionäre

„Und für all die Typen der Special Operations,
die ihr Leben aufs Spiel setzten,
um Afrika und Südamerika von Kommunisten frei zu halten.“

Wem wird bei einer solchen Widmung nicht warm ums Herz? Herzlich willkommen in der Welt des W. E. B. Griffin, der noch zwischen den Guten (= USA und Verbündete) und den Bösen (= Rote egal welcher Nationalität) zu differenzieren weiß. Dank Griffin ersteht glorreich neu die Vergangenheit, wie sie hätte sein können, wären nicht liberale Schlappschwänze, verräterische Journalisten & andere Weicheier hervorgekrochen, um jene schmählich in den Schmutz zu ziehen, die ihren Kindern die Welt kommunistenrein übergeben wollten.

Dass es nicht geklappt hat, lag jedenfalls nicht am US-Militär, am Geheimdienst und W. E. B. Griffin, denn sie alle waren willens, das rote Pack zurück nach Moskau und weiter bis ins Nordpolarmeer zu treiben. In „Geheimauftrag ‚Roter Drache‘” wird durchgespielt, wie das ausgesehen hätte. Dass dabei die historische Realität mit Füßen getreten wird, möchte man dem Verfasser nicht vorwerfen, denn dies ist das Privileg eines Geschichtenerzählers. Wenn dieser seinen Job allerdings nicht beherrscht, ist es vorbei mit der Toleranz – und W. E. B. Griffin ist ein schrecklicher Schwätzer und Langweiler, der sein Garn auf wahnwitzige 1000 Seiten aufbläht, während der Plot sich in wenigen Sätzen wiedergeben lässt.

Die Handlung will und will nicht in Schwung kommen. Kein Wunder, denn Griffin scheint beim Schreiben eine Reihe von militärischen Handbüchern um sich verteilt zu haben, aus denen er ausgiebig zitiert. Einschlägige Fachtermini, Abkürzungen, technische und taktische Informationen prasseln auf den Leser ein. Interessiert ihn das, bringt es die Geschichte voran? In keiner Weise. Statt dessen entsteht das peinliche Bild eines alten Mannes, der sich wehmütig an eine Zeit erinnert, als er noch jung und kräftig und Teil einer Gemeinschaft war, die ihren Jüngern das Denken abnahm, über unerschöpfliche Finanzmittel verfügte und immer für ein flottes Abenteuer jenseits langweiliger Zivilisten-Gesetze im Namen der Gerechtigkeit gut war.

Die Waffe als Instrument der Weltordnung

Diese Vergangenheit wird von Griffin niemals in Frage gestellt. Korea, Vietnam, Südamerika – für diesen Mann sind dies ehrenvolle und notwendige Unternehmen, die nicht konsequent zu Ende gebracht werden konnten, weil Zivilisten dem Militär ins Handwerk pfuschten oder ihm gar einen Dolch in den Rücken stießen. Wer sich auf diese zudem absolut USA-zentrierte Weltsicht und den entsprechenden Hurra-Patriotismus nicht einlassen kann oder mag, sollte Griffins Werke meiden: Sie visualisieren die brachialimperialistischen und stockreaktionären Wunschträume einer gar nicht so kleinen Gruppe unbelehrbarer Hardliner, die einfache und endgültige Lösungen für die Probleme dieser Welt suchen und sie im Krieg gefunden zu haben glauben.

Soldat zu sein ist nicht nur eine Aufgabe, sondern eine ritterliche, eine heilige Mission, das Militär kein Arbeitsplatz, sondern ein Hafen und eine Heimat, in der Regeln und Befehle denen, die sich vor der Freiheit des Denkens ängstigen Halt und Frieden schenken. Die Streitkräfte der USA – wie W. E. B. Griffin sie sieht – sind die Wächter an den Toren der Hölle, hinter denen die dämonischen Kommunisten lauern, um diese Welt in eine rote Kolonie zu verwandeln.

Die Pflicht, sie in Schach zu halten und notfalls zu züchtigen, erfordert ganze Männer (und im Hintergrund einige Frauen). Solche treffen wir hier in reicher Zahl, und wir erkennen sie daran, dass sie Uniform tragen. (Einige Schlipsträger dürfen auch auftreten, aber das sind Wasserträger vom Geheimdienst.) Dennoch sind sie wie alle 100%-Helden langweilig und müssen durch einige Macken und Schicksalsschläge notdürftig unterscheidbar gestaltet werden. Rauer Landser-Humor und sentimentale Etappen-Episoden kommen natürlich auch nicht zu kurz.

Das waren Zeiten!

Frauen sind Soldaten-Frauen, d. h. sie richten ihren Männern daheim ein Nest ein und halten ihnen die Stange (dies ruhig zweideutig verstehen), wenn es sie hin und wieder nach Hause verschlägt. Sie sind vielleicht besorgt, wenn die Gatten wieder einmal irgendwo in den Krieg ziehen und nichts darüber verraten dürfen, bleiben aber immer gefasst, hausen klaglos in schmucklosen Kasernensiedlungen und zeigen heitere Miene zum letztlich guten Spiel, selbst wenn es für einige Teilnehmer in einem (prächtig rot-blau-weiß geschmückten) Sarg endet.

