Birbaek, Michel – Beziehungswaise

Lasse liebt Tess. Tess liebt Lasse. Seit sieben Jahren schon. Doch das scheinbare Traumpaar hadert mit den Tücken einer langwierigen Beziehung, die im Hin und Her des beruflichen Alltags zu ersticken droht. Lasse ist ein abgehalfterter Comedian, der mittlerweile nur noch Seniorennachmittage auf Kreuzfahrten moderiert. Tess dagegen macht bei VW groß Karriere und hat daher noch weniger Zeit für Lasse, als Lasse für Tess hat.

Dennoch scheint das Paar nach außen glücklich zu sein – im Innern hingegen rumort es kräftig. Die mittlerweile zweijährige Sexflaute nagt am Selbstwertgefühl und wirft so manche Sinnfrage auf. Ist das noch eine Beziehung oder nur noch Freundschaft? Als Tess dann ein Jobangebot in China bekommt, können die beiden ihre Probleme nicht länger ignorieren. Sie müssen sich entscheiden, was sie wollen. Bedeutet ihnen die Beziehung noch genug, um sie aufrecht zu erhalten? Wollen sie Liebe oder Karriere, Freundschaft oder Sex?

Als wenn das nicht schon genug wäre, entpuppt sich dann auch noch Lasses Vater als schwerkrank. Lasse pendelt zwischen Castingterminen mitten im Kölner Karneval und dem Krankenbett des Vaters in Dänemark hin und her. Und der fordert von Lasse dann auch ausgerechnet einen ganz speziellen letzten Wunsch: Er soll Tess endlich einen Heiratsantrag machen …

„Beziehungswaise“ ist ein Roman, der schon dem Titel nach Wortwitz und Humor verspricht. Ein Comedian als Hauptfigur, da darf man wohl zu Recht so einiges erwarten. Michel Birbæk wird dieser Erwartung durchaus gerecht. Schon im ersten Kapitel, das Lasses Erlebnisse beim Besuch der Hochzeit eines Freundes in Amerika schildert, gibt viel Anlass zu Lachen und zu Schmunzeln.

Doch wer aufgrund dieser Tatsache auch in allen folgenden Kapiteln ein nicht enden wollendes Gagfeuerwerk erwartet, der sei gewarnt. Bei Birbæk jagt nicht über die gesamten knapp 500 Seiten eine Pointe die nächste. Dafür entwickelt die Geschichte eine zunächst unerwartete Tiefe, die die vielseitigen Facetten der Gefühle auslotet.

Birbæks Roman dreht sich um die großen Fragen, die rund um Beziehung, Trennungsschmerz, Familienleben, Freundschaft aber auch um Krankheit, Trauer, Tod und Abschied auftauchen. „Beziehungswaise“ wird dadurch zu einem Wechselbad der Gefühle – mal heiter, charmant und unkompliziert, mal voller Ernsthaftigkeit, Schwermut und Traurigkeit. Der Balanceakt, sowohl die Tragik, als auch die Komik, die das Leben von Lasse widerspiegelt, unter einen Hut zu bringen, gelingt Birbæk ausgesprochen gut.

Lasse wirkt als Protagonist durchaus glaubwürdig. Er zweifelt an seinem Job, zweifelt an der Sinnhaftigkeit seiner Beziehung zu Tess und während in Dänemark sein Vater dem Tod ins Antlitz schauen muss, versucht Lasse irgendwie die Freude an dem wiederzufinden, was er tagein, tagaus tut. Die Entwicklung, die er dabei innerhalb der Geschichte durchläuft, ist größtenteils durchaus glaubwürdig und nachvollziehbar, nur mit Lasses erwecktem Interesse an der Umweltschutzarbeit seines Mitbewohners Arne und seinem Wunsch, sich zu engagieren, scheint Birbæk irgendwie ein bisschen über das Ziel hinauszuschießen. Das ist dann doch ein bisschen viel der Charakterwandlung.

Überhaupt sind die Mitbewohner in Lasses Kölner WG der einzige Knackpunkt in Sachen Glaubwürdigkeit. Mag man Arne den schweigsamen, kraftraumgestählten Ökoterroristen noch halbwegs im Rahmen des Möglichen ansiedeln, so sprengt Frauke, die dauerbekiffte Rechtsanwältin, dann doch ein bisschen das Vorstellungsvermögen. Solche Anti-Klischees wirken dann eben doch etwas überzeichnet, wenngleich sie sicherlich einen gewissen Unterhaltungswert versprechen.

Dabei sind die Figuren und ihre Verhaltensweisen ansonsten durchaus nachvollziehbar. Vor allem Lasses emotionale Lage lässt sich gut mitfühlen, egal ob es um den Umgang mit seiner scheiternden Beziehung geht oder um die Auseinandersetzung mit dem zu befürchtenden Tod seines Vaters oder seine Gedanken um Freundschaft und Familie ganz allgemein. „Beziehungswaise“ enthält viele Gedanken, in die man sich gut hineinfühlen kann und die sich unter Umständen auch auf das eigene Leben projizieren lassen.

Sprachlich kann Birbæk auf ganzer Linie punkten. Er schreibt gewitzt und höchst unterhaltsam und jongliert seine Sätze mit einer Prise Wortwitz, die den Lesegenuss besonders würzt. „Beziehungswaise“ macht so gesehen mit jeder Seite Spaß, ohne dass es Birbæks Gedanken an der nötigen Tiefe mangeln lassen.

Ironische Seitenhiebe auf den Medienbetrieb gibt es stets dann, wenn Lasse im Casting darum bangt, in die nächste Runde zu kommen und gegen die mal mehr und mal weniger witzige Konkurrenz antritt. Diese Episoden bilden einen ziemlich drastischen Kontrast zu den Episoden in Dänemark, in denen Lasse sich um die Familie kümmert und mit seiner Schwester zusammen um das Wohlergehen des Vaters bangt. Dennoch ergibt sich aus diesem Kontrast ein durchaus stimmiges Ganzes, das sowohl einfühlsam als auch unterhaltsam erzählt daherkommt.

Bleibt unterm Strich also ein durchaus positiver Eindruck zurück. Trotz der etwas überspitzt wirkenden Anti-Klischees in Form von Lasses Mitbewohnern Frauke und Arne und einer etwas zu weit vollzogenen Charakterwandlung von Lasse weiß „Beziehungswaise“ gut und überzeugend zu unterhalten. Ein lockerer, gewitzter Erzählstil, viel Stoff zum Schmunzeln und Lachen, aber nicht minder Gedanken, die bewegen und anrühren und dem Buch eine gewisse Tiefe verleihen, die man anfangs nicht vermuten mag – so ist „Beziehungswaise“ ein ausgewogener und unterhaltsamer Lesegenuss, den man gerne weiterempfiehlt.

http://www.luebbe.de

|Siehe ergänzend auch unsere [Rezension 714 zu „Wenn das Leben ein Strand ist, sind Frauen das Mehr“.|

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