Winkler, Dieter – verschollene Stadt, Die (Wolfgang Hohlbeins Enwor – Neue Abenteuer 2)

Auf dem Buchrücken von „Die verschollene Stadt“ wird nur Wolfgang Hohlbein genannt, und auch das Cover ziert sein Name ziemlich groß, ehe dann weiter unten ziemlich klein gesagt wird, das Buch sei „von Dieter Winkler“. Der „deutsche Stephen King“, für jeden Verlag ein Zugpferd, erhält hier aber zu Recht so viel Aufmerksamkeit, denn schließlich stammen die ersten zehn Romane der Enwor-Saga von ihm, wiewohl auch Winkler eine Aktie am Ganzen hat; alles nachzulesen in Hohlbeins Vorwort, mit dem sich sein Beitrag zu diesem Buch jedoch erschöpft. Die folgenden 330 Seiten fast totaler Action hat Winkler und nur Winkler verfasst; der jedoch nutzt wiederum Hohlbeins Ideen zu ihrer gemeinsam kreierten Welt.

Leider zauberte die Reziexe-Fee diesmal nur den zweiten Band einer Trilogie (?) aus ihrem spitzen Hut – mir fehlt die Kenntnis über den Vorläufer [„Das magische Reich“, 204 und „Die verschollene Stadt“ bricht mitten im Ungeklärten ab. Schade, denn die Handlung ist so spannend, dass ich gern gewusst hätte, wie alles ausgeht; falls die Fee nicht noch einmal zaubert, muss ich mich halt zum Buchladen schleppen. Das Buch ist so schlecht nicht; für deutsche Fantasy ist es sogar sehr gut, wenngleich man keinen erzählerischen oder gar philosophischen Tiefgang erwarten darf – Winkler will unterhalten, und das gelingt ihm bestens.

Auch wer den ersten Teil nicht kennt, kommt schnell in die Handlung hinein: Daart und Carnac, zwei Satai-Sjen (Schüler einer Kriegerkaste) haben im Reich Nyingma einen Auftrag des Hohen Rates der Satai erfüllt. Sie mussten sich dabei der gefährlichen Göttin/Zaubererin Nubina erwehren, was Daart auch stark verändert hat. Mit sich führen sie den Magier Zar’Toran – als Gefangenen. Daart kennt den Mann schon lange und verabscheut ihn, weil Zar’Toran ihn in seiner Kindheit zum Guhulan machen wollte, dem Mitglied einer Feuersekte … Ja, etwas schwierig, wenn man von ENdWORld (Nord- und Mittelamerika einer fernen Zukunft) keine Ahnung hat, aber man findet sich nach und nach zurecht. Zar’Toran ist jedenfalls nicht wirklich ein Gefangener, denn wer wollte schon einen mächtigen Magier gegen dessen Willen festhalten? – Als Daart und Carnac auf ein kleines Heer treffen, geführt von ihrem alten Kameraden, dem Satai Jacurt, sind sie zuerst froh, aber die Hilfe erweist sich als keine: Jacurt nimmt sie gefangen und behandelt sie recht unschön. Der Leser durchschaut das Intrigenspiel ebenso wenig wie Daart, der personale Er-Erzähler, der eben auch nicht alles weiß. Das macht aber nichts, Winkler lässt sowieso kein Grübeln aufkommen, sondern schreibt die beiden Satai-Sjen aus einem Abenteuer ins nächste. Daart verliert das Bewusstsein; als er wieder zu sich kommt, liegt er mitten in einer unterirdischen Stadt; ein Kampf tobt, aus dem er und Carnac nur mit Mühe entkommen; später treffen sie auf die legendären Satai Skar und Del (die Hauptfiguren der ersten Enwor-Bände?). Die beiden sind zwar eigentlich schon lange tot, doch in dieser Stadt unter der Erde läuft die Zeit anders. Eternity ist das letzte Relikt aus den Tagen, in denen die Alten gegen die Sternengeborenen kämpften (Hintergrund des ganzen Zyklus). Natürlich hat es Daart nicht zufällig dorthin verschlagen, denn irgendwo ist ein mächtiges Amulett zu finden, an dem alle interessiert sind: der Schlüssel zur Macht über die Welt.

Man überlasse sich getrost dem Einfallsreichtum des Autors: Er führt einen stetig vorwärts, klärt auf, was geklärt werden muss, und deutet genug an, um die Spannung ständig zu steigern. Einige „Wie jetzt?“-Episoden sind im Ganzen des Romans schlussendlich sinnvoll, und die immer noch rätselhaft sind, werden es am Ende der Reihe wohl auch nicht mehr sein. Ansonsten ist alles f-tauglich: Queste und Liebe, Magie und Mysterien, Gefahr und Gemetzel, Verrat und Treue, Verderben und Rettung; Sword and Sorcery, die sich sehen lassen kann, geradlinig und schnörkellos erzählt. Prädikat: zugfahrtgeprüft und für gut befunden. Strich drunter; ich warte, wie es weitergeht.

_Peter Schünemann_ © 2004
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [Buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|