Keller, Titus – Aussortiert

Wer ist Titus Keller? Eine berechtigte Frage. Immerhin brüstet sich der |Eichborn-Verlag| damit, dass hinter diesem Pseudonym ein bekannter deutscher Schriftsteller steckt. Nur wer? Das ist hier die Frage – oder auch nicht. Denn eigentlich geht es um Kellers Debüt „Aussortiert“.

„Aussortiert“ werden in diesem Krimi Leute, deren Lebenswandel dem Mörder nicht zu passen scheinen. Ein Klempner in einem Pornokino, ein Freier, während eine Prostituierte ihn gerade oral befriedigt, ein Drogendealer. Und bei allen hinterlässt er ein Kärtchen mit einer passenden Aufschrift wie „Zu unsauber für Gott. Aussortiert. Hallelujah.“

Der schrullige Kommissar Nabel und seine gut aussehende Kollegin Lidia Rauch sind nicht die Einzigen, die in dem Fall ermitteln. Auch der Reporter Jimmy Kistner (Nabel nennt seinen Arbeitsplatz auch abschätzig die Schweinezeitung) hat seine Nase in dem Fall und wird prompt ebenfalls ermordet. Als Nabel Kistners Wohnung untersucht, findet er eine Liste mit prominenten Namen, denn anscheinend hat der Journalist die erlesenen Kreise mit Kokain versorgt. Nur die erlesenen Kreise? Lidia Rauchs Name steht auch auf dem Zettel …

Vorweg: Wen interessiert schon, wer sich hinter Titus Keller verbirgt, wenn dessen Name von diesem fabelhaften Büchlein in den Schatten gestellt wird?

Kommissar Nabel gehört sicherlich zu den unterhaltsamsten Charakteren der letzten Zeit. Er ist nicht so heruntergekommen wie die Ermittler der skandinavischen Depression, aber nahe dran, doch er trägt das Ganze mit einer ordentlichen Portion bissigem Humor. Sarkastisch und gänzlich unchristlich kommentiert er seine Ermittlungen, und die Dialoge, die sich mit Kollegin Lidia (in die er heimlich verliebt ist – auf seine schrullige Art und Weise) ergeben, sind einfach nur köstlich.

Die anderen Charaktere sind ebenfalls sehr gelungen, besonders weil sie weit davon entfernt sind, politisch korrekt zu sein. Die Mitarbeiter der Berliner Polizei scheinen alle ihr kleines Geheimnis zu haben, und Keller lässt es sich nicht nehmen, seinen Protagonisten und ihrem Humor dezente Kritik an den Umständen in den Mund zu legen. Im Waschzettel des Verlags nennt sich das so schön „Parallelgesellschaften“, also Türkengangs, Dealergeschäfte, der Straßenstrich – Keller umreißt Berlin unterhaltsam als Stadt, die mehr Sumpf als Kultur ist, ohne dabei zu sehr ins Fabulieren zu geraten.

Die Handlung ist überhaupt eine sehr angenehme Angelegenheit. Sie ist sicherlich nicht die spannendste vor dem Herrn, aber logisch aufgebaut, mit überraschenden Wendungen, vielen Verdächtigen und einer klaren Spannungskurve. Da der Schreibstil und die Charaktere der Handlung jedoch sowieso die Schau stehlen, ist sie zweitrangig – und bietet trotzdem ein gutes Gerüst für den Roman. Was sie nämlich vor allem interessant macht, ist weniger die Suche nach dem Täter als die bereits erwähnte Beschreibung der verschiedenen Welten Berlins, in denen sich der Roman bewegt. Sie alle stellt Keller lebendig und authentisch dar, mit einem guten Auge für kleine, aber unterhaltsame Details.

Diese manifestieren sich vor allem im Schreibstil, der den Zuckerguss auf „Aussortiert“ darstellt. Einfach und schnörkellos erzählt Keller, immer auf der Suche nach dem humorvollen Kick. Er benutzt Metaphern, setzt gehobene Wörter ein, um die Lachmuskeln zu animieren, und überlässt es vor allem seinem zynischen, erdigen Humor, den Leser einzunehmen.

Wer ist Titus Keller? Ein Name, den man auf jeden Fall in Erinnerung behalten sollte, denn mit „Aussortiert“ hat er einen selten unterhaltsamen Roman geschrieben. Nabel gehört zu den originellsten Charakteren in Krimideutschland, die ich bis jetzt gelesen habe, und der Schreibstil geht sowohl in die Tiefe als auch in die Breite und gefällt mit seiner Schlagfertigkeit. Mehr davon!

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