Denn dies waren die frühen 1960er Jahre; glückliche Zeiten in einer ordentlichen Welt, die noch keine Emanzen oder Hippies, Kriegsdienstverweigerer und Nestbeschmutzer kannte. Dass es schon damals da draußen eine Welt gab, die von Zivilisten in der Überzahl geprägt wurde, blendet Griffin für sein Säbelrassler-Garn aus. Zivilisten sind Schafe, die beschützt und dorthin getrieben werden, wo der Große Weiße Vater in Washington sie sehen mag. Ansonsten bilden sie jenen Pool, der Politiker, Großkonzerne mit nicht-amerikanischen Interessen, Anwälte, Menschenrechtler und andere Verbrecher speist.

Che Guevara dürfte dank Mr. Griffin in seinem seit 1999 endlich bekannten Grab mit Höchstgeschwindigkeit rotieren. Er wird als charismatischer, kluger und daher ganz besonders gemeingefährlicher Kommunist gebrandmarkt. Dennoch besitzt Griffin die Unverfrorenheit, Guevara zum Mündel des US-Establishments zu degradieren, das er Zeit seines kurzen Lebens bekämpfte. Nach Griffin räumten die eigenen Genossen Guevara aus dem Weg – und US-Soldaten sollten dies verhindern! Das ist sogar als unfreiwilliger Humor betrachtet ein starkes Stück!

Verfasser

William Edmund Butterworth III. produziert als W. E. B. Griffin (sowie unter zahlreichen weiteren Pseudonymen) Militär- und Polizei-Thriller wie ein Fleischer Leberwürste: Er presst einen Brei mehr oder weniger fein gehäckselter Handlungselemente und Figuren in den vom Genre vorgegebenen Darm, bis die Wurst die vorgegebene Länge erreicht hat. Dann wird sie hinter zugebunden, abgeschnitten, und das Spiel geht von vorn los. So hat Griffin (inzwischen unterstützt durch William E. Butterworth IV.) mehr als 100 zumindest von der Länge epische Romane und Sachbücher produziert, von denen es seine in den Serien „Soldier Spies“, „Brotherhood of War“, „Badge of Honor“, „The Cops“ und „Honor Bound“ erscheinenden Werke sämtlich auf die Bestsellerlisten der „New York Times“, des „Wall Street Journal“ und anderer bekannter Publikationen gebracht haben. Vielleicht standen sie dort nie ganz oben, aber immerhin kursieren angeblich 50 Millionen Griffin-Bücher in mehr als zehn Sprachen auf der ganzen Welt – sogar in China, dessen kommunistisches Vermögen der Verfasser offenbar zum Wohle der Welt über die Buchläden absaugen möchte.

Geboren wurde William E. Butterworth III. 1929 in Newark im US-Staat New York. Mit 17 Jahren wurde er Soldat der United States Army und nach Deutschland versetzt. 1947 nahm er seinen Abschied und schrieb sich als Student an der Universität von Marburg ein, wurde aber 1951 in den aktiven Dienst zurückberufen: Korea brauchte harte Männer. Butterworth wurde Offizier im Informationsdienst. Diesen Posten behielt er, als er 1953 in die USA zurückging, stieg weiter auf, sammelte fleißig Medaillen und Lametta, wurde Mitglied praktisch jeder militärischen Veteranengemeinschaft und fand nebenbei noch die Zeit, sich zu einem der produktivsten Schriftsteller der Gegenwart zu entwickeln.

Wer im Detail nachlesen möchte, wie Disziplin und der unbedingte Glaube an Amerika die berufliche Karriere und privates Glück bedingen, lade diese Website.

Die „Brotherhood-of-War“-Serie

… erschien in Deutschland als „Soldaten-Saga“ im Bastei-Lübbe-Taschenbuchverlag:

(1982) Book I: The Lieutenants (Lieutenants) – TB Nr. 13173
(1982) Book II: The Captains (Captains) – TB Nr. 13181
(1983) Book III: The Majors (Majors) – TB Nr. 13196
(1983) Book IV: The Colonels (Colonels) – TB Nr. 13203
(1985) Book V: The Berets (Green Berets) – TB Nr. 13209
(1986) Book VI: The Generals (Generals) – TB Nr. 13217
(1987) Book VII: The New Breed (Die neue Generation) – TB Nr. 13289
(1988) Book VIII: The Aviators (Die Flieger) – TB Nr. 13325
(2001) Book IX: Special Ops (Geheimauftrag Roter Drache) – TB Nr. 14778

Taschenbuch: 1005 Seiten
Originaltitel: Special Ops (New York : Penguin Group 2001)
Übersetzung: Joachim Honnef
www.luebbe.de

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