Lucius Shepard – Grüne Augen

Dieser Horror kann Dean Koontz nicht das Wasser reichen

Magie, Woodoo und modernste Wissenschaft habe sich zusammengetan zu einem Geheimprojekt, das von der amerikanischen Regierung finanziert wird. In den Sümpfen Virginias werden makabre Experimente durchgeführt. Man injiziert frisch Verstorbenen mutierte Bakterienkulturen, die im Körper des Toten eine Umwandlung bewirken, durch die eine Rückkehr zu einem Scheinleben möglich ist.

Bei den meisten Verstorbenen ist dieses zweite Leben nur von kurzer Dauer, aber es treten immer wieder sog. Langsambrenner auf, denen so eine monatelange Lebensspanne ermöglicht wird. Mit diesen Phänomenen geht dien phänomenale Intelligenzsteigerung einher, die durch eine bakterielle Umformung des Gehirns zustande kommt. Die Probanden werden in ein abgelegenes ehemaliges Herrenhaus gebracht, wo man daran arbeitet, den zweiten Tod immer weiter hinauszuschieben.

Lucius Shepard, dem mit seinem Roman „Das Leben im Krieg“ weltweit ein aufsehenerregender Durchbruch gelang, hat diesem seinem Erstling seine Erfahrungen mit Voodoo-Zauber und Naturreligionen der Karibik einfließen lassen, die er während seines jahrelangen Aufenthalts in Mittelamerika beobachtete und studierte. (Verlagsinfo)

Der Autor

Lucius Shepard, geboren 1947, zunächst ein Dichter, war in den achtziger Jahren einer der wichtigsten SF-Autoren, der mehrfach mit Preisen des Genres ausgezeichnet wurde. In seinen Erzählungen „Salvador“ (1984) und mit dem Roman „Das Leben im Krieg“ (1987) setzte er sich sehr kritisch und provokativ mit dem Engagement der Vereinigten Statten unter Präsident Reagan in Mittelamerika auseinander. Die CIA, das Pentagon und sicherlich noch andere Behörden des Geheimdienstapparates bildeten Contras aus: Sie sollten in El Salvador und Nicaragua gegen das sozialistische Regime operieren. Die Folge war ein Stellvertreterkrieg, in dem nicht nur Tausende von Zivilisten ums Leben kamen, sondern auch die Iran-Contra-Affäre (Waffenschmuggel) die totale Amoralität der Verantwortlichen offenlegte.

Mit seinen anderen Werken war Shepard nicht so erfolgreich. In „Grüne Augen“ (1984) stellt die CIA illegale Experimente zur Wiederbelebung von Leichen an; in „Kalimantan“ wandelt die Hauptfigur auf den Spuren Joseph Conrads. Aber jede Erzählung Shepards hält ein gutes Leseerlebnis bereit, so etwa in „Delta Sly Honey“ (1989) und „Muschelkratzer-Bill“ (1994). „Der Mann, der den Drachen Griaule malte“ (1984) bildet mit „The Scalehunter’s Beautiful Daughter“ (1988) und „Father of Stones“ (1988) eine schöne Sequenz aus der High Fantasy.

Handlung

Mikrobiologen injizieren Toten neuartige Bakterienkulturen, was in der Regel zu einer kurzzeitigen Auferstehung führt. Doch manche dieser „Zombies“ leben wesentlich länger. Um ihren zweiten Tod noch weiter hinauszuschieben, werden sie von den Wissenschaftlern in einem alten Südstaaten-Landhaus isoliert und besonders intensiv beobachtet. Einem dieser Langlebigen, Donnell Harrison, gelingt mit seiner Therapeutin, die er liebt, die Flucht aus dem Forschungslabor.

Vor dem Hintergrund einer geheimnisvollen Verschwörung zwischen CIA und Voodoo-Anhängern entwickelt Shepard nicht nur eine leidenschaftliche Liebesgeschichte, vielmehr wird der Leser Zeuge der aufrüttelnden Suche Harrisons nach seiner Bestimmung. So schnell wie Harrisons außergewöhnliche Fähigkeiten erblühen, so geschwind zerfällt gegen Schluss seine Realität. Was den Liebenden bleibt, ist alleine Hoffnung. Die transzendierende Epiphanie am Schluss ist typisch für den Autor und erinnert an Joseph Conrad.

Unterm Strich

In seinem Erstlingsroman „Grüne Augen“ (1984) wagt sich SF-Autor Lucius Shepard auf das Terrain von Dean Koontz vor und schneidet meines Erachtens nicht besonders gut in diesem Vergleich ab. Er vermischt Biotechnik und Voodoomythen zu einem ungewöhnlichen Horrorroman.

Shepard ist mehr für seine großartigen Geschichten bekannt als für seine Romane. Während die Erzählungen nicht selten im Weltraum spielen, so liegt der Schauplatz seiner wenigen Romane stets in der Gegenwart und auf der Erde. Dies ist kein Cyberpunk, aber auch kein Kim-Stanley-Robinson-Abklatsch. Schauplätze sind oftmals die Wildnisse dieser Welt, die Dschungel und Wüsten, aber auch die Einsatzorte des Militärs und der Polizei, sei es im Dschungel Mittelamerikas oder an der Grenze zu Mexiko. Die Reisen des Autors durch die bizarren Winkel unserer Welt verraten eine große Authentizität, denn der Autor ist selbst vor Ort gewesen. Er öffnet unsere Sinne für eine alternative Sicht der Wirklichkeit.

Shepard ist es bereits in seinem erstklassigen Erstlingsroman „Das Leben im Krieg“ (1985) gelungen, alte Versatzstücke der Genre-Literatur zu neuem Leben zu erwecken. Leider erreicht „Grüne Augen“ keineswegs die Ausdruckskraft, die Stimmung und die Aussagegültigkeit des Erstlings. Immerhin weiß „Grüne Augen“ durch ein paar ausgezeichnete Szenen zu beeindrucken. Doch mit Koontz‘ neuen Romanen wie „Geschöpfe der Nacht“ oder „Im Banne der Dunkelheit“ kann Shepard nicht mithalten. Als SF taugt „Grüne Augen“ nicht, weil die wissenschaftliche Prämisse meines Erachtens nicht funktioniert. Shepard schuf sich seine Nische irgendwo zwischen Joe Haldemans Anti-Kriegs-Romanen und Robert Silverbergs Transzendenz-Epen.

Taschenbuch: 413 Seiten
Originaltitel: Green eyes, 1984;
Aus dem Englischen von Irene Bonhorst
ISBN-13: 978-3453034716

www.heyne.de

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