Jenkins, Paul & Ramos, Humberto – Offenbarung, Die

Nach dem grauenvollen Tod seiner Eltern hat Charlie Northern jeglichen Glauben verloren. Der folgenschwere Mord hat den damals erst jugendlichen Northern mit Hass gefüllt; einen Hass, der sich vor allem gegen Dogmen, Religionen und den sturen vom Vatikan propagierten Glauben richtet. Rund 30 Jahre später sucht Charlie insgeheim noch immer nach dem Mörder seiner Eltern. Jedoch ist der Detective von Scotland Yard mittlerweile nicht mehr ganz so verbissen wie einst. Seine Karriere ist in den letzten Jahren steil bergab verlaufen, und auch sein damals noch so guter Ruf ist nur noch ein lästiger Schatten, gegen den Charlie heuer nur noch vergeblich ankämpfen kann.

Sein alter Freund Marcel LeClair glaubt aber noch an den Detective. Der vor kurzem selber zum Vatikan übergetretene Neu-Kardinal bittet Northern, einen seltsamen Mord an seinen Kollegen Richleau aufzudecken und ihn ins Zentrum der katholischen Kirche zu begleiten. Ohne weitere Bedenken stimmt Charlie zu, stellt aber schon direkt nach seiner Ankunft fest, dass er es im Vatikan tatsächlich mit höheren Mächten zu tun hat. Doch um überhaupt hinter das gewaltige Komplott und die finsteren Machenschaften zu blicken, muss Detective Northern erst einmal eine enorme persönliche Hürde überwinden: Ohne den Glauben kann er nämlich weder den Mordfall aufdecken noch überhaupt verstehen und realisieren, was sich um ihn herum abspielt. Und dies ist wahrlich umfassender, als Northern es sich je hätte vorstellen können …

_Meine Meinung_

Nun haben die Verschwörungstheorien also auch im Comic-Bereich Einzug gehalten und dem Trend der momentan angesagten Literatur endlich auch mal nachgegeben. ‚Endlich‘ in diesem Fall vor allem deswegen, weil „Die Offenbarung“ ein echter Glücksfall von einem Comic ist. Unheimlich geschickt verbindet Autor Paul Jenkins hier die grundlegende Elemente eines religiösen Psycho-Thrillers mit übersinnlicher Fiktion und bettet das Ganze schließlich in eine wendungsreiche Action-Geschichte ein, deren rasantes Tempo wirklich sehr beeindruckend ist. Mit dem Hauptakteur führt der Autor zudem eine derart lässige und coole Figur ein, dass man sich bisweilen an Filmhelden wie James Bond und dergleichen erinnert fühlt. Flotte Sprüche, großes Mundwerk und völlige Distanzlosigkeit sind die manchmal auch zweifelhaften Eigenschaften von Charlie Northern, der uns aber nichtsdestotrotz sympathisch ist, denn schließlich sind seine Aussagen bei aller verbalen Härte nicht plump. Er spricht in den Dialogen mit den geheimnisvoll agierenden Obersten des Vatikans genau das aus, was viele in der individuellen Situation denken würden, oder anders gesagt: er macht keine Unterschiede zwischen seinen verschiedenen Gesprächspartner und zeigt sich ihnen gegenüber gleichermaßen respektvoll – oder respektlos, je nachdem, wie man es jetzt sehen möchte.

Tief im Inneren ist Northern aber, mit Verlaub, ein armes Schwein, dessen traumatisierende Jugend ihn im Nachhinein zu einem Wrack hat verkommen lassen. Dabei hatte er die größten Möglichkeiten, hat sich bei Scotland Yard sogar international einen Namen gemacht, ist aber schlussendlich untergetaucht, um verspätet seine Vergangenheit zu bewältigen. Aber er ist ein Profi und in den entscheidenden Momenten zur Stelle. Ein solcher ist sein Einsatz im Vatikan, mit dem sich letzten Endes ein Kreis schließt, der vor 30 Jahren geöffnet wurde – allerdings nicht in dem Maße, wie sich Northern dies vorgestellt hätte.

All diese Eigenschaften des Hauptdarstellers macht sich Jenkins zunutze, um drumherum eine superspannende, mit vielen Überraschungen gespickte Geschichte aufzubauen, bei der es definitiv lohnt, sehr konzentriert zu lesen und den wunderbaren Zeichnungen etwas mehr Aufmerksamkeit zu schenken. In diesen finden sich nämlich beinahe genauso viele versteckte Andeutungen wie in den recht langen Sprechblasen (unter anderem auch aus der Perspektive von Northern), die später dann den Aha-Effekt auslösen und das verzwickte Puzzle zusammenfügen. „Die Offenbarung“ ist nämlich im Grunde genommen gar nicht so komplex, wie dies auf den ersten Eindruck zu sein scheint, erfordert allerdings zum direkten Verständnis etwas mehr Zuwendung als der ’normale‘ Comic. Doch dies sollte ja eigentlich kein Problem sein. Selbst die ziemlich gut ausgearbeiteten Hintergründe zur im Mittelpunkt stehenden Verschwörungstheorie sind eigentlich sehr leicht verständlich und (das darf sehr positiv bewertet werden) keinesfalls bei Dan Brown oder sonstigen bekannten Vorlagen abgekupfert. Schade ist lediglich, dass die Geschichte nach dem stetig aufgebauten Spannungsbogen ein recht schnelles, für meinen Geschmack nicht so ganz befriedigendes Ende findet und auch noch einige Fragen im Raume stehen lässt. Aber womöglich ist dies ja auch beabsichtigt, um die Geschichte in einem weiteren Buch endgültig abzuschließen.

Dennoch: „Die Offenbarung“ ist nicht nur eine absolute Augenweide, sondern auch im Bezug auf die Story ein echter Festschmaus. Viel besser hätte das Duo Jenkins & Ramos jedenfalls kaum in die zeichnerische Bearbeitung dieser Materie einsteigen können.

http://www.carlsen-comics.de/

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