Johnson, Kij – Geheimnis der Fuchsfrau, Das

In der deutschen Fabelwelt ist der Fuchs als verschlagenes, hinterlistiges Tier bekannt. Doch das ist nichts gegen das, was man dem Fuchs im Japan des Mittelalters nachsagt. Er soll Zauberkräfte besitzen und sogar dazu in der Lage sein, sich in Menschengestalt zu verwandeln.

Tatsächlich beschreibt die Amerikanerin Kij Johnson in ihrem Buch „Das Geheimnis der Fuchsfrau“ einen solchen Fall. Kitsune, eine junge, verspielte Füchsin, lebt mit ihrem weisen Großvater, ihrer verrückten Mutter und ihrem in sie verliebten Bruder auf dem verfallenen Landsitz des Adligen Kaya no Yoshifuji. Obwohl er sich dort seit Jahren nicht mehr hat blicken lassen, beschließt der junge Mann mit seiner hübschen Frau Shikujo, seinem achtjährigen Sohn Tadamaro und der Dienerschar, nachdem er bei der bei den Neujahrsernennungen kein Amt abbekommen hat, wieder aufs Land zu ziehen. Kitsune, die äußerst neugierig ist und sich sehr für Menschen interessiert, verliebt sich unsterblich in Yoshifuji. Als ihr Großvater ihr erzählt, dass es Füchsen möglich ist, sich mit Magie in Menschen zu verwandeln, ist Kitsune hellauf begeistert.

Doch ihre Gefühle sind nicht einseitig. Yoshifuji, der sich mit seiner hübschen, stets braven Frau langweilt, verspürt eine gewisse Rastlosigkeit. Er ist nicht mit seinem Leben zufrieden und fühlt sich zu den Füchsen im Garten seltsamerweise hingezogen. Seine Frau sieht das ein bisschen anders. Ihr machen diese Tiere Angst und sie glaubt, dass sie böse sind und Seelen stehlen. Tatsächlich hat sie selbst so ihre Erfahrung mit diesen Tieren und bittet ihren Ehemann, die Füchse zu vertreiben. Doch der lässt sich nicht erweichen. Immer versessener wird er im Hinblick auf diese Tiere, und so beschließt Shikujo, ohne ihn, dafür aber mit Tadamaro in die Hauptstadt zurückzukehren. Das erweist sich als Fehler, denn zur gleichen Zeit beginnt Kitsune mit der Verwandlung in eine Frau, und sie hat nur ein Ziel: Yoshifuji …

Kij Johnson schildert in ihrem Buch eine sehr anschauliche, mythische Geschichte, die gerade Lesern aus der westlichen Kultur sehr gefallen wird, erzählt sie doch aus einem völlig anderen Kulturkreis. Das Buch spielt in der Heian-Zeit, die ungefähr dem Mittelalter entspricht, und bietet neben einer fremden Kultur dementsprechend auch einen sehr interessanten historischen Hintergrund. Kij Johnson stellt diese beiden Aspekte in der Geschichte sehr gut dar. Sie verwebt sie zu einer dichten, atmosphärischen Kulisse und erklärt in wenigen, aber anschaulichen Worten die Besonderheiten des damaligen Japans. Sie schafft es dabei, sich so knapp zu fassen, dass das Buch nicht zerfasert, sondern zu einem runden Ganzen wird.

Allerdings kommt die Geschichte trotz eines guten Anfangs nicht richtig in Gang. Die ersten Seiten erzählen von Kitsunes Geburt als Füchsin und wie sie aufwächst und ihre und die Welt der Menschen erlebt. Da aus der Tierperspektive geschrieben, ist der Anfang unglaublich interessant, stellenweise gewitzt und macht Lust auf mehr. Doch bis dann einmal Schwung in die Geschichte kommt, vergeht einige Zeit. Auf der einen Seite ermüdet es ein wenig, dass sich Johnson manchmal an Kleinigkeiten aufhält, auf der anderen Seite benötigt sie diese, um die zwischenmenschlichen Beziehungen darzustellen. In der Ehe zwischen Yoshifuji und Shikujo kriselt es und die Autorin schildert dies auf eine schleichende Art und Weise, die den Leser dazu auffordert, selbst zu erkennen, wie es um die beiden steht. Glücklicherweise gibt es aber immer wieder Phasen, in denen es im Buch flott vorangeht, und in der Summe überwiegt das Positive der Handlung.

Dazu gehören die Anschaulichkeit und die unglaublich gewandte Darstellung der Ereignisse. Johnson teilt ihr Buch in drei Erzählperspektiven auf: Kitsune, Yoshifuji und Shikujo, die jeweils aus der Ich-Perspektive sprechen. Sie schafft es dabei, zwischen den Perspektiven und dem Leser nur eine geringe Distanz zu belassen. Man kann direkt verfolgen, was die Hauptpersonen bewegt, was sie denken und wie sie verschiedene Ereignisse erleben. Die Charaktere sind ungewohnt gut ausgearbeitet. Sie haben Ecken und Kanten, Geheimnisse und geheime Wünsche und wirken menschlich und bodenständig, keinesfalls heroisch. Es scheint, als ob Johnson tatsächlich bis in die verstecktesten Winkel der Persönlichkeiten vorgedrungen wäre, und dies macht einen großen Teil des Zaubers dieses Buches aus.

Einen nicht unbeträchtlichen Anteil an diesem Zauber hat auch der Schreibstil. Die amerikanische Autorin erzählt leichtfüßig, anschaulich und bildhaft und verwendet viele (Farb-)Adjektive, so dass man sich alles sehr gut vorstellen kann. Außerdem benutzt sie virtuose Metaphern, allerdings nicht im Übermaß, sondern wohldosiert. Insgesamt ist der Schreibstil sehr unaufdringlich und auf subtile Art und Weise beeindruckend. Dass Johnson dies den ganzen Roman hindurch beibehält, verdient großes Lob.

Mit „Das Geheimnis der Fuchsfrau“ ist Kij Johnson ein exotisches und anmutiges Buch gelungen. Ihr Erzählstil zieht in den Bann und erfreut durch seine Anschaulichkeit; die interessanten Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet. Einzig die Handlung ist an einigen Stellen etwas zu langatmig, doch das wird durch die restliche Qualität des Buches schnell wieder aufgewogen.

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