Elrod, Patricia N. – Vampirdetektiv Jack Fleming

Das ist schon ein ziemlicher Schock, wenn man sich plötzlich an den Ufern des Lake Michigan wiederfindet und feststellt, dass man tot ist. Eigentlich ist es sogar ziemlich widersinnig. Nicht jedoch für Jack Fleming, dem genau das passiert: Irgendjemand im Chicago der 30er Jahre will ihm offensichtlich an die Gurgel und scheinbar ist ihm das auch gelungen. Doch Fleming steht wieder auf – dank einer Affäre und des dazugehörigen Blutaustausches mit der Vampirin Maureen. So ist er zwar dem Tod von der Schippe gesprungen, doch ist ihm dafür die Erinnerung an seine Todesnacht abhanden gekommen. Warum will das organisierte Verbrechen von Chicago ihn loswerden? Wer hat ihn umgebracht? Und was soll diese Blutliste sein, die die angeheuerten Schläger ihm abnehmen sollten?

Fleming beschließt, sich zunächst ein wenig an seinen neuen vampirischen Zustand zu gewöhnen (inklusive erster taktischer Besuche des berüchtigten Chicagoer Schlachthofs – schließlich ist er ein humanistischer Vampir) und dann seinen eigenen Mord aufzuklären. Immerhin ist er eigentlich Reporter, und verdeckte Machenschaften aufzudecken sein täglich Brot. Er erhält überraschende Hilfe von dem Privatschnüffler Escott, der allein durch penible Beobachtung auf Fleming und seinen außergewöhnlichen Zustand aufmerksam geworden ist und ihm seine Hilfe und seine Kontakte anbietet. Fleming nimmt dieses Angebot dankbar an und gemeinsam machen sich die beiden auf, das Geheimnis um den Mord an Fleming zu lösen und dessen verlorenes Gedächtnis wieder herzustellen. Und so wühlen sich Fleming und Escott durch die Unterwelt Chicagos und von einem Bandenboss zum nächsten, geraten in einige brenzlige Situationen, Verfolgungsjagden und Schießereien, logieren in illustren Kneipen und spielen – natürlich – Poker (und betrügen – das versteht sich wohl von selbst), bis sie nach kurzweiligen 250 Seiten endlich das Rätsel um die Blutliste gelöst haben. Ob sich der ganze Aufwand für zwei Blatt Papier tatsächlich gelohnt hat, bleibt abzuwarten, doch unterhaltsam war er allemal!

„Vampirdetektiv Jack Fleming“ von P. N. Elrod ist in seiner Plakativität ein ziemlich abstoßender Titel (das hat auch |Festa| schnell eingesehen und die Titel der Fortsetzungen mehr am US-Original orientiert), zeigt aber, worum es in dem Roman gehen soll. Autorin Elrod nimmt das Genre des Vampirromans und katapultiert ihren untoten Helden gnadenlos in eine hardboiled Detektivgeschichte à la Hammett und Chandler. Dabei bedient sie zunächst einmal eine ganze Reihe Klischees des Genres: Unser Held ist ein Reporter, die Story spielt im Chicago der 30er Jahre, es gibt eine schöne Frau (die unser Held, bevor der Roman zu Ende ist, natürlich mindestens einmal verführt haben muss), Männer haben dicke Kanonen und setzen sie gern ein. Es fehlt nur noch, dass die Hauptcharaktere Filzhüte tragen (immerhin sieht man einen auf dem Cover des Buches).

Doch Elrod hält die Fäden ihrer Handlung fest in der Hand und ihr Vampirkrimi droht nie wirklich, ins Klischee abzudriften. Stattdessen spielt sie mit viel Finesse mit den Eckpfeilern des Genres und streut eine ganze Reihe Anspielungen und Namen ein, die Fans der damaligen Pulp-Magazine sicher ein Begriff sein werden. Darüberhinaus präsentiert sie gerade mit den Hauptcharakteren Fleming und Escott zwei schillernde und unterhaltsame Figuren. Fleming akzeptiert seinen neuen Zustand mit trockener Ironie und findet schließlich sogar Gefallen daran, den bösen Bandenboss mit seinen vampirischen Tricks zu erschrecken (da er sich beispielsweise ganz dramatisch in Luft auflösen kann). Escott dagegen hat eine Theaterkarriere hinter sich, beweist Sinn für Theatralik und begegnet Fleming mit erfrischender Entspanntheit. Und auch wenn Elrod ziemlich unwahrscheinliche Haken schlägt, um die beiden zusammentreffen zu lassen, so verzeiht man ihr diesen Patzer recht schnell, da Fleming und Escott ein so effektives Paar abgeben.

„Vampirdetektiv Jack Fleming“ erschien in den USA bereits 1990, doch hier hat sich erst der |Festa|-Verlag der Romane von Elrod angenommen und bringt sie nach und nach als deutsche Erstausgaben auf den Markt. Mittlerweile besteht die Serie „The Vampire Files“ in den USA aus elf Titeln – Elrod ist also eine fleißige Schreiberin. Und als Bonus bleibt ihre Vampirmythologie gleich, sodass in Zukunft auch Crossover mit ihrer anderen Vampirserie um Jonathan Barrett möglich sein werden. Überhaupt, Jonathan Barrett, Elrods zweite Vampireserie. Wo Jonathan mit seinem Zustand als Vampir zunächst endlos überfordert ist und sich bei jedem neuen Einschussloch panisch fragt, ob er nun sterben muss, nimmt Fleming die ganze Sache viel entspannter. Er findet sich recht problemlos mit den neuen Gegebenheiten ab, beschafft sich einen Schrankkoffer, lässt sich per Taxi zu den berühmten Chicagoer Schlachthöfen fahren und setzt die Vorteile seines Zustandes gnadenlos ein, ohne dessen Nachteile zu beweinen. In dem Sinne thematisiert und problematisiert „Vampirdetektiv Jack Fleming“ den Vampirismus an sich viel weniger, als es in den Jonathan Barrett-Büchern der Fall ist. Was durchaus vorteilhaft sein kann, wirkt Fleming doch damit viel weniger weinerlich als Barrett. Seine schroffe und doch liebenswerte Art wird ihm schnell viele Leserherzen bescheren.

„Vampirdetektiv Jack Fleming“ ist eher ein Krimi mit Vampir-Held als ein Vampirroman mit Krimielementen. Gruslig wird es also nie wirklich. Dafür spart Elrod nicht mit Motiven des Detektivromans und der entsprechenden Brutalität. Da gibt es Folterszenen und genüsslich beschriebene Schlägereien. Wem das zu blutig anmutet, der sollte sich lieber an Elrods gemächlichere Jonathan-Barrett-Serie halten. Alle anderen werden am finsteren und gewalttätigen Chicago sicher ihre Freude haben!