Koontz, Dean – Geisterbahn

_Handlung_

|1955|

Ellen flieht wegen ihrer religiös-fanatischen Mutter von zuhause und schließt sich dem Jahrmarkt an. Dort heiratet sie den Geisterbahnbesitzer Conrad Straker. Nach kurzer Zeit wird sie schwanger und bringt ein grässlich missgestaltetes Kind auf die Welt. Aber das Kind ist nicht nur körperlich abnormal, sondern strahlt bereits, trotz seines geringen Alters, eine intelligente Bösartigkeit aus. Aus der Angst heraus, den Antichristen in die Welt gebracht zu haben, beschließt Ellen, ihren Sohn zu töten. Das Kind wehrt sich erbittert und verletzt seine Mutter schwer, doch sie bleibt siegreich.

Als Conrad entdeckt, dass Ellen ihr eigen Fleisch und Blut ermordet hat, jagt er sie davon, denn die Jahrmarktsleute regeln solche Angelegenheiten unter sich, ohne Polizei. Doch er gibt ihr noch eine Drohung mit auf den Weg: „Wenn du einmal wieder Kinder haben wirst, die du liebst, werde ich kommen und sie töten!“

|1980|

Ellen ist schlimmer geworden als ihre Mutter, denn die Ereignisse um ihr erstes Kind haben sie nicht nur auf fanatische Art und Weise in die Arme der Kirche getrieben, sondern auch noch in die Alkoholsucht. Da sie Conrads Drohung nie ernst nahm, hat sie mit ihrem Mann, einem Rechtsanwalt, schon zwei Kinder: die sechzehnjährige Amy und den kleinen Joey.

Beide haben hauptsächlich Angst vor ihrer Mutter, die ihnen wenig Liebe, aber viele Regeln gibt. Umso dramatischer ist die Lage, als Amy herausfindet, dass sie von ihrem Freund geschwängert wurde. Da dieser nicht bereit ist, sein Mittun an der Zeugung einzugestehen, und Amy nicht genug Geld für eine Abtreibung an ihrer Mutter vorbeischmuggeln kann, muss sie ihr die Sünde gestehen.

Auch der kleine Joey hat genug von seiner Mutter, und möchte sich dem Jahrmarkt anschließen, der im nächsten Monat in die Stadt kommt …

_Mein Eindruck_

„Geisterbahn“ wurde im Jahre 1980, als Dean Koontz‘ Romane noch nicht die Bestsellerlisten füllten, als Romanfassung eines Drehbuchs von Larry Block geschrieben. Der Roman lief äußerst erfolgreich an, bis die miserable Verfilmung des Materials, „Das Kabinett des Schreckens“ in die Kinos kam. Der Film hatte ein so niedriges Niveau, dass dieser auch einen Bannfluch auf das Buch warf, dessen Verkaufszahlen deutlich einbrachen. Nun wurde der Roman von der Zeit und |Bastei Lübbe| von diesem Fluch befreit und noch einmal neu herausgebracht, und zwar zum Sparpreis von 4.99 €. Und dieses Geld ist „Geisterbahn“ allemal wert.

Koontz zeichnet in diesem Roman ein äußerst interessantes Bild, das sich im Kontext eines religiös (fast fanatisch) prüden Amerikas der früher Achtziger, der jugendlichen sexuellen Unbekümmertheit und der eigenartigen Welt des Jahrmarktes bewegt. Wer den Roman „Zwielicht“ gelesen hat, wird ja schon etwas von Koontz‘ Vorliebe für Jahrmärkte und deren verschrobene Bewohner mitbekommen haben. Da „Geisterbahn“ vor „Zwielicht“ geschrieben wurde, für Letzteren allerdings schon recherchiert worden war, wurde vom Autor für beide Bücher dasselbe Material zur Darstellung des Jahrmarktes verwendet.

Charaktere wie der Albino Ghost oder die Hellseherin Madame Olga vermitteln eine wohlige Schaustelleratmosphäre. In diesem Gewirr versteht es Koontz perfekt, den Leser im Dunkeln tappen zu lassen. Lange Zeit weiß man nicht genau, von wem die Gefahr eigentlich ausgeht, zumal die Motivationsbegründung und die Beschreibung des Aggressors leider etwas mager ausgefallen sind. Hier merkt man deutlich, dass speziell das dritte Kapitel des Romans deutlich vom Drehbuch beeinflusst worden ist. Mit Beginn dieses Kapitels geht es ganz untypisch für Koontz handlungstechnisch ziemlich schnell und etwas undifferenziert zu Ende. Dies steht in krassem Gegensatz zu den ersten beiden Kapiteln, die deutlich detailverliebter geschrieben sind.

Auch muss man dem Autor vorwerfen, dass er aus einigen sehr interessant angelegten Figuren nicht mehr herausgeholt hat. Speziell der arg gebeutelten Ellen hätte man einen Sieg gegen eine Nemesis gegönnt, sei es nun Conrad, die Kirche oder der Alkohol. Auch Conrads deutlich misstrauischer, aber unwissender Komplize Ghost, der alleine schon aufgrund seines Äußeren eine weitere Einbeziehung wert gewesen wäre, findet keine weitere Beachtung.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden, denn „Geisterbahn“ ist durchaus lesenswert und fesselt bis zur letzten Seite, doch hindern diese Schwächen es eindeutig, in Sphären wie viele andere Erfolgsromane von Koontz aufzusteigen.

Im sehr lesenswerten Nachwort schätzt der Autor seinen Roman genau richtig ein: |“Er ist vielleicht nicht so gut wie „Dunkle Flüsse des Herzens“ oder „Intensity“ oder einige andere meiner besten Romane, aber er ist auch nicht schlecht und vielleicht besser als manch anderer. […] Er macht Spaß. Er hat etwas zu sagen. Und genauso wichtig ist, er ist verdammt unheimlich, auch wenn ich als Autor das sage.“|

Diese Selbsteinschätzung ist so treffend, dass es zum Roman an dieser Stelle eigentlich nichts mehr zu sagen gibt.

Ein persönliches Wort am Rande noch an die Coverdesigner aus dem Hause |Bastei Lübbe|: Es wäre doch wirklich schön, wenn man sich bei der Umschlaggestaltung wenigstens geringfügig auf das Buch bezöge. Ein Cover mit einem nebeligen Wald und einem Vollmond, das überhaupt nichts mit dem Buchinhalt zu tun hat, zeugt nicht von besonderer Kreativität.

_Fazit:_ Nicht überragend, aber durchaus spannend und lesenswert. Auf jeden Fall ein kurzweiliges Lesevergnügen und eine Anschaffung allemal wert.

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