Köhler, Horst (Horn, Guildo) – Doppel-Ich

Er ist der ‚Meister‘, als solcher ein echter Vorzeige-Hippie, der Retter der Nussecken und des deutschen Schlagers, und vor allem hat er uns alle lieb: Guildo Horn ist aufgrund seines gewöhnungsbedürftigen, nicht gerade konventionellen Erscheinungsbilds eine Person, die unfreiwillig polarisiert, der es aber nie darum gegangen ist, die Meinungen zu spalten oder wegen seines auffälligen Äußeren im Rampenlicht zu stehen. Stattdessen ist Horn vor allem als Mensch in Erscheinung getreten, der mit seinen Meinungen nicht zurückhält, der auch unbequeme Themen anspricht, der sich vor allem nicht verdrehen lässt und mit seinem Idealismus immer mehr Leute von sich überzeugt hat.

Dem gegenüber steht aber auch ein sehr sensibler Mensch, eine zielorientierte Person, die für Werte, Traditionen und den Erhalt der Kultur einsteht, die Moral verteidigt, sich aber auch bemüht, sie adäquat neu zu definieren. Kurzum: Dieser Guildo Horn, der eigentlich Horst Köhler heißt und nicht nur einmal mit dem aktuellen Bundespräsidenten verwechselt wurde, ist ein Eigenbrödler, aber ein sympathischer dazu – und dass er viel zu erzählen hat, ergibt sich aus seinem bunten, bewegten Lebenslauf von selbst.

In „Doppel-Ich“ präsentiert Horn alias Köhler seine zweite, bislang oft zurückgehaltene Identität als Privatmensch. Er berichtet von seinem Beruf – oder besser gesagt seiner Berufung – als soziale Kraft in der Arbeit mit geistig behinderten Menschen, spricht von den vielen Vorurteilen, die auch ihm immer wieder entgegengebracht wurden, und vom Kampf gegen die Diskriminierung von Minderheiten. Und wie es seinem Naturell entspricht, bleibt Köhler hierbei sehr gelassen, vermeidet jeglichen Ansatz von Wut und Aggression und formuliert selbst die unliebsamsten Erfahrungen auf positive Art und Weise. Unterdessen beschreibt er wichtige Stationen in seinem Leben, schneidet seine Kindheit an, die Beweggründe für den eingeschlagenen Lebenswandel, kommt immer wieder auf das Minderheiten-Thema zu sprechen, das ihn tagtäglich im Berufsalltag beschäftigt, und orientiert sich erst einmal nicht an der Person, die über das Showbusiness an die Öffentlichkeit getrieben ist und ihn spätestens seit der Grand-Prix-Teilnahme zum Superstar im hiesigen Schlager gemacht hat.

Bis Guildo jedoch ins Spiel kommt, hat man schon so einiges über den Menschen erfahren, der mit der nötigen Entschlossenheit, aber auch mit der so seltenen Authentizität an sein Werk gegangen ist. Natürlich verkündet Horn zwischen den Zeilen sehr stolz, dass er sich mit seinem musikalischen Konzept durchgesetzt hat, ohne zwangsläufig im Strom mitschwimmen zu müssen. Zwar blieben ihm weitere Hits versagt, doch alleine dieser Moment, es geschafft zu haben, mit einem ehrlichen Stück Arbeit an die Spitze gekommen zu sein, wird ausgekostet und mit ein wenig Detailverliebtheit weitergegeben – schließlich ist es wahrscheinlich auch der Knackpunkt gewesen, der überhaupt erst dazu führen konnte, dass das Interesse an diesem Menschen gewachsen ist und diese Biografie überhaupt erst realisiert werden konnte.

Doch was will Köhler/Horn uns nun überhaupt mit der ebenfalls alles andere als normal strukturierten Lebensgeschichte sagen? Steckt tatsächlich eine tiefere Intention hinter „Doppel-Ich“? Tja, sie tut’s, doch sie ist ebenso simpel wie effektiv: Es geht einfach darum zu vermitteln, dass man auch als vergleichsweise unauffälliger Durchschnittsbürger zu etwas kommen kann, wenn man sich nicht verdrehen und ummodellieren lässt, sondern einfach nur ehrlich und selbstbewusst sein Ding durchzieht. Mit dieser Lebensweisheit hat Guildo Horn es zu einer der wichtigsten Personen des letzten Jahrzehnts gebracht, sich bis heute immer wieder im Gespräch gehalten und trotz des Erfolgs immer seinen Standpunkt verteidigen können. Das macht den Sympatico nicht bloß zu einem glaubwürdigen Idol oder einem stillen Helden, sondern auch zu einem der angenehmsten Zeitgenossen, die der Buchmarkt im Hinblick auf die derzeit publizierten Biografien zu bieten hat. Denn was könnte lesenswerter sein als das Leben an sich? Gerade wenn es zeigt, dass Randerscheinungen wie geistige Behinderungen keine Barrieren für ein Miteinander mehr sein müssen …

|Gebundenes Buch, Pappband, 192 Seiten
ISBN: 978-3-579-06990-6|
http://www.randomhouse.de/gvh

